Geschichten:Familienrat

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Zordan von Rabicum beobachtete mit versteinerter Miene vom Fenster seines Arbeitszimmers aus, wie die Baronin zu Vellberg und der Landvogt zu Arvepass nach ihrer Audienz beim Markgrafen dessen Residenz verließen. Ein grimmes Lächeln umspielte für einen Moment seine Lippen, als er sich ausmalte, wie es wäre, jetzt eine gute Repetierarmbrust zur Hand zu haben. Aber rasch rief sich der Seneschall wieder zur Ordnung: Mit Tagträumen löste man schließlich keine Probleme.

„Großvater?“

„Hm?“ Er wandte sich seiner Enkelin Geldana zu, die auf einem der Stühle im Zimmer Platz genommen hatte, während ihr Vater Rukus sich an eines der Regale lehnte.

„Wie wollen wir darauf reagieren?“

„Schnell, überlegt und entschlossen natürlich, liebes Kind“, erwiderte der Baron zu Bergthann trocken, sein Gesicht zu einer Maske erstarrt.

„Überlass´ das ruhig mir, Vater. Ich kenne einige vertrauenswürdige Leute, die sich gerne ein wenig mit diesen Figuren unterhielten und sie davon ‚überzeugen‘ könnten, ihre Pläne aufzugeben.“ Nach einer kurzen Pause des Nachdenkens fügte er hinzu: „Woher weißt du überhaupt davon?“

Die hinter seinem Rücken verschränkten Hände des Alten verkrampften sich für einen Moment und für einen kurzen Augenblick schoss ihm wieder die Idee mit der Armbrust samt eines weiteren Ziels durch den Kopf. Wäre nicht Geldana, hätte Zordan vermutlich schon längst die Vaterschaft für diesen Holzkopf infrage gestellt. Er drehte sich langsam zu seiner Enkelin um und fragte sie mit einem Anflug von Resignation in der Stimme: „Geldana, willst du?“

Die Angesprochene seufzte kurz, bevor sie antwortete.
„Vater, du solltest eigentlich wissen, dass niemand einfach so in die Residenz des Markgrafen spazieren und bei ihm vorsprechen kann. Und schon gar nicht, ohne dass wir“, sie deutete kurz auf den Seneschall und sich selbst, „davon als erste erführen. Ansonsten wären wir doch wohl reichlich fehl auf unseren Posten.“ Eigentlich mochte Geldana ihren Vater, aber zuweilen fand auch sie seine Begriffsstutzigkeit in politischen Dingen nicht nur peinlich, sondern nachgerade gefährlich.
„Und bevor du fragst: Wie hätten wir denn die Audienz auch verhindern sollen? Zwei hohe Adlige der Provinz bitten um einen persönlichen Vortrag beim Markgrafen, was natürlich nicht nur wir, sondern auch diverse andere Personen am Hofe mitbekommen haben dürften. Hätten wir das Begehren dieser beiden Figuren abgewimmelt, so wäre dieser Umstand von unseren Gegnern hier sofort ausgenutzt worden. Das sollte doch eigentlich klar sein. Und wenn du dir die Bastardbaronin und diesen Hinterwäldler vorgeknöpft hättest – und sei es auch nur durch deine ‚Freunde‘ – so wäre das ebenfalls sehr schnell auf uns zurückgefallen. Unsere Feinde sind ja leider nicht blöde.“, schloss die Frau mit einem verärgerten Unterton.

Rukus funkelte seine Tochter böse an und war kurz davor, sie ob ihrer kecken Worte ihm gegenüber zur Ordnung zu rufen, wurde dann aber der ihn durchbohrenden Blicke Zordans gewahr und beließ es daher klugerweise bei einem kurzen verächtlichen Schnaufen.

„Können wir nun weitermachen?“, fragte der Seneschall eher rhetorisch, ohne den Blick von seinem Spross abzuwenden. „Das dieser Vogtverschnitt gegen uns steht, war klar, dass dies nun auch dieser Bastard tut, eher weniger, hat das Mädchen doch bisher soviel politische Ambitionen gezeigt wie-“, der Alte ließ den Satz unvollendet im Raume stehen.
„Aber das hilft uns alles nicht weiter. Tatsache ist, die falschen Leute haben die richtige Idee gehabt und nun müssen wir schauen, wie wir das Beste aus dieser Situation machen. Vorschläge, Sohn?“ Auch wenn Zordan da keine großen Hoffnungen mehr hegte, wollte er Rukus zumindest die Gelegenheit zum politischen Denken geben – zum vielfach wiederholten Male.

„Wir lassen durchdringen, dass wir dieses Straßenbauprojekt sehr gut finden?“, antwortete der Angesprochene mehr als Frage denn als Feststellung formuliert.

Der Baron stutzte kurz: Sein Sohn hatte doch tatsächlich mal eine brauchbare Idee! Zwar war dem Alten diese schon längst selbst gekommen und erforderte zudem auch nicht allzu viel Verstand, aber immerhin!
„Exakt. Wenn du eine Idee nicht aufhalten kannst, dann mache sie dir zu eigen und nutze sie für dich! Und genau das werden wir tun.
Geldana: Wo können wir noch ansetzen?“

Seine Enkelin setzte ein feines Lächeln auf, bevor sie zu einer Antwort anhub. Natürlich war ihr klar, dass der Seneschall hierzu bereits etwas im Sinn hatte und da konnte es nur eine Option geben.
„Beim Geld.“, antwortete sie trocken. „Wie wir wissen, hat der Markgraf diesen Bittstellern nicht nur sein Placet für ihr Anliegen erteilt, sondern auch eine finanzielle Unterstützung hierfür zugesagt, ohne aber auf deren Höhe einzugehen, respektive diese festzusetzen. Sorgen wir also dafür, dass dieser Betrag lediglich von eher symbolischem Wert sein wird. Ihre eigenen Mittel reichen für die Umsetzung ihres Planes nämlich bei weitem nicht aus. Das wird unsere beiden Freunde vermutlich nicht aufhalten, aber zumindest dafür sorgen, dass sie sich von verschiedenen Seiten Geld beschaffen müssen. Und bei diesem hört die Freundschaft ja bekanntlich auf. Sie werden sich also diesbezüglich an ihre Verbündeten wenden müssen, welche ihnen die benötigten Mittel aller Voraussicht nach zwar auch leihen werden, aber ganz bestimmt nur zu einem sicherlich nicht unerheblichen Preis. Sorgen wir also dafür, dass dieser Preis möglichst hoch ausfällt.“

Zordan quittierte die Ausführungen Geldanas mit einem anerkennenden Nicken. „Exzellent. Das gilt auch für deinen Gedanken, Rukus.“ Diesen empfand der Seneschall eigentlich als zu simpel und zu naheliegend, um ihn mit einem Lob zu bedenken, doch wusste der alte Fuchs, wann und wie er das Ego seines Sohnes zu streicheln hatte, um ihn bei Laune zu halten.
„Ich werde mich um die Kämmerin kümmern und ihr mitteilen, dass seine Erlaucht den beiden Bittstellern leider nur eine sehr bescheidene Summe Goldes zukommen lassen wird – zu schade, dass sie nicht selbst an der Audienz teilnehmen konnte – während ihr euch beizeiten darum kümmert, dass unsere Billigung des Bauprojektes in der geeigneten Form nach außen dringt. ‚Beizeiten‘ heißt: Unmittelbar nach dessen offizieller Ankündigung! Aber das alleine genügt nicht. Zugleich werden wir auch kundtun, dass wir den durch Bergthann verlaufenden Weg gen Osten ebenfalls ausbauen werden. Da unser Abschnitt nur wenige Meilen lang ist und durch offenes Gelände verläuft, sollte dies mit nur geringem Geld- und Arbeitsaufwand umzusetzen sein, sodass wir weit vor diesen beiden Hinterwäldlern mit dem Ausbau fertig wären und dies dann natürlich in der Perricumer Postille angemessen herausstellen könnten. Und nun entschuldigt mich, ich habe noch viel zu tun und ihr auch!“