Geschichten:Faduhenne schwillt der Kamm

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Im Hauptquartier der Greifenfurter Truppen herrschte eine recht miese Stimmung, wie man so sagt: Nachdem der alte Dunkelsfarner so anschaulich berichtet hatte, wie der Baron von Beldenhag sich aufgeführt, gingen die heißen Worte hin und her. Die Diskussionen beschränkten sich keineswegs nur auf die Damen und Herren von Stand - die Weihenhorster Büttel hatten schon einschreiten müssen, als Männer und Frauen der Feldharscher Landwehr mit denen der Kressenburger aneinander geraten waren (die einen echte Märker, die anderen eben exilierte Tobrier).

Auch die Meisterin der Mark, Rittfrau Faduhenne, hatte sich den ersten schnellen Wortwechsel mit einem Weibel geliefert, der sich weigerte, sein im Trunk gebrülltes »Recht hat der Keilerauer!« nachträglich zurückzunehmen, und stand nun am Tore des Quartiers. Die Ankunft des Barons von Beldenhag war avisiert, gerufen durch der Meisterin eigenes Wort.

Die Zeit der Dämmerung war längst vorüber, einsame Fackeln erleuchteten den Hof, der völlig verwaist lag, als Hufgetrappel Ankömmlinge anzeigte, die die Wachen von ihren Posten sogleich auch meldeten: Baron Baradar von Plaue war's, mit zweien seiner Ritter. Die drei stiegen im Schein der Fackeln vom Pferd und bemerkten die Frau nicht, die an der Schwelle stand, von der sie sich die letzten drei Stunden nicht fortgerührt hatte.

Eben juxte einer der Ritter, als er sein Bündel von der Kruppe des Pferdes schnallte: »... und da hab' ich dem Schnorrer jeseit, er sult einmal jerne nach Dunkelsfarn jehn, dort wär man so freijebich wie in der janzen Mark nich noch einmal!«

Der andere Ritter grunzte. Offenbar fand er den Witz des Kameraden nicht eben gelungen: »Winnemar, deine Dollereien warn friher noch von basserer Art. Sech, der Herr mug nich länger dein Jeplappar hörn. Schweig still, sonst holt dir die Glucke!«

Baradar von Plaue, der nun den Sattel seines Pferdes abnahm und sich dieser Pflichten nicht zu edel dünkte, lachte leise: »Die Glucke wird ihn nicht holen, Firutin, dich nicht und mich auch nicht. Die Glucke hat jestutzte Flügel, jackart ein wenich herum und brütet tagein, tagaus ihre Eier aus.«

Faduhenne, dies wohl alles vernehmend, beherrschte sich, schon jetzt einzuschreiten. Zwar schwoll ihr Ärger mehr und mehr, doch glaubte sie, noch nicht genug gehört zu haben.

»Was für Eier mag die schon ausbrüten, Herr? Het jibt doch keinen Hahn, der sich uf sie hätt jestürzt, hm? Ich würd's auch nich wollen.« In gespieltem Ekel schüttelte sich Ritter Winnemar und begann wie die anderen beiden, die Pferde abzureiben.

»Du wirdst es nich können«, warf Firutin ein. Der wiederum: »Wer kann da schun?«

»Nun mal ruhig, Jungs«, forderte Beldenhag seine Ritter auf. »Man wird euch noch hören, wie ihr schwatzt wie die Schnattermoors! - Zur Ranze aber auch, hat's hier denn keine Knechte?« Die drei Pferde waren fertig, das Gepäck gestapelt, die Männer ein wenig ratlos.

Winnemar ereiferte sich wieder: »Das ist die reinste Hennenwirtschaft hier! Kein Stall, kein Knecht, kein ...«

»... Mann mit Hirn!« schaltete sich die Meisterin der Mark endlich ein. Mit geraden, weit ausholenden Schritten trat sie aus dem Schatten in den Fackelschein, durchmaß die Strecke bis zu dem Ritter und pfefferte ihm eine Ohrfeige, die bis hinter den Finsterkamm ihresgleichen nicht finden wird.

Ritter Winnemar ging augenblicklich zu Boden, rappelte sich aber sogleich auf. Mit einem wilden Brüllen griff er nach seinem Kurzschwert, als ein Tritt seines Barons ihn erneut zu Fall brachte. »Genug, Winnemar! Es ist Frau Faduhenne selbst!«

»Und wann sie die Königin der Hühner wär! Sie hat mir jeschlagen ins Jesicht!«

»Und das mit einigem Recht. Du hast sie beleidigt, sie hat dich jescholten. Damit seid ihr quitt!» Zu Frau Faduhenne gewandt: »Exzellenz! Wie schön, endlich jemanden zu treffen. Wir dachten schon, der Ork wär durchgezogen, so einsam ist es hier.«

»Einsam? Einsam sind nur jene, die keine Heimat finden können, Plaue«, entgegnete Frau Faduhenne scharf. Der am Tage angestaute Ärger, vermehrt durch das eben Gehörte, rebellierte in ihrer Brust und verschloss ihr fast die Atemwege. »Und wäre der Schwarzpelz hier gewesen, dann hätten seine Kadaver euch davon gekündet. Wir wissen uns unserer Feinde zu wehren!« Sie war immer näher an den Baron von Beldenhag herangetreten, so dass sich beider Nasenspitzen fast berührten. Ein tauber Beobachter hätte im Fackelschein glauben können, die beiden wollten sich gleich küssen. Das Gegenteil war der Fall. Beldenhag zischte zurück: »Frau Henne! Ich bin nicht gekommen, um mir von Euch denselben Blödsinn anzuhören wie von den Schnapphähnen des Lichterhags! Was wundert's Euch, dass meine Männer schlecht von Euch reden, wenn Ihr sie allerorten verspottet und verhöhnt?«

Faduhenne wich keinen Zoll zurück: »Ich? Ich verspotte Euch? Ja wo denn? Ich verlange nur Gefolgschaft im Namen der Markgrä...«

»Ja: Ihr! Und all die anderen Märker, die unserer Hände Arbeit nehmen, doch uns unser Wesen nicht lassen! Wir Tobrier sind keine Hagebutten, die man einfach so von der Sonne in den Schatten Pflanzen kann!«

»Ach, Beldenhag«, fauchte Faduhenne zurück, »Ihr gleicht doch einer Hagebutte: Ihr seid außen ganz rot und innen kratzig und ungenießbar! Ich wollte mit Euch ein klärendes Wort wechseln! Aber mit Heckenfrüchten zu reden ist so sinnlos wie Hufeisen gerade biegen!«

»Spart Euch Eurer klärendes Geschnatter!« Mit diesem Satz trat er einen Schritt zurück und warf der Meisterin seinen Reithandschuh ins Gesicht. Diese bückte sich geschwind, nahm ihn auf und warf ihn zurück mit den Worten: »Es sei, Hagenbutt! Bei Sonnenaufgang auf dem Weihenhorster Anger!« Sie machte kehrt und marschierte über den Hof zu ihrem Quartier.

Die Blicke zahlreicher neugieriger Köpfe, die sich im Verlauf des anschwellenden Streits in den Fenstern und Türen ringsherum gezeigt hatten, folgten ihrer Bewegung und zuckten gleichzeitig, als sie die Türe zuwarf, dass die Angeln ächzten.

Baradar von Plaue herrschte seine Ritter an: »Jatzt räumt den Plunder hier weg! Draußen ein Zelt, als wärn wir im Felde ... was wir offenbar sind!« Sprach's und verschwand nach draußen ins Dunkel.

Winnemar wendete sich Firutin zu: »Ich varsteh nich janz, wie sich mein Zorn von seinem unterscheidet. Aber er ist der Herr.« Achselzuckend rafften sie die Sachen zusammen und folgten ihrem Herrn.