Geschichten:Flammende Furcht - Prolog: Goldgeschuppte Erkenntnis

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In der Nähe eines kleinen Bauernhauses im Junkertum Tannengrund, Baronie Tannwirk, Grafschaft Waldstein, auf dem Feld.

Torm Dragentodt war ein praiosfrommer Mann. Wann immer es ihm möglich war, suchte er den Wegschrein nahe der Drachenmagd-Schänke auf. Sein Eheweib wollte ihn zwar immer zum Tempel in Tannengrund schicken, aber wozu sollte er diesen längeren Weg auf sich nehmen, zumal da die namensgebende Drachenmagd ihm immer so freundlich zuzwinkerte, wenn er die Schenke nach einem Gebet aufsuchte? Was ja auch nicht verwunderlich war, schließlich war er hochgewachsen, größer als alle, die er kannte, hatte eindrucksvoll blonde Haare und die jahrelange Feldarbeit hatte seine Muskeln gestählt.

Praios zeigte heute seine ganze Kraft und sein Auge trieb Torm den Schweiß aus den Poren, während er mit einer Harke sein Feld bearbeitete. Neben seinem Großen Feld hatte er auch vor wenigen Jahren diesen Flecken Land am Rande des Reichsforst geerbt. Aber bis jetzt hatte er damit nichts als Ärger gehabt. Es war als wolle dieser von allen Göttern verlassene Wald sich das Land zurückholen, das man unter großen Mühen urbar gemacht hatte. Wenn er nicht mindestens einmal in der Woche die kleinen Schösslinge herausharkte, dann würde schon nach kurzer Zeit der Wald diesen Kampf gewinnen, und das konnte Torm Dragentodt nicht zulassen! Also stand er jede Woche stundenlang in der prallen Sonne und harkte. Das wäre ja gar nicht so schlimm gewesen, würde nicht direkt hinter dem Feld der grausame Wald beginnen. Turmhoch ragten die Bäume auf, wie ein teuflisch-grüner Festungswall, den die Natur gegen den Menschen gebaut hatte, und wohl nicht einmal Praios wusste, was in den Tiefen dieser menschenfeindlichen Umwelt vor sich ging (schließlich schaffte es ja nicht mal SEIN Auge in die düsteren Tiefen vorzudringen!!). Torm war gar nicht aufgefallen, dass er gedankenverloren die finstergrüne Wand betrachtet hatte. Schnell machte er das Handzeichen zur Abwehr des Bösen und beugte sich wieder tief über den Boden und bearbeite mit neuer Kraft das Erdreich. Um das wispernde Flüstern des Waldes und das ungute Gefühl zu vertreiben, das der Anblick des fürchterlichen Forstes in sein Herz gepflanzt hatte, begann er eine fröhliche Melodie zu summen.

Deswegen bemerkte er im ersten Augenblick auch nicht, dass mit einem Schlag alle Vögel verstummt waren. Erst als sein Herz begann, wie verrückt zu rasen, fiel ihm auf, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Aber Torm Dragentodt war auch ein sehr pflichtbewusster Mensch und ihm graute vor den keifenden Vorwürfen seiner Frau, wenn er zu früh wieder zuhause auftauchte. Daher stimmte er mit seiner wohlklingenden Stimme einen Gurvianischen Choral an, den er bei der letzten Praiosprozession gehört hatte, und machte sich wieder über seine Arbeit her. Die kleine Stimme in seinem Kopf, die ihm dringend riet, die Beine in die Hand zu nehmen, übertönte er mit dem lauten Gesang.

Ebenso wie das Rauschen, das, vom Reichsforst kommend, nun immer lauter wurde. Plötzlich fiel kurz ein Schatten auf den Bauern. Erschrocken hob er den Kopf, doch die gleißende Praiosscheibe überstrahle alles, so dass er nichts Genaueres erkennen konnte. Lediglich eine schnelle Bewegung am Rande seines Gesichtsfeldes. Nur ein Vogel, wahrscheinlich irgendein Adler oder ähnliches, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Sein Herz trommelte in seinem Brustkorb, sein Atem ging schnell, keuchend. Seine innere Stimme brüllte ihn nun förmlich an: Verschwinde, du Dummkopf! Anfangs zögerlich, dann mit immer schnelleren Schritten machte sich Torm auf den Rückweg. Zu spät.

Ein gewaltiges Brausen raste heran, Sturmböen peitschten über das Feld und warfen den Mann zu Boden. Die Erde bebte, als mit einem lauten Krachen ETWAS landete. Torm rappelte sich hoch. Er wollte losrennen, warf aber noch einen letzten Blick über die Schulter Richtung Wald. Und erstarrte mitten in der Bewegung. Dort, direkt auf seinem Feld, ragte ES in den Himmel. Die enormen Schwingen weit gespreizt, die schwertlangen Klauen in den Boden gekrallt, den schiffsgroßen Leib der Sonne entgegengestreckt, warf es einen riesigen Schatten. Ja es schien fast so, als verdunkle es das Praiosauge selbst! Ein Drache. Obwohl er diesen Schatten warf, glänzten seine Schuppen wie pures Gold. Kupferrote Funken tanzten über den prächtigen Leib. Der Gedanke an Flucht war wie weggeblasen. Nichts und Niemand konnte dieser Kreatur entkommen, keiner war ihm gewachsen. Kleine Flammenzungen leckten vom Maul und den verhornten Nüstern der Bestie hervor in die Luft. Mit einer unerwartet geschmeidigen Bewegung beugte der Drache den langen Schlangenhals und sein gewaltiger Schädel schwebte nur wenige Meter vor dem erstarrten Menschen in der flirrenden und flimmernden Luft. In den echsenhaften Augen, schwarz wie die Sternenleere, loderten smaragdgrüne Flammen wie eine Korona um die vertikale Pupille. Ein schmaler Spalt in die Unendlichkeit. Der Blick des Drachen bohrte sich direkt in die Augen und die Seele des Bauern.

Torm bleibt der Atem im Halse stecken, sein Herz hüpft unruhig und unregelmäßig. Ein unkontrollierbares Zittern durchläuft seinen Körper. Torm spürt einen gewaltigen Druck an seinen Schläfen. Er kämpft dagegen an. Nicht länger als ein oder zwei hastige Herzschläge. Warmes Blut tropft aus seiner Nase. Ein dünnes Rinnsal. Dann überrollt die gewaltige Macht des Drachen jeglichen Widerstand. Eine turmhohe Flutwelle aus flüssigem Feuer. Die Gedanken der Kreatur schlagen wie Armbrustbolzen in seinen Verstand ein. Er hört sie, er sieht sie in seinem Kopf. Das Feld. Der Wald. Der Drachenleib. All das verschwimmt, verblasst, verschwindet. Einzig die lodernden Augen des Drachen stechen schmerzhaft aus der gnädigen Finsternis hervor.

Der Drache lässt ihn sehen: eine verbrannte Welt im Schatten todbringend goldener Schwingen.

Als langsam wieder die Wirklichkeit heraufdämmerte, erblickte Torm erneut das Haupt des Untiers direkt vor seinem Gesicht. Drache und Bauer verharrten regungslos, während am Himmel weiße Wolken über den immer dunkler werdenden Himmel jagten. Eine Insel der Ewigkeit, dem unbarmherzigen Strom der Zeit abgetrotzt. Dann öffnete sich unendlich langsam das Maul der Kreatur. Aus dem Rachen leckten gierig blutrote Flammen. Mit einem keuchenden Schnauben wie ein riesiger Blasebalg, sog der Drache die Luft ein. Torm fühlte ein erwartungsvolles Beben, das durch seinen Körper ging. Seine Knie zitterten. Ohne Zweifel wäre er längst zu Boden gestürzt, würden nicht die Augen des Drachen ihn mit der urgewaltiger Kraft von Eterniumketten aufrecht halten. Ein Fauchen, die Flammen loderten auf. Dann raste eine todverheißende Feuerwalze auf den Mann zu. Er öffnete den Mund zu einem stummen Schrei, als der rot-orange Feuersturm über ihn kam. Seine Kleidung verkohlte fast augenblicklich zu Ascheflocken, ebenso wie sein Haupthaar, die Augenbrauen und Wimpern. Flammen strömten durch seinen geöffneten Mund und versengten ihn innerlich. Der Schmerz war so überwältigend, dass er alles aus seinem Kopf ausbrannte. Rotlodernde Pein. Er riss die Augenlider auf. Immer noch waren die in smaragdgrünen Augen des Drachen auf ihn gerichtet, die er wie durch einen Vorhang aus orangem Feuer sah. Und plötzlich ließ der Schmerz nach. Lediglich ein dumpfes Pochen mahnte ihn an die tödlichen Wunden. Dann veränderten sich die Flammen. Im allgegenwärtigen Feuer tanzten auf einmal auch schwefelgelbe Flämmchen, hier loderte es mit einem Mal blau wie der Frühlingshimmel, dort tanzten blattgrüne Funken und woanders strahlten goldene Zungen wie die Sonne im Hochsommer. Ein feuriger Regenbogen. Dann wurde das Feuer immer goldener, bis Torm schließlich in einer goldglänzenden Feuerwolke stand, die heller strahlte als das Praiosauge am Himmel. Mit einem Mal spürte er eine gewaltige Kraft in seinen Körper eindringen. Sein Herz explodierte, als güldenes Feuer durch seine Adern rann wie Blut. Selbst durch seine nun geschlossenen Augenlider strahlte die Helligkeit. Plötzlich brach der Feuerstrom ab, Torm sank halbblind und geschunden, und doch lebendiger als je zuvor auf die Knie.

Als der Drache nun zum ersten Mal menschliche Worte sprach, dröhnten und bebten diese im Geist des Menschen: „Mensch (klein/schwach/erwählt), dies sei mein Zeichen (Gabe/ Geschenk/ Fluch/ Essenz)! Verkünde die Botschaft (Bedrohung/ Schicksal/ flammende Furcht) den Anderen (gering /hilflos/ dem Schicksal ausgeliefert)!"

Daraufhin erhob sich der gewaltige Leib vom Boden, erneut entfachte sein Flügelschlag Sturmwinde, die den Bauern zu Boden drückten. Angstvoll kauerte er, die Nase ins Gras gedrückt, bis das kraftvolle Brausen der Drachenschwingen mit dem Rauschen des Waldes eins geworden war. Dann erst richtete Torm sich auf. Ein ächzendes Keuchen entrann seiner verdörrten Kehle: „Ich höre, Meister, und gehorche." Für den Bruchteil eines Herzschlages schienen in seinen Augen goldglühende Flammen aufzulodern.