Geschichten:Elmenbarths Lehre - Rat der Wissenden

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Hesinde-Kloster St. Ancilla, Travia 1037 BF, später Abend:

Die Fackeln erleuchteten den kreisrunden Ratssaal nur mäßig und zauberten gespenstisch verzerrte Schattenbilder des Anwesenden an die steinernen Wände. Mit finsterer Miene saß der Hüter des Wissens Adran von Feenwasser auf seinem reich verzierten Stuhl. Er ließ die vergangenen Monde vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Es war viel passiert, zu viel! Der Abt des Klosters hatte zwar gehofft, dass das Konkordat von St. Ancilla in die Geschichte des Königreiches eingehen würde, aber so hatte er es sich nicht vorgestellt. Das Verbot der Nandus-Kirche war das denkbar schlechteste Ergebnis und hatte hohe Wellen im Königreich geschlagen. Nach dem Konkordat hatte er eilichst den Rat der Wissenden einberufen, das höchste Gremium des Klosters St. Ancilla, um schnell auf die Entscheidung des Adels reagieren zu können.

Ehrwürden von Feenwasser war zu Beginn des Konkordats durchaus zwiegespalten gewesen. Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er der Nandus-Kirche nicht besonders nahe stand. Volksbildung stand nun wahrlich nicht auf der Agenda des Abtes, vielmehr Elitenbildung. Er wollte den Herrschenden Hesindes Weisheit zuteil kommen lassen und nicht dem Pöbel. Aus diesem Grunde bemühte er sich hauptsächlich um Zöglinge aus dem Adel und den immer mehr an Macht gewinnenden Patrizierfamilien aus Gareth. Dies hatte zu Missstimmungen mit der Nandus-Geweihten Esmeria Darando tella Tenna geführt, die in St. Ancilla als Prolocutorin gedient und vor über zwei Götterläufen deswegen schließlich das Kloster verlassen hatte. Pikanterweise wurde Ihre Gnaden tella Tenna kurz darauf Priorin des neuen Nandus-Stiftes in der Kaiserstadt Gareth. Der Abt war damals froh die in seinen Augen zu liberale Geweihte losgeworden zu sein, doch so sehr er auch seine Vorbehalte gegen die Lehren der Geweihten des Hesinde-Sohnes hatte, ein Verbot der Nandus-Kirche war für ihn undenkbar gewesen. Nun war es aber dazu gekommen!

Das Votum des Rates der Wissenden war einstimmig und klar gewesen: Fortan würde das Kloster seine Tore für den Adel verschließen, die Geweihten der Allwissenden, die als Berater an Adelshöfen dienten, sollten ins Kloster zurückkehren. Der Abt starrte ins Leere. Er hatte sich verändert. Seine Augenhöhlen gruben sich nun tief in das einst heitere Gesicht. Diese Entscheidung war für ihn noch schlimmer als das Verbot der Nandus-Kirche, bedeutete es doch weniger Einfluss für ihn und das Kloster. Doch so leicht wollte sich der Abt nicht geschlagen gegeben. Sicher hier und da wurde Geweihte abgezogen, so verließen die Hohen Lehrmeister Hal von Ockerbeck und Stipen Undersiek ihre Ämter beim Sturmflug-Orden und beim Hof von Vierok. Doch gab es Ausnahmen: Junker Marbos von Greifstein erhielt auch weiterhin Zutritt zum Kloster, war er doch einer der größten Förderer. Der Junker erhielt von der Lehrmeisterin und Prolocutorin Yurika Eorcaïdos von Aimar-Gor schlichtweg die einfachen Weihen der Allwissenden. Das Problem war also gelöst. Auch andere Adlige wurde auch weiterhin das Privileg zuteil, Studien in St. Ancilla zu betreiben – wenn sie dafür eine nicht unbeträchtliche Summe dem Kloster zukommen ließen. Der Abt war wenig zimperlich was seinen Methoden anging.

Es war schließlich der Präfekt des Klosters Bander Linderhold der den Abt aus seinen Gedanken riss.

„Hochwürden, ich habe ein wichtiges Schreiben für Euch. Es ist von dem Baron von Viehwiesen.“

Der Abt überflog die gewohnt ausschweifenden Ausführungen des Barons – und schwieg.

„Was sollen wir tun?“, fragte der Präfekt vorsichtig.

„Wir werden nichts tun! Wir werden unserer beiden Reliefbruchstücke an einem sicheren Ort verwahren. Keine Seele wird Zugang zu ihnen erhalten, habe ich mich klar ausgedrückt?“

„Sehr wohl Hochwürden, ich habe verstanden!“ Bander Linderholt wollte sich gerade zurückziehen.

„Warte!“, die Stimme des Abtes hallte durch den Ratssaal, „wir machen es anders. Die anderen Bruchstücke sind bei dem dereabgewandten Magier nicht sicher. Zu viele Subjekte wissen nun von dem Aufenthaltsort der Steine – wohl auch die Feinde der Zwölfgötter. Ich werde dem Baron von Viehwiesen schreiben und auffordern die Bruchstücke ins Kloster zurückzubringen, hier sind sie sicherer!“

„Und wenn sich Anaxios weigert?“

„Dann müssen wir andere Maßnahmen ergreifen!“

Der Präfekt nickte wortlos und verließ den Saal. Der Abt starrte wieder ins Leere, doch dieses Mal war etwas anderes. Seine rechte Hand ballte sich zu einer Faust und er verspürte unbändigen Hass. Hass auf die Nandus-Kirche und ihre Anhänger.


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Texte der Hauptreihe:
P10. Briefe
K83. Zweifel
19. Tra 1037 BF zur nächtlichen Ingerimmstunde
Rat der Wissenden
Unterredung unter Bäumen


Kapitel 5

Der Weisheit erster Schritt
Autor: Bega