Geschichten:Fluss der Erkenntnis - Totenwache

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Kellergewölbe der Hochnjerburg, Königliche Domäne Neerbusch, Ende Boron 1038 BF:

Das Kellergewölbe war nur mäßig beleuchtet. Die wenigen Fackeln an den Wänden hatten nicht die Kraft um für ausreichend Licht zu sorgen. Doch war dies auch nicht gewollt und dem Herrn Boron so ein Wohlgefallen. Vor einem rechteckigen Altar kniete Ardare Rondriane von Trenck in stiller Andacht. Ihr Gewandt in dunklen Rot und Schwarz war für eine Geweihte der Rahja erstaunlich hochgeschlossen, aber – und da blieb sich die Trenck treu – hauteng. Auf dem Altar lag, in weiße Leinen gewickelt, ihre verstorbene Mutter. Einige Schritte hinter der Trauernden standen Ardares Hofdamen Edala und Alara, beide ebenfalls hochgeschlossen und in borongefälligen Schwarz gekleidet. Beide schauten betroffen zu Boden. Hin und wieder hörte man ein Schluchzen von einer der beiden.

Nachdem Yppolita von Trenck aus der Breite gefischt worden war, hatte man sie auf die Hochnjerburg gebracht, so dass sich ihre Tochter gebührend von ihr verabschieden und die Höflinge ihr ihre Aufwartung machen konnten. Nur, es kam außer Ardare und ihrer Hofdamen keiner. Keiner? Nun, wie es schien hatte sich doch jemand in den Keller verirrt – der königliche Jagd- und Forstmeister.

Langsam näherte sich Edorian der Trauergemeinde. Sein Blick viel auf die auf dem Altar liegende Tote. Ihr Gesicht war unverhüllt. `So sehen also Wasserleichen aus´, dachte er bei sich, `ganz schön aufgedunsen, aber dafür Faltenfrei´, bemerkte er zynisch. Er räusperte sich.

„Eure Gnaden, ich bin hier um Euch im Namen Eures Gemahls sein tiefstes Mitgefühl auszudrücken. Der plötzliche Tod Eurer Frau Mutter ist für uns alle ein kaum zu ersetzender Verlust. Ferner möchte er seinen Dank für die treuen Dienste der Verstorbenen zum Ausdruck bringen. Ihre Berichte vom Sighelmsmärker Hof werden schmerzlich vermisst werden.“

Edorian lächelte innerlich, hatte er doch schon lange auf diesen Moment gewartet. Diesen einen Moment der Schwäche seiner verhassten Kontrahentin. Er hasste Ardare bis aufs Blut. Nicht nur, dass beide um die Gunst des Kronvogtes rangen, nein, es ging auch um Einfluss am Hofe. Bevor die Rahja-Geweihte nach Neerbusch kam, war er fast schon am Ziel: Viele wichtigen Hofämter wurden von seinen Vertrauten besetzt. Seine Schwester hatte als Kastellanin die Verwaltung der königlichen Lande unter ihrer Kontrolle, sein alter Lehrmeister Salpion und seine Mutter Simiane waren als Sekretär, respektive Leibmagierin und Ärztin ebenfalls ganz nah an Leomar und konnten auf ihn einwirken. So blieben also nur noch Leomars sogenannte Boltanfreunde Algerte, Caradan und Bernhelm, also jene die der Kronvogt aus Gareth mitnahm. Doch die entpuppten sich als harmloser als gedacht. Dann, ja dann kam die Rahja-Geweihte Ardare Rondriane von Trenck und alles wurde anders. Erst wurde sie königliche Bademeisterin und landete somit nicht nur im Badezuber sondern auch im Bett des Zweifelfelsers. Wenige Monde nach dem Tod von Leomars erster Gemahlin heiratete er sie bereits völlig überraschend. Damit hatte Edorian nicht gerechnet, er hatte sie unterschätzt. Sie durchkreuzte seine Pläne vom Bau eines Simia-Tempels und setzte statt dessen den Bau der königlichen Therme durch. Seit dem herrschte offene Feindschaft zwischen den beiden, die Leomar mitunter auch geschickt zu nutzen wusste.

„Ihr wagt es hier zu erscheinen, HIER!“ Ardare hatte sich erhoben, aber noch nicht zu dem ungebetenen Besucher umgedreht.

„Nun, ich bin auf Geheiß Eures Gemahls hier …“, entgegnete Edorian trocken, „Er lässt sich entschuldigen, sicher wäre er gerne selber gekommen, aber wie ihr wisst sind gerade die hohen Herren Tannengrund und Aimar-Gor zu Gast auf der Hochnjerburg. Wie mir scheint hat er also besseres zu tun als hier im Keller nach dem Rechten zu sehen.“

„AHHHRRR ihr Sohn eines Waldschrates, was erlaubt ihr Euch“, Ardare hatte sich nun umgedreht und funkelte Edorian aus grimmigen Augen an. „Ihr ward es doch, oder etwa nicht. Los, gebt es zu, Ihr habt meine Mutter auf dem Gewissen nur um mich zu treffen.“

„Wie wahr, ein verführerischer Gedanke, aber da muss ich Euch leider enttäuschen, da ist wohl schon vor mir jemand drauf gekommen. Wenn Ihr mich bitte entschuldigen würdet.“

Edorian wendete sich um um zu gehen, nur um dann einer Hand voll Becher und Schalen auszuweichen, die aus der Richtung des Altars geflogen kamen und scheppernd auf dem Steinboden knallten.