Geschichten:Ende dem Wort

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Ritterherrschaft Rond in der Grafschaft Eslamsgrund. Travia 1036 BF

„Setz dich.“

Kunibald von Eychgras kam der Aufforderung nicht ohne Stolz nach. Dies war das erste mal, dass sich der junge Knappe mit an die Tafel setzen durfte, wie ein gleichwertiger Ritter. Ein Verdienst, den er sich bei den Aufständen von Eslamsgrund erarbeitet hatte.
Dennoch fühlte sich Kunibald auf dem Anwesen in Rond stets unbehaglich. Insgeheim fürchtete er sich vor dem alten Ritter Halgan und dessem ungezügelten Zorn. Darum war der Jüngling jedesmal erleichtert, wenn Angrist von Rond die Besuche zu seinem älteren Bruder ohne seinen Knappen unternahm.
Nicht jedoch diesmal. Angrist wollte Halgan von den Geschehnissen in Eslamsgrund in Kenntnis setzen – Geschehnisse, die sich furchterregend schnell über die ganze Grafschaft und vielleicht sogar darüber hinaus ausbreiteten. Da Kunibald bei den Ereignissen ebenfalls anwesend war, beschloss Angrist ihn als weiteren Augenzeugen mitzubringen.
Angrist setzte sich neben seinen Knappen an die Tafel, und während sie auf den alten Ritter warteten, schenkte der Mundschenk ihnen bereits zwei Kelche Wein ein.

Es dauerte eine lange Weile, bis sich endlich die Tür wieder öffnete und Halgan von Rond eintrat. Er war gekleidet, als käme er von einem Ausritt. Etwas Blut klebte an seiner Wange; Kunibald war sich nicht sicher, ob es sein eigenes war.
Begleitet wurde Halgan vom Hauptmann seiner Wachleute, welcher sich einfach nur stumm neben der Tür postierte.

„Rondra zum Gruße, Bruder. Immer wenn ich deinen Besuch genieße, bekomme ich schlechte Nachrichten.“ Begrüßte Halgan die Gäste distanziert, während er seinen Umhang löste.

Angrist hatte sich erhoben und nickte freundlich. „Rondra zum Gruße, Halgan. In der Tat ist die Kunde, die ich bringe, höchst beunruhigend.“

„Warum bin ich nicht überrascht?“ Der alte Ritter ließ sich einen Kelch Wein eingießen und kippte den Inhalt in einem Schluck hinunter. Dann ließ er ihn wieder füllen. „Und die Sprotte hast du auch mitgebracht? Muss ja wichtig sein…“ sagte Halgan amüsiert, während er seine Lederhandschuhe auszog.

Auch wenn die Bezeichnung Kunibald ganz und gar missfiel, traute er sich nicht mal, dem alten Ritter einen missbilligenden Blick zu zeigen.

Angrist setzte sich wieder und sein Knappe tat es ihm gleich. „Ich komme gerade aus der Reichsstadt. Du musst erfahren, was sich vor einigen Tagen dort abgespielt hat. Am letzten Efferdstag besuchte ich mit deiner Tochter gerade den Markt, da wurde vom Balkon eines der Patrizierhäuser eine Botschaft verkündet. Es wurde tatsächlich…“

„Mach dir keine Mühe!“ unterbrach Halgan seinen Bruder barsch. Halgans wuchtige Pranke knallte auf die Tischplatte.

Erschrocken zuckte Kunibald zusammen, blickte dann aber neugierig auf das zerknüllte Pergament, welches die Hand zurück ließ, als der Ritter sie wieder zu seinem Weinbecher führte. Er erkannte es sofort, es handelte sich um eines der Flugblätter, die in der tosenden Menge auf dem Marktplatz verteilt wurden. An diesem Pergament klebte jedoch etwas Blut an der Ecke.

„Diese Nachricht habe ich bereits vor Tagen erhalten. Hast dir ganz schön Zeit gelassen mich davon in Kenntnis zu setzen, Bruder.“

Der kühle Vorwurf in der Stimme des aufbrausenden Ritters, entging Kunibald nicht.

„Die Ereignisse hatten mich aufgehalten. Ich bin sofort gekommen, sobald es meine Situation zuließ.“ Entgegnete Angrist.

„Wie auch immer…“ Halgan winkte schmunzelnd ab, und setzte sich auf seinen gemütlicheren Rittersessel. „Der erste Bote, der diese Kunde hier verbreitete, war ein dahergelaufener Wanderbarde. Hätte gern mitgehört, was er meinen Untertanen so für Flausen in den Kopf setzt. Er war aber wieder fort, bevor ich davon gehört hatte.“ Er nippte an seinem Wein und lehnte sich auf die Tischplatte, während er grübelnd dreinblickte. „Aber etwas hatte sich danach verändert. Die Leute taten zwar ihre Arbeit, wie sie sollten, und man hörte kein Wort über Auflehnung oder diesen gottlosen Grafen….wie hieß er doch gleich...“

Während Halgan nach Worten suchte, lag Kunibald der Name Yesatans bereits auf den Lippen, aber er sprach ihn nicht aus.

Halgan winkte ab und fuhr fort: „…jedenfalls schien alles seinen gewohnte Weg zu gehen. Die Bauern mähten das Korn, züchteten die Schweine und frohnten wie gewohnt. Aber man sah es in ihren Augen. Der kleine schmutzige Bauer, der vor dir kriecht und dann seinen Blick erhebt und dich ansieht. Denen kannst du das Feuer der Auflehnung in den Augen sehen. Das Feuer, welches sie in die gottlose Verdammnis treibt.“

Halgan zog seinen Becher leer und nahm seinem Schankknecht die Kanne aus der Hand, um sich selber einzuschenken, während er ihn hinaus winkte. Knapp nickend verließ der Knecht eilig den Saal. Kunibald beneidete ihn für einen kurzen Moment.

Halgan erhob sich, während er fortfuhr und umrundete langsam den Tisch. „Das hat mich natürlich wachsam gemacht. Darum behalte ich nun ein Auge auf die Leute, die auf meinem Gut kommen und gehen. Diesen Zettel…“ er deutete auf das blutbeschmutzte Pergament auf dem Tisch. „…habe ich gerade so einem wandernden Krämer entrissen. Für seine aufhetzerischen Reden, musste der Strolch seine Zunge einbüßen, und dann wurde er wieder aus dem Dorf gejagt. Den nächsten erwartet der Galgen.“

Erschrocken blickte Kunibald auf. Der alte Ritter meinte es ernst. Der Blick des jungen Knappen fiel auf den Hauptmann, dessen Hände und dessen Dolch an der Seite tatsächlich etwas Blut aufwiesen. Sie müssen die Tat während ihrer Wartezeit begangen haben.

Der alte Ritter blieb gegenüber von Angrist stehen und stützte die großen Hände auf die Tischplatte, während er sich etwas vornüberbeugte. Auf Kunibald wirkte die Haltung überaus bedrohlich.

„Das droht jedem, der die Kunde über einen Aufstand im Land nach Rond bringt. Lass dir das also eine Warnung sein, bevor du wieder solche Worte hier aussprechen willst.“ Kunibald lief ein unangenehmer Schauer über den Rücken.

Fassungslos über die drastischen Maßnahmen erhob sich Angrist wieder, auf die Drohung Halgans ging er nicht weiter ein. „Das ist Wahnsinn! Du machst dadurch die Geschehnisse da draußen nicht ungeschehen.“

„Was bei euch vor sich geht, ist mir herzlich egal. Was mein Bauer jedenfalls nicht weiß, macht ihn nicht aufrührerisch. Wenn ihr eure Untertanen nicht im Griff habt, ist das euer Problem.“

„Die Ereignisse nehmen ihren Lauf. Wir müssen auf das Volk zugehen. Du kannst das Wort nicht ewig von Rond fernhalten.“ Versuchte Angrist zu intervenieren.

„Das Wort? Das WORT?! Du und dein verfluchtes Wort!“ zornig schlug Halgan die Faust auf den Tisch. „Wie sagt doch gleich dein verdammter Schlangenanbeter von einem Lehnsherren? Das Wort ist mächtiger als das Schwert? Dass ich mich nicht bepisse vor Lachen! Waren es nicht auch irgendwelches Hesinde- oder Nandusanbetendes Pack, welche DAS hier erst in die Wege geleitet hat?“ Die Hand des Ritters packte sich das Flugblatt und zerknüllte es in der mächtigen Faust.

„Bildung sollte auch dem niederen Volk offen stehen.“ Wiederholte er feixend die Worte ihres hesindetreuen Lehnsherren. „Nun siehste, was ihr von euren Weißheiten habt!“

Angrist wandte sich zum Gehen, Kunibald folgte ihm auf dem Fuße, während sich Halgan in seiner Tirade von Beschimpfungen nicht bremsen ließ. „Ihr und eure verfluchten Hesindeschreine. Geht doch wieder dahin und setzt euch mit den Bauern an einem Tisch, während ihr euch gegenseitig entlaust und Geschichten vorlest!“

Angrist trat bereits durch die Tür. Kunibald traute sich nicht zurück zu blicken, während die Beschimpfungen des bärengleichen Ritters ihnen folgten. „…und merkt euch das! Ich schieße jede Brieftaube vom Himmel und reiße jedem Boten die Zunge heraus, der euer WORT verbreiten will!“

Endlich fiel die Tür ins Schloss.