Geschichten:Ende einer Ära - Ein neuer Kronvogt?

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1033 BF, Burg Mardershöh, Königlich Mardershöh

Dramatis Personae


Giselda saß in ihrem großen Ohrensessel im Rittersaal und genoss den Blick über Mardershöh. Sie dachte an viele schöne Erinnerungen die sie mit ihrer zweiten Heimat verband, als ein Diener sich räusperte. „Euer Neffe ist erschienen.“

Die alte Dame nickte und winkte. „Bittet ihn herein und versorgt seine Kutsche, er wird schnellstmöglich weiterfahren.“

Wolfaran, der noch sichtlich angeschlagen von seiner schweren Verwundung war, die er sich in Bärenau zugezogen hatte, betrat den Raum. Giselda wies ihm eine Gondole direkt neben ihrem Sessel zu. „Gut, dass Du schnell hierher gefunden hast. Es gibt wichtige Angelegenheiten, die ich mit Dir zu besprechen habe.“

Der junge Ritter setzte sich, stehen wäre ihm lieber gewesen, denn vor allem die Bauchverletzung schmerzte niederhöllisch nach der hinter ihm liegenden Fahrt.

Giselda, deren Gesichtsausdruck sehr nachdenklich war, erhob bedacht ihr Wort.“Wolfaran, Du bist nun ein vollständiges Mitglied unseres Hauses mit allen Rechten und auch Pflichten. Wie Du sicher erkennen kannst, werde ich nicht jünger und auch nicht gesünder. Bunsenhold, Dein Großonkel, wird leider weiterhin in Diensten der Kaiserin in der Wildermark benötigt und steht mir nicht als mein Nachfolger zur Verfügung.“

Während sie kurz unterbrach und ihre Augenpaare auf Wolfaran lasteten, schluckte dieser bedrückt. „Ich habe mich mit Graf Ingramm unterhalten und wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass Du meine Nachfolge antreten sollst, so denn die Königin diesem Wunsch entspricht.“

Ungläubig blickte Wolfaran zu seiner Tante. „Ich? Ich soll Dir nachfolgen?“

Fast milde und gutmütig schaute Giselda zu ihm. „Ich weiß es wird schwer, denn Du bist noch sehr jung, aber das war ich auch und Du hast das Zeug dazu. Du wirst daher von nun an den Titel Edler von Ochsenfeld führen und mein Gut übernehmen. Es soll dem Adel zeigen, dass ich Dich als meinen Nachfolger gewählt habe.“

Sie legte ihre knöchrige Hand auf seine. „Nachdem wir das geklärt haben, möchte ich Dich um eines bitten. Wie Du weißt hat Dein Onkel noch immer keine Frau gewählt. Mit seinen Mitte vierzig wird es aber bald Zeit, sonst denke ich, wird ihm die Herrin Tsa keine kleinen Ochsen mehr schenken. Es liegt an Dir und Deinen Geschwistern, dass unser einst kinderreiches Haus wieder erblüht. Du und Deine Verlobte seid noch jung, ich bitte Euch daher schon frühzeitig an Erben zu denken. Nicht ein oder zwei – ich denke an viele.“

Wolfaran sah sie erstaunt an.

„Wolfaran hast Du das verstanden? Wenn Anaxios kinderlos irgendwann in Borons Hallen treten sollte, denke ich wird Dein Vater ebenfalls den Weg dorthin angetreten haben. Dann wirst Du das Oberhaupt des Hauses und Baron von Viehwiesen sein. Bitte Wolfaran, denk an den Fortbestand der Familie.“

Der junge Ritter schloss ihre Hand in seine. „So uns die Herrin Tsa wohlgesonnen ist, werden Iralda und ich uns bemühen und das Haus Ochs wieder zu einem Haus mit vielen Erben machen. Ich verspreche es.“ Ein bubenhaftes Grinsen überzog sein Gesicht. "Nun, ich bin wahrlich meines Vaters Sohn... Iralda hat bereits Tsas Segen empfangen, auch wenn wir den Bund der Herrin Travia noch nicht geschlossen haben."

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Dann solltet ihr beizeiten das Ehegelübde ablegen, auf dass Dein erster Nachkomme und die wohlmöglich Folgenden den Namen Ochs tragen werden... Dein Vater wird alsbald meinen Platz als Oberhaupt des Hauses einnehmen müssen, an dem Tag an dem ich sterbe. Er wird sicherlich Entscheidungen treffen, die Dir zu wider sind und gegen die Du Dich auflehnen möchtest. Bedenke jedoch immer, dass er das Beste für das Haus Ochs zu erreichen sucht. Ein einzelner Ochs zieht nur den Pflug, aber ein Gespann von Ochsen kann selbst die schwersten Lasten ziehen. Versuche Deinem Vater eine Stütze zu sein.“

Wolfaran war unwohl bei dieser Unterhaltung. Giselda war für ihn immer die große alte Dame des Hauses gewesen, jetzt über ihren möglichen Tod zu sinnieren, viel ihm sichtlich schwer. „Ich werde es versuchen.“

Giselda strich mit ihrer Hand sanft über sein Gesicht. „Sag es nicht nur einfach, meine es auch so. Er braucht einen Sohn, der ihn unterstützt und keinen aufmüpfigen Rebellen, so schwer es Dir auch manchmal fallen möge. Das feurige Blut der Sturmfelser und das breite Kreuz der Ochsen ist eine gefährliche Mischung - Mache Sie gefährlich für die Feinde unseres Hauses.“

Er nickte. „Ich werde mich bemühen und mein Bestes geben.“

Ihre Augen schauten lange in die seinen. „Fahre weiter nach Wandleth, der Graf erwartet Dich. Er wird mit Dir weiter an den Königshof reisen. Die Zeit eilt.“

„Ich werde mich eilen, so schnell die Pferde ziehen.“ Wolfaran stand auf und wollte sich Richtung Tür begeben.

„Eine Umarmung für eine alte Frau?“ schmunzelte ihn Giselda an.

Wolfaran kam diesem Wunsch nach, als seine Tante ihm leise etwas ins Ohr flüsterte. „Sei dem Haus Ochs ein guter Sohn. Ich wünsche Dir und Iralda alles erdenklich Gute und bitte befolge meine Anweisungen.“

Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Kein Joch zu groß, Tante.“

So sehr er ihre herrische Art immer verabscheute, so schwer fiel es ihm nun diese Burg zu verlassen. Denn er war sich nicht sicher, ob er sie jemals wiedersehen würde.