Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Rondriana
Junkertum Hinterwalden, 13. Efferd 1040 BF
„Dieser störrische Esel!“ polterte Linnert. Rondriana lachte laut auf. Sie beobachtete vom Pferd aus, wie sich der Mann ihrer Freundin Olorande mit dem Esel und dem Karren abmühte. Auf dem Kutschbock saß der achtjährige Sohn der Beiden. „Ich habe es wirklich so gemacht, wie Du gesagt hast, Vater!“ rief er entschuldigend.
Linnert schaute am Esel vorbei zum Kutschbock. „Nun lass schon die Zügel los! Ich kümmere mich selbst darum!“
Nun mischte sich Olorande in die Diskussion. „Mein lieber Linnert, diesmal kann der Kleine wirklich nichts dafür! Du wusstest doch vorher, wie störrisch Illehardt ist.“ Jetzt wandte sie sich an Rondriana. „Und Du könntest Dich auch mal nützlich machen und anpacken!“ Anklagend zeigte sie auf die Reiterin.
„Was ist denn hier los?“ fragte Radulf. Er war mit dem Rest des kleinen Zugs um die letzte Wegbiegung gekommen und sprach die Frage zu keinem direkt. Trotzdem fühlte sich Rondriana angesprochen: „Es ist schon wieder Illedhardt!“ Sie fühlte sich für diesen Zug verantwortlich, denn schließlich waren es ihre Freunde, welche sich aus den unterschiedlichsten Gründen entschlossen hatten, sie hierher zu begleiten.
Radulf war an ihre Seite herangeritten und öffnete seinen Wasserschlauch. „Dieser Esel war eine selten dämliche Anschaffung, Linnert!“ rief er dem Gefährten zu, welcher den Wagen mitsamt dem Esel nunmehr wieder auf den kleinen Weg bewegt hatte. Rondriana hielt er den Wasserschlauch hin, welche jedoch mit einer Handbewegung deutlich machte, dass sie nichts benötige.
Jetzt hatte sich auch Olorande zu Rondriana umgedreht: „Ist es eigentlich noch weit?“
Rondriana schüttelte den Kopf. „Vielleicht noch ein halbes Stundenglas!“
Gut Hinterwalden, ein wenig später
Die Büttel des Ortes staunten nicht schlecht, als Rondriana sich vorgestellt hatte und Ihr Pferd dann in Richtung des Wehrhofes lenkte. Sie spürte die Blicke ihrer Begleiter auf sich ruhen und sie konnte sich vorstellen, wie enttäuscht diese waren. In Gareth hatte sie ihnen von dem kleinen Ort erzählt, wo sie aufgewachsen war und wie idyllisch er war. Die Realität sah leider anders aus. Die letzten Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie hatte sich gefreut, als ihr Bruder sie gebeten hatte, hierher zu kommen, auch wenn der Anlass gewisslich nicht erfreulich war.
Nachdem sie ihr Pferd versorgt hatte, war sie ihrem Bruder gegenübergetreten. Die Begrüßung der beiden Geschwister war zwar herzlich, doch innerlich musste sich Rondriana gestehen, dass ihr Bruder Guntmar ihr eigentlich näherstand, da man sich in Gareth halt häufiger sah. Doch Friedhardt hatte sie wegen dringender familiärer Angelegenheit hierher bestellt.
Rondriana hatte ihren Abschied eingereicht und sich von Guntmar und ihren Freunden verabschiedet, um ihren anderen Bruder beizustehen. Karon, der Schmied, war der erste gewesen, der sie gefragt hatte, ob er sie begleiten könne. Er wollte mit seiner Frau einen Neuanfang auf dem Land wagen, wie er es ausgedrückt hatte. Und dann war die Gruppe irgendwie immer größer geworden.
„Kannst Du mir erklären, wer Deine Begleiter sind?“ fragte Friedhardt und lenkte damit das Gespräch auf eben jene Begleiter Rondrianas.
„Es sind Freunde, welche sich mir angeschlossen haben.“ sprach sie ruhig. „Du hast geschrieben, dass Du meine Hilfe benötigst. Und nach dem, was mir Guntmar erzählt hat, gehe ich davon aus, dass ich wohl länger hierbleiben werde. Da können Freunde nicht schaden.“
Friedhardt schnaubte verächtlich. „Ich glaube, dass Du mein Schreiben vollkommen falsch verstanden hast! Du sollst das Junkertum übernehmen!“
Rondriana nickte. „Ja, das habe ich verstanden! Ich werde Dir schon als Verwalterin dabei helfen. Das ist aber nicht meine Stärke, aber ich bin fähig und willens, mir fehlendes Wissen anzueignen.“
Friedhardt sprang auf, warf die Hände zur Decke und rief: „Bei allen Göttern! Rondriana, Du sollst mir nicht helfen! Du sollst Junkerin von Hinterwalden werden!“
Rondriana entglitten die Gesichtszüge. „Ich? Junkerin? Aber warum willst Du denn auf Dein Geburtsrecht verzichten? Ich meine Guntmar ist der älteste und hätte den größten Anspruch, aber er ist ja schließlich Magier!“
„Meine liebe kleine Schwester!“ Friedhardts Stimme klang nunmehr sehr oberlehrerhaft. „Ich werde Junker auf Pulping!“
Rondriana musste kurz überlegen. „Ich bin doch aber noch nicht einmal Ritterin!“ warf sie dann ein.
„Du warst in Wehrheim! Das muss reichen!“ Friedhardt spukte aus. „Oder willst Du, dass irgendwer aus der Familie Ansprüche anmeldet. Du bist Tochter von Thronhardt von Schwingenfels und hast es verdient!“
Rondriana blickte zum Fenster heraus und beobachtete die Landschaft. Leise sprach sie: „Nicht immer bekommen die Menschen, was sie verdienen!“ Friedhardt erhob sich und wandte sich zum Gehen. „Überleg es Dir gut!“ Dann verließ er den Raum. Rondriana trat ans Fenster und begutachtete, was vor ihr lag. Hier war ihr Vater Junker gewesen und jetzt sollte sie dessen Vermächtnis weiterführen.

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