Geschichten:Flusswacht - Die Wächterin vom Darpat

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Deck der Admiral Dozman in der Mündung des Darpat, 25. Praios 1042 BF


Es war überstanden. Die Admiral Dozman löste sich als erstes aus der Formation der Sonderflottillenschiffe und nahm Kurs auf den Anlegeplatz im Kriegshafen Perricums. In der, besonders bei diesen sommerlichen Temperaturen stickigen, kleinen Kapitänskabine unter Deck machte Yanda von Gerben noch einige Aufzeichnungen mit Kohlestift.


„Bloß nichts vergessen, für die Nachbesprechung. Die Admiräle wissen wovon sie sprechen.“

Außerdem musste sie sich überlegen was sie ihren Frauen und Männern gleich beim Abschlussantreten nach der Übung sagen würde.
Sie war mit dem Verlauf allgemein zufrieden. Vor allem durch die motivierte Arbeit ihrer langjährigen Wegbegleiterin Miria von Gaulsfurt war die Befehlskette innerhalb der Darpatschwadrone reibungslos abgelaufen. Vermutlich hatte auch sie in einer erfolgreichen Übung eine Aufstiegschance innerhalb der Sonderflottille gesehen. Und das zurecht. Miria war eine der wenigen Kapitäne der letzten Jahre, die ihre Zeit in der nur mäßig beliebten Abteilung der Perlenmeerflotte nicht bloß absaß. Die nur wenige Jahre jüngere Schiffsführerin brachte sich nicht nur in der Vorbereitung der letzten Tage durch engagierte Arbeit ein.
Die Galeere Wolfsjäger unter der Führung des jungen Leutnants zur See Alafir Leuwangen hatte hingegen als einziges Schiff der Formation vereinzelt Probleme während des Manövers bereitet. Dafür konnte Yanda dem frischen Offizier aber kaum Böse sein. Nach der überhasteten Anreise des hellen Blondschopfes in der letzten Woche hatte er nur noch wenige Tage Zeit gehabt, die Gewässer an der Darpatmündung und im Hafen, die besonderen Pfeifen- und Flaggenbefehle für das Szenario und obendrein noch die für ihn neue Galeere kennenzulernen. Auch wenn er in den letzten Tagen oft überfordert wirkte, war sich Yanda sicher, dass auch er heute sein Bestes gegeben hatte.
Durch einen kleinen Ruck und einem darauffolgenden Schaben des Rumpfes an der Kaimauer merkte sie, dass der Anlageplatz der Admiral Dozman im Kriegshafen Perricums erreicht war. Schnell räumte sie ihr Schreibzeug und das Kartenmaterial zusammen und richtete ihre schlichte dunkelblaue Uniform. Als sie wieder in die warme Brise an Deck des Schiffes trat, waren auf Grund des wilden Durcheinanders von Matrosen, Schiffsjungen und Ruderern nur wenige Augenpaare auf sie gerichtet. Nach kurzer Suche zwischen der ameisengleichen Schiffsbesatzung fand sie ihren Hauptbootsmann, der gerade mit der Koordination der Aufräumarbeiten alle Hände voll zu tun hatte.

„Lass das Schiff noch herrichten, danach will ich die Besatzungen des I. und III. unten am Kai angetreten haben.“, befahl die Kommandantin.

„Jawohl.“, nuschelte der Angesprochene in seinen dichten, nassen Bart, während er weiter seiner Arbeit nachging

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„Still gestanden! Zur Meldung an die Kapitänin die Augen Links!“, im militärischen Gruß wandte sich Miria von Gaulsfurt, der Befehlshaberin zu.

„Kapitänin, ich melde Euch das I. und III. Darpatschwadron angetreten.“

„Vielen Dank! Rührt Euch!“, erwiderte Yanda zackig.

Die Disziplin in den Mannschaften litt vor allem zu dieser abendlichen Stunde gewaltig, doch Yanda ließ sich davon nicht beirren.

„Heute war ein anstrengender Tag für uns alle. Wir ihr wisst hatten wir seit langer Zeit keine gemeinsame Übung mit der Hochseeflotte mehr und erst recht keine diesen Ausmaßes. Obwohl die Einzelaufgaben meist saßen, gab es noch großen Nachholbedarf in der Koordination vor allem unter Zeitdruck. Daran müssen wir ab jetzt noch häufiger und intensiver Arbeiten.“, viele der verschwitzten Matrosinnen und Matrosen waren augenscheinlich über die drohenden anstrengenden Übungstage gar nicht begeistert.
„Nichtsdestotrotz bin ich mit dem allgemeinen Ablauf der Übung heute mehr als zufrieden und jeder Einzelne von euch hat dazu beigetragen, dass die Sonderflottille heute einmal mehr unter Beweis stellen konnte, dass die Männer und Frauen, die in ihr dienen, denen der Hochseeflotte in nichts nachstehen, wenn es darauf ankommt.“

Bei wem es die Erschöpfung noch zu ließ, hellte sich der Blick merklich auf. Die Kommandantin hörte von einigen schaulustigen Matrosen der Hochseeflotte, die sich am Kai herumdrückten, ein unterdrücktes Prusten.

„Deshalb habe ich mich dazu entschlossen den morgigen Tag dienstfrei zu geben.“

Über das folgende freudige Getuschel erhob Yanda ihre Stimme noch einmal deutlich.

„Auf die erfolgreiche Übung ein dreifach donnerndes: Efferd“

„Hurra“

„Efferd“

„Hurra“

„Efferd“

„Hurra“

„In den Feierabend wegtreten!“

Die Formation der Matrosen löste sich schnell und lautstark auf und die im Karré stehenden beiden Schiffsoffiziere kamen zur Kommandantin geschlendert.

„Das gilt natürlich nicht für euch.“, erwähnte die Kommandantin beiläufig.

Im Gegensatz zu Miria, für die diese Information selbstverständlich war, machte sich im Gesicht des jungen Leutnants unübersehbare Enttäuschung breit.

„Denn wie ihr sicherlich noch wisst,“ mit einem ermahnenden Blick zu Leuwangen machte Yanda klar für wen die folgende Information im Besonderen gedacht war, „ist für den morgigen Tag die Nachbesprechung mit der Admiralität im Oktagon zur Phexensstunde angesetzt.“

Ein leicht zögerliches, ambivalentes Kopfnicken ließ jedoch alle Umstehenden im Unklaren, ob er sich wirklich daran erinnerte.

„Wir treffen uns dennoch zum normalen Dienstbeginn im Arbeitszimmer.
Ihr habt heute beide exzellente Arbeit geleistet.“

„Dann wollen wir hoffen, dass unsere Vorführung auch den Admirälen gereicht hat.“

Von Gaulsfurt war von ihrer Darbietung offensichtlich deutlich weniger begeistert als Yanda.

„Lang müssen wir auf das Urteil ja nicht warten. Also auf zum Kontrollgang über die Schiffe und dann ab in den Feierabend. Der Tag war lang genug.“, mit einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen ging Yanda auf das Flaggschiff zu.

Nach einem kurzen Kontrollgang über beide Schiffe trat auch sie den Heimweg zu ihrem kleinen Haus im Norden der Stadt an, der zu ihrem Bedauern immer noch mit Um- und Wiederaufbauarbeiten beschäftigt war. Sie wusste nicht, ob sie es noch ertragen könnte täglich aus ihrem Fenster auf das träge dahinfließende Gewässer zu blicken, wenn sie die Stelle als Wächterin vom Darpat nicht bekäme.
Nachdem sie das nördliche schwer bewachte Tor in den Stadtteil Efferdgrund, welches eher einer Schleuse glich, passiert hatte, sah sie bereits ein vertrautes Gesicht auf der anderen Seite. Ein freudiges, aber erschöpftes Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit, als sie ihren zwei Köpfe größeren Mann Torbald sah. Der dunkelblonde, luftig gekleidete Mann, mit dem sie mittlerweile bereits seit über 20 Götterläufen verheiratet war, musste hier schon eine ganze Weile warten.
Sie wusste, dass es im Ehebund nach so langer Zeit nicht selbstverständlich war sich immer noch gegenseitig ein Lächeln ins Gesicht zaubern zu können. Vermutlich trug dazu auch bei, dass sie sich nur wenige Monate im Jahr am Stück sahen. Torbald hatte vor allem mit seiner Fischereiflotte und den Verwaltunsangelegenheiten des Lehens seines Vaters auf den Efferdstränen viel zu tun und verbrachte lange Zeit in seinen Heimatgewässern. So war es jedes Mal ein freudiges Wiedersehen und die ersten Tage fühlten sie sich wie ein frisch verliebtes Paar im Rahjagarten.
Sie konnte es nicht erwarten seine seemännische Meinung zum heutigen Tag zu hören. Erst als Yanda in den letzten Strahlen der abendlichen Praiosscheibe einen Arm um die Hüfte ihres Mannes schlang, spürte sie zum ersten Mal wie erschöpft sie wirklich war.

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Verwaltungsgebäude der Perlenmeerflotte im Perricumer Kriegshafen, 26. Praios 1042 BF

Der Weg zu den Verwaltungsgebäuden im Osten des weitläufigen Areals des schwer befestigten Kriegshafens nahm trotz Yandas zügigen Schrittes eine ganze Weile in Anspruch. Mehr als einmal gingen ihr im kühlen Schatten der hohen Praiosmauer Gedanken zu ihren Kontrahenten durch den Kopf. Vor allem Siegred von Rauleu war ein erfahrener Seefahrer und nicht umsonst für den gleichen Posten vorgeschlagen worden. Auch die etwas jüngere Kontrahentin Rhuda brachte viel Potenzial mit und machte in den letzten Jahren immer öfter in der Flotte von sich reden. Und wer konnte schon wissen, was diese beiden, oder viel mehr ihre Familien, dem Seneschall versprochen hatten. Wie ein lästiger kleiner Splitter in ihrem Kopf erinnerte sie der Gedanke wieder an die Verpflichtung gegenüber Zordan, die auch sie eingehen müsste.
Sie schob den letzten unangenehmen Gedanken beiseite, als sie über den edel verkleideten dunklen Gang des weitläufigen Verwaltungstrakts in das Arbeitszimmer der Ersten Markgräflichen Flußkapitänin eintrat.
Als sie die knarrende, schwere Holztür öffnete, traf sie fast Rondras Schlag. Durch die nahezu pausenlose Arbeit der letzten Woche sah es aus als wären die Orks eingefallen. Karten lagen ausgebreitet quer über die beiden Schreibtische und Stühle verteilt. Mäntel, Hüte und Uniformteile lagen auf dem Boden. Sogar Essensreste ließen sich vereinzelt finden.

„Morgen Yanda.“

Miria von Gaulsfurt saß halb versteckt hinter einem Papierberg, der sich auf dem rechten Schreibtisch stapelte.

„Wie es aussieht haben wir noch ein wenig mehr zu tun als nur die Besprechung.“, stöhnte die soeben Eingetretene, während sie ihren Hut auf den Kleiderständer hing. Sie hatte sich ihren Morgen etwas anders vorgestellt.

„Allerdings. Wo bleibt eigentlich wieder Leuwangen? Erst fährt er durchs Hafenbecken wie ein betrunkener Krabbenfischer und dann hat er nicht mal den Anstand rechtzeitig aufzustehen. Ich weiß wirklich nicht, warum du ihn dir nicht mal ordentlich zur Brust nimmst.“

Miria war in den ganzen Jahren, die sie nun zusammen in der Sonderflottille dienten noch nie ein Morgenmensch gewesen. In gewisser Weise hatte sie aber recht. Yanda hasste es Leute offen zurechtzuweisen und war darin auch nie sehr überzeugend. In den letzten Tagen war die stellvertretende Kommandantin, um das Klima im Führungsstab der Sonderflottille nicht zu gefährden allerdings besonders vorsichtig mit dem Leutnant umgegangen. Irgendetwas mochte Yanda an dem jungen Mann.
Ohne eine weitere Bemerkung dazu abzugeben, begann die Angesprochene mit den Aufräumarbeiten im Zimmer, denen sich Miria zögerlich anschloss.

Etwa eine halbe Stunde später schwang die Tür geräuschvoll auf. Darin stand der gehetzte Leutnant, der zu allem Überfluss auch noch seinen Mantel falsch zugeknöpft hatte. Bevor er überhaupt zu einer Entschuldigung ansetzen konnte, begann Miria bereits dem jungen Offizier eine gehörige Standpauke zum Thema `Offiziere als Vorbilder´ zu halten. Yanda ließ währendessen das Gefühl nicht los, dass ihre Kameradin diese Ansage bereits im Vornherein geübt hatte. Vermutlich war es deswegen die letzte halbe Stunde im Arbeitszimmer so still gewesen. Deutlich länger als angebracht musste der blonde Alafir die Strafpredigt über sich ergehen lassen. Der Höhepunkt der Maßregelung war, dass Miria ihn wieder hinausschicken wollte, damit er noch einmal anklopft und sich dann im korrigierten Anzug für seine Verspätung entschuldigte. Als sich dieser gerade zur Tür wenden wollte, konnte Yanda nicht mehr an sich halten und wies den Leutnant dazu an: "...gefälligst hier zu bleiben und beim Aufräumen zu helfen."
Dafür erntete sie von Miria, deren Halsschlagader deutlich sichtbar hervorgetreten war, mehr als nur einen giftigen Blick.

Die nächsten anderthalb Stunden verbrachten die drei Offiziere zuerst mit der Beseitigung des Chaos im Zimmer und später mit der Nachbesprechung der Übung. Dabei kamen von Mirias Seite vor allem die Verfehlungen Leuwangens zur Sprache, der versuchte sich nach Kräften gegen die scharfen Anschuldigungen zu verteidigen. Yanda griff einige Problematiken davon auf, die die Admiralität sicher ansprechen würde und zu Dritt fanden sie mal mehr, mal weniger passende Erklärungen für die Patzer, ohne dass einer von ihnen dabei deutlich schlechter weg kam als die anderen beiden.

Ohne, dass in dem Arbeitszimmer borongefälliges Schweigen aufkam, verging die Zeit bis zur Versammlung in Yandas Augen viel zu schnell und bald mussten sie in der vollen Blüte des Morgens eines der kleinen Ruderboote zum Okatagon in der Mitte des Hafenbeckens besteigen.

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Admiralssaal des Oktagons, 26. Praios 1042 BF

Der Admiralssaal im 3. Stock war wie immer ein erhabener Anblick. Durch die schießschartenähnlichen Fenster erhellten kräftige goldgelbe Lichtstrahlen den achteckigen Raum. Konteradmiral Fedor von Zolipantessa stand bereits an der großen Mosaikkarte in der Mitte das Raumes und unterhielt sich mit Varsinian Hal von Teckelwitz, der anscheinend mit einigen Schülern aus verschiedenen Ausbildungsabschnitten der Flottenakademie der Nachbesprechung beiwohnte. Auch Siegred von Rauleu und Rhuda de Vargas saßen sich bereits mit ihren jeweiligen Schiffsführern an der langen Tafel aus schimmerndem Mohagoni gegenüber.

Die Begrüßungen schienen kein Ende zu nehmen, bis sich der Saal mit letztendlich fast zwei Dutzend Personen der Admiralität und des Stabes füllte. Lediglich etwa die Hälfte davon hatte einen Sitzplatz am langen Tisch in der Mitte. Mit einem simultanen Erheben aller Anwesenden betrat etwas später auch die Oberbefehlshaberin der Perlenmeerflotte, Deirdre Sanin den Admiralssaal.
Der gewohnt strenge Blick, der bereits in die Jahre gekommenen Seemännin schweifte über die Runde und blieb an den drei Kandidaten hängen, bevor sie auf dem edel verzierten Lehnstuhl platz nahm und die Gespräche eröffnete.

Die drei separaten Aufgaben, die in den folgenden zwei Stunden genauer beleuchtet wurden, waren:
- Die Hafensperrung durch das Schiffsgeschwader III unter der Führung von Rhuda de Vargas
- Die Sperrung der Darpatmündung durch das Galeerengeschwader II unter der Führung von Siegred von Rauleu
- Die Sperrung der Darpatmündung durch die Sonderflottille Flußwacht unter der Führung von Yanda von Gerben

Schnell kristallisierte sich heraus, dass im direkten Vergleich zwischen Siegred von Rauleu und Yanda von Gerben, die Sonderflottille klar überlegen war. Der auch im Gespräch mit der Admiralität leicht arrogant wirkende Kapitän hatte nicht nur bei der Besprechung große menschliche Schwierigkeiten mit den eigensinnigen Schiffsführern des Galeerengeschwaders II, die seine kurzfristige Überordnung offensichtlich überhaupt nicht gut hießen.
Auch als Fedor von Zolipantessa einige Defizite in der Ausführung des Manövers ansprach, wälzten diese die Verantwortung immer wieder auf ihren Kommandanten ab, der schnell in Erklärungsnot geriet.
Yanda hielt sich in dieser Phase zurück und sprach nur, wenn sie angesprochen wurde. Sie wollte den momentanen Gesprächsverlauf nicht dadurch gefährden, dass sie unnötige Aufmerksamkeit auf sich zog.

Siegred von Rauleu war merklich gekränkt, als die Debatte bald auf einen langanhaltenden Vergleich zwischen Rhuda de Vargas und Yanda von Gerben überging. Beide Manöver waren laut den anwesenden Admirälen etwa von gleicher Güte. Auch die Admiralin selbst hatte ihre Passivität im Verlaufe des Symposiums immer mehr abgelegt. Man hatte fast das Gefühl, dass ihr die Debatten nun bereits etwas zu lange dauern. Direkt mit ihrem Redeanteil war auch der, der beiden Kapitäninnen verknüpft, die immer öfter offensiv auf ihre Verfehlungen angesprochen wurden und passende Erklärungen abgeben mussten.

„Nun, Admiralin, ich vermute, dass die Flaggen für die Wolfsjäger im Kontermarsch einfach etwas ungünstig standen. Daher war das Kreuzen in diesem Augenblick für sie unumgänglich. Ihre Position in der Gefechtskehrtwendung hatte sie dann ja trotzdem etwas später noch einnehmen können. Daher hatten wir in unserem Ausfall mit der Admiral Dozman auf das Feindkommando eine leichte Verzögerung, die…“

„Es war mein Fehler, Admiralin.“ Alle Augen waren auf den jungen Leutnant Leuwangen gerichtet, der aufgestanden war, als er seiner immer häufiger ins Stottern geratenden Kommandantin ins Wort fiel. „Ich musste mehrmals am gestrigen Tag die Flaggenbefehle in meinen Notizen nachschlagen und daraufhin noch die Untiefen im Fahrwasser prüfen.“

Er fixierte mit geradem Rücken die nach vorn gebeugte Sanin, welche gerade eines der Schiffe auf der Karte leicht verschob und in der Bewegung innehielt. Auch Yandas Mund stand offen, als sie ihren Leutnant von der Seite anblickte. Sie konnte sich nicht entscheiden ob er besonders mutig oder besonders bescheuert war.

„Es war meine erste große Übung und ich muss noch viel von unserer großartigen Kommandantin Gerben lernen. Ihr müsst wissen ich bin noch nicht lange von der Flottenakademie runter. Die gerade angesprochenen Probleme waren meine Fehler. Das tut mir leid. Ich hoffe ihr habt Verständnis, Admiralin.“

Der junge Mann mit dem blonden Bürstenschnitt setzte sich wieder. Im Saal war es für einige Momente komplett still. Das Klacken des von Sanin nun ganz umgekippten Schiffes beendete die Stille.

„Ihre Offiziere scheinen ja eine ziemlich hohe Meinung von Ihnen zu haben, Kapitänin.“, räusperte sich Deirdre Sanin, deren strenger Blick zwischen Alafir und Yanda hin und her wanderte.
„Nun, wenn das so ist, hoffe ich, dass ihr die Übungsintensität für den jungen Leutnant noch deutlich erhöht, Von Gerben. Es kann doch nicht sein, dass er nicht mal diese grundlegenden Dinge beherrscht.“

„Natürlich, das werde ich selbstverständlich tun. Die Übungen waren in der letzten Zeit auf Grund der Verfassung der Kommandantin etwas eingeschlafen und ich kam nicht mehr so oft nach Wasserburg, wo der Leutnant eigentlich stationiert ist.“
Yanda schwitzte Blut und Wasser als sie eine Erklärung für den mangelhaften Ausbildungsstand ihres Kameraden suchte.

„Dann können Sie ihm direkt helfen die 15-seitige Abhandlung über die Gefechtskehrtwendung und den Kontermarsch im Geschwaderverbund zu verfassen. Vielleicht kann man es ihm ja so in den Kopf eindämmern. Abzugeben bis nächste Woche bei Von Cletzau.“, mit einem Blick nach rechts bestätigte die Instruktorin der Perlenmeerflotte diese Aufgabe, „Diese wird mir berichten ob sie es dann verstanden haben, Leutnant."

Alafir musste sichtbar schlucken, als er von der einschüchternden Dame abgekanzelt wurde. „Jawohl, Admiralin.“

Auch Yanda von Gerben hatte Sorgenfalten auf der Stirn, als die Admiralin fortfuhr: „Da sich die Qualität der Manöver von Vargas und Gerben nur marginal unterscheiden, wird es das Beste sein eine bereits bekannte und ganz offensichtlich respektierte Person an die Spitze zu stellen. Damit kann sich auch die Lage in der Sonderflottille hoffentlich ohne Verzug normalisieren.“

In einer Sprechpause schaute die Admiralin ausgiebig in die Runde, während sie kurz ihre Uniform glatt strich.

„Kapitänin Yanda von Gerben würdet Ihr die Stelle als Wächterin vom Darpat annehmen?“

Es brauchte einige Momente der Stille, bis die Angesprochene realisierte, was die Admiralin gerade gesagt hatte.

„Ja natürlich, nichts lieber als das. “ Auf ein kruzes Handzeichen hin erhob sich die völlig perplexe Frau.

„Ich habe gestern nach der Übung noch einmal mit dem Seneschall gesprochen, auch ihn schienen Ihre guten Leistungen bei der Übung sehr zu freuen.“, als sie dies anmerkte, glich ihre Stimme entgegen der inhaltlichen Aussage fast einem Knurren. „Somit kann ich Euch Kraft meines Amtes und der mir vom ehrenwerten Markgrafen großzügig übergebenen Freiheit in der Entscheidungsfindung in meiner eigenen Flotte", nun verstand auch der letzte im Raum, was die Stimmung der Admiralin so drückte, "zur Wächterin vom Darpat und Kommandantin der Sonderflottille Flußwacht ernennen.
Mast- und Schotbruch für Ihre neue Aufgabe, Kommandantin!“

Zwei Bedienstete machten sich unverzüglich daran die Tafel für die Unterzeichnung der Ernennungsurkunde vorzubereiten.
Yanda hatte es geschafft, sie hatte sich den Titel der Ersten Markgräflichen Flußkapitänin bzw. der Wächterin vom Darpat mit ehrlichem seemännischem Geschick verdient.

Die nachfolgenden Beglückwünschungen nahezu aller Anwesenden und die darauffolgende feierliche Unterzeichnung der Ernennungsurkunde beendeten die Versammlung. Auch Rhuda de Vargas reihte sich in die Gratulanten ein und es ring Yanda einigen Respekt ab, wie sportlich die Kontrahentin zumindest äußerlich mit ihrer Niederlage umging. Allein Siegred von Rauleu hatte bereits nach kurzer Zeit wortlos den Raum verlassen.

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Als sie das Oktagon einige Stunden nach Mittag über den kurzen Seeweg wieder verließen, nahm sich die frisch gebackene Kommandantin, ihre Offiziere Leuwangen und Gaulsfurt zur Seite.

„Ich hoffe ihr wisst, dass meine Beförderung nur durch eure engagierte Mitarbeit möglich gemacht wurde und dafür will ich euch danken. Doch nicht nur mein Dank soll eurer Mühen Lohn sein, nein, ich würde euch auch gerne mit in den neuen Führungsstab der Sonderflottille einbinden.
Miria, wir kennen uns jetzt schon eine halbe Ewigkeit und ich weiß dein seefahrerisches Geschick zu schätzen. Außerdem ergänzen wir uns herausragend im Führungsstil. Ich würde mich also freuen, wenn du ab morgen die stellvertretende Flottillenleitung an meiner Statt übernimmst.“

„Es wäre mir eine große Ehre, Kommandantin.“, mit einem freundschaftlichen Händedruck besiegelten die alten Kameraden, die mündliche Beförderung.

„Und Leuwangen, Sie Himmelshund. Ich wusste immer, dass in Ihnen ein echter Kerl schlummert, aber was Sie da drin veranstaltet haben, das verdient meinen größte Anerkennung. Ich bin froh einen so aufrechten Offizier in meinen Reihen zu haben.“
Mit einem kräftigen Schulterklopfen unterstützte sie ihre Ausführungen.
„Sie sind jetzt lang genug in Wasserburg versauert. Wie fänden Sie es denn, das III. Schwadron in Dergelmund von Miria zu übernehmen?“

„Meinen Sie das ernst, Kapitän.. äh… Kommm“, verdutzt starrte er sein Gegenüber an.

„Ach nenn' mich doch Yanda und natürlich meine ich das ernst. Aus Dir kann noch etwas Großes werden, wenn Du dir deine aufrechte Art beibehälst. Alles andere kommt ohnehin mit der Zeit.“

„Ich.. ich weiß nicht was ich sagen soll.“, während er antwortete, richtete Yanda den Mantelkragen Alafirs, der auf einer Seite quer abstand.

„Dann sag doch einfach: Ja. Das würde mir schon reichen.“

„Ja, ich wäre stolz das III. Schwadron führen zu dürfen, Kom.. äh Yanda.“

„Na schau, es geht doch. Und jetzt kommt ich habe einen riesen Hunger.“, mit einem zufriedenen Kopfnicken schob sie den Leutnant in Richtung Küche.