Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Igelfehde
Burg Weizengrund, 17. Travia 1044 BF
Der Späher hatte Oderik die Ankunft der Reiter bereits früh gemeldet. Eigentlich hatte er bereits früher mit deren Ankunft gerechnet, doch offenbar hatte es der Ogerfresser nicht eilig gehabt. Andererseits gab es Berichte, dass Bernhelm bereits tief in nach Gräflich Hutt vorgedrungen sei. Das Lagebild war verworren. Die Reiter auf dem Weg hierher nicht. Daher hatte Oderik sein Pferd satteln lassen und seine Rüstung angezogen. Er schaute Sigmann an, welcher sich ebenfalls ausgerüstet hatte und sich ihm wohl anschließen wollte. Dessen Blick war fragend und Oderik überlegte kurz, ob er ihm Befehl geben sollte, hier zu verweilen, doch entschied er sich dagegen und nickte seinem ehemaligen Knappen nur bestätigend zu.
An der Spitze der Reiter konnte Oderik das Banner des Junkers von Firunshöh ausmachen. Er beschloss, dass man nicht lange auf ihn warten müsse. Mit der Flagge eines Parlamentärs näherte er sich den Reitern. „Nachbar! Ich hatte Euch gar nicht erwartet! Ihr hättet mir doch einen Boten schicken sollen, auf dass ich mich auf Euren Besuch hätte vorbereiten können!“ begann Oderik in Rufweite der Reiter. „Und doch tretet Ihr mir gerüstet entgegen!“ rief Vicarius von Firunshöh ihm näherkommend entgegen. Oderik zuckte mit den Schultern und machte eine bedauernde Geste. „Nun, meine Kundschafter meldeten mir gerüstete Reiter! Da wollte ich doch einmal selbst nachsehen, wer sich auf meinen Ländereien herumtreibt! Eine bedauerliche Verwechslung will mir scheinen!“
Der Firunshöh war mittlerweile herangeritten. „Genug der höflichen Worte!“ sprach er drohend. „Ihr wisst, warum wir hier sind!“ „Ich hörte von Eurer Fehdeerklärung gegen dem Grafen!“ antwortete Oderik direkt heraus. Der Firunshöh blickte sich um. „Die Tatsache, dass Ihr nicht bei den Truppen des Grafen in Hutt wart, lässt mich hoffen, dass Ihr Euch entschließen könntet, sich unserer Sache anzuschließen!“ sprach er neugierig. Oderik schüttelte leicht den Kopf. „Lasst es mich so ausdrücken! Der Pfalzgraf schrieb dem Grafen zu Recht, dass ein Lehnsmann seinem Herrn die Treue hält und in guten und schlechten Stunden mit Rat und Tat zur Wahrung von Frieden und Ordnung zur Seite steht. Doch wäre ich dem Pfalzgrafen ein schlechter Lehnsmann, wenn ich ihm in dieser Angelegenheit nicht raten würde, die Waffen ruhen zu lassen und zu Frieden und Ordnung in der Grafschaft zurück zu kehren!“ Der Firunshöh verzog seine Miene. „Bedauerlicherweise wählt Ihr dann die falsche Seite!“ Oderik schüttelte wieder den Kopf. „Ich wende mich aber auch nicht dem Grafen in dieser Angelegenheit zu. Die Belehnungen von Praioreth und Natzungen halte ich aus anderen Gründen für falsch und nichtig!“ Jetzt war es an dem Firunshöh mit dem Kopf zu schütteln. „Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns!“ antwortete er gelassen.
Oderik schaute sich um. „Ich verstehe! Wohlan, zwingt mich nicht, mich gegen Bernhelm als meinen Lehnsherren zu stellen! Weizengrund war ihm stets ergeben!“ „Das wird es auch weiterhin sein, wenn Ihr es an uns übergeben habt!“ antwortete der Firunshöh. Oderik zwang sich zur Ruhe, bevor er gelassen antwortete: „Das werde ich nicht tun! Ihr zwingt mich also doch, mich gegen Bernhelm zu stellen!“ Oderik fixierte jeden der Männer, welcher mit Firunshöh ritt. „Eure Entscheidung ist nicht besonders klug, Schwingenfels.“ drohte der Firunshöh. Oderiks Blick fiel zurück auf den Firunshöh und dessen Knappen. „Wie ich bereits darlegte, so zwingt Ihr mich dazu! Wenn Ihr glaubt, dass Ihr hier leichtes Spiel haben werdet, so seid Euch versichert, dass ich mir der Konsequenz bewusst bin! Seid Ihr das auch? Wollt Ihr Eure Erfolge in Hutt durch eine Belagerung im Hinterland gefährden?“ Der Firunshöh lächelte milde. „Ihr mögt vorbereitet sein, doch sind dies auch Eure Kusinen in Gabelsteen oder Hinterwalden? Seid Euch versichert, dass wir uns nehmen werden, was wir haben wollen!“ Oderik lehnte sich in seinem Sattel vor. „Das mag sein, doch wird es Euch Zeit kosten! Zeit, welche Ihr nicht habt!“ Er drehte sein Pferd und sprach mit lauter Stimme, so dass ihn jeder hören konnte: „Doch ich biete Euch eine Gelegenheit, die Angelegenheit hier und jetzt zu klären. Ihr und ich! Zwei Ritter im Duell! Gewinnt Ihr, bekommt Ihr sofort, was Ihr haben wollt!“ Oderik hob die Hand. „Gewinne ich, bekommt Ihr die Hälfte der Erträge dieses Jahres von Weizengrund! Dafür lasst Ihr aber von den Schwingenfelser Gütern im Reichsgau ab!“
Der Firunshöh lachte. „Schneid habt Ihr, Schwingenfels! Doch ich bin nicht so unvorsichtig, wie es mein Bruder Euch gegenüber war!“ Er schaute sich um. „Also schön, hier mein Gegenvorschlag! Ihr überlasst uns die hälftigen Erträge der gesamten Reichsgauer Güter Eurer Familie! Dafür lassen wir Euch und Euren Kusinen die Verwaltung dieser Güter! Vorausgesetzt, keiner von Euch wird sich gegen Bernhelm stellen!“ Oderik überlegte kurz. „Nun, wie Ihr wisst, bin ich zugleich Vormund über die Kinder Hadrumirs! Wie soll ich mich nicht gegen Bernhelm stellen, wenn er deren Güter angreift?“ Der Firunshöh lächelte. „Na schön! Ihr habt die Erlaubnis, als Vormund für die Kinder zu handeln!“ Er hob die Hand, um deutlich zu machen, dass er noch mehr vorzubringen hatte. „Dafür überlasst Ihr uns aber die gesamten Erträge der Reichsgauer Güter Eurer Familie!“ Oderik brauchte einen Moment, um sich den Vorschlag zu überlegen. „Einverstanden!“ sprach er schließlich. „Ich werde alles so veranlassen, wie wir es hier beschlossen haben!“ Er streckte dem Firunshöh die Hand entgegen, in welcher dieser einschlug.
„Ein verdammt teurer Preis, welchen Du da zahlst!“ sprach Sigmann, als der Firunshöh mit seinen Mannen abgezogen war. „Ja, aber der Firunshöh kann sich keinen langen Kampf leisten! Und ehrlich gesagt, wir auch nicht! Diese Fehde wird nicht hier im Reichsgau entschieden!“ Sigmann nickte verstehend. „Du gibst hier nach, um an anderer Stelle in besserer Position zu sein!“ Jetzt war es an Oderik zu nicken und er trabte an zurück zur Burg.
