Geschichten:Familienbande

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Auf der gräflichen Pfalz Zwingzahn, Grafschaft Hartsteen, Mitte Hesinde 1027 BF


Radulf von Firunshöh streckte vorsichtig den Arm. Ein unangenehmes Ziehen durchzuckte die Finger und er verzog das Gesicht. Die Wunden vom Kampf waren gut verheilt, aber dennoch war ein wenig Steifheit in den Gliedern immer noch verblieben. Die harten Hiebe des Nebachoten hatten ihn für gut zwei Wochen an das Krankenbett gefesselt und da er nicht unbedingt ein sonderlich geduldiger Mensch war, war diese Zeit für ihn eine doppelte Qual gewesen.

Pfalzgraf Bernhelm von Wetterfels brütete schon seit einiger Zeit und sinnierte offenbar über etwas nach. Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück, aß deutlich weniger und bestand darauf oft für zahlreiche Stunden ungestört zu bleiben, während er Briefe aus Greifenfurt und dem südlichen Garetien wieder und wieder las. Jedoch wollte er sich nicht mitteilen und in einem solchen Fall, war es stets schlau dem ungestümen Grafen seinen Frieden zu lassen.

Radulf schritt die Treppen von der Mauer hinab in den weitläufigen Hof der Festung, während ein lauer Wind mit dem tief blauen Umhang des Junkers spielte.

Gerade öffneten zwei Wächter im wetterfelser Wappenrock das Haupttor. Ein einzelner Reiter kam hindurch, nickte den Soldaten knapp zu und zügelte seinen Schimmel. Das typische Rasseln eines Kettenhemdes erklang, als der Gerüstete von seinem Ross behände abstieg. Der blau-gelbe Wappenrock, den der Reiter trug, wurde von einem breiten Gürtel geteilt, an dem in einer schmucklosen Scheide ein schlichtes Langschwert hing. Der Neuankömmling nahm den Topfhelm mit behandschuhter Hand vom Kopf und helle Locken kamen darunter zum Vorschein. Der Jüngling zählte noch keine zwanzig Sommer, sein schmales Kinn und der Flaum auf seinen Wangen verliehen ihm ein sehr jugendliches Antlitz. Seine grauen Augen funkelten lebhaft und ungeduldig.

Freudig strahlend umarmte er den Junker von Firunshöh und drückte ihn an sich.

„Es tut gut, dich endlich wieder zu sehen, kleiner Bruder,“ sagte Radulf. Dann trat er einen Schritt zurück, um den frisch zum Ritter geschlagenen Bruder genau zu mustern. „Stattlich siehst du aus, Vicarius. Wohlan, so hast du die lehrreiche Zeit des Knappentums hinter dir gelassen.“

Der Angesprochene grinste breit klopfte seinem älteren Bruder auf die Schulter.

„So ist es!“

Radulf seufzte leise. „Komm doch erst einmal herein, ich werde dich dem Grafen vorstellen. Ich habe ihm schon viel von deinem tollkühnen Mut und deiner Schnelligkeit mit dem Schwert berichtet, ich hoffe du enttäuschst mich nicht, denn das sind rondragefällige Eigenschaften, die dem Herrn Bernhelm sehr am Herzen liegen.“

Vicarius überspielte die ernsten Worte mit einem selbstsicheren Schnauben.

„Keine Bange, großer Bruder. Auf mich ist immer Verlass! Der Graf wird bestimmt Verwendung für einen weiteren tapferen Mann aus dem Haus derer von Firunshöh haben.“

Radulf zuckte mit den Achseln und dachte bei sich, dass sein übermütiger Bruder schnell genug herausfinden würde, wie schwierig der Graf sein konnte.

„Wie geht es deiner Verletzung, Bruder? Ich hörte von dem unglaublichen Zwischenfall und der Dreistigkeit dieser Schlächterbande, die sich Pulethaner schimpft.“

Radulf winkte ab, „Unsere Zeit wird noch kommen, Vicarius und jetzt sprich nicht mehr von diesem unseligen Tag.“

Die beiden Brüder durchquerten den Hof in Richtung des Palas während das Haupttor wieder mit den schweren hölzernen Balken verriegelt wurde.