Geschichten:Eine kühne Idee

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Der Landvogt blickte aus dem Fenster und genoss kurz die Aussicht. Dann wandte er sich seiner Gastgeberin zu. „Jasina macht sich sehr gut. Zumindest scheint es mir so? Danke, dass du dich so gut um sie kümmerst“. Er lächelte, ehe er fortfuhr, „sag‘, wie geht es denn deinem Kind? Immerhin hast du in kürzester Zeit zwei Kinder in deinen Haushalt bekommen – ich kann mir denken, dass das einiges umgeworfen hat? Oh, apropos, wie alt ist er denn nun?“.

„Ja, deine Tochter macht sich wirklich prächtig! Gewiss, die ersten paar Wochen waren natürlich nicht ganz leicht für die Kleine, aber mittlerweile hat sie sich hier sehr gut eingelebt und zeigt sich auch als Pagin sehr anstellig. Du kannst wirklich stolz auf sie sein.
Und was meinen Sohn angeht,“ das Antlitz der Baronin nahm für einen Moment einen melancholischen Zug an, „so ist der kleine Racker bei bester Gesundheit und versteht es vortrefflich, sowohl seine Mutter als auch seine Amme auf Trab zu halten. Mein Sohn hat übrigens am 7. Phex seinen ersten Tsatag begangen.“, fügte Elissa trocken hinzu. Nach einer kurzen Pause, in der sie einen Schluck Wein aus ihrem Becher trank, fügte sie mit einem hintersinnigen Schmunzeln hinzu: „Ganz einfach war es anfangs zugebenermaßen nicht, nun gleich für zwei Kinder verantwortlich zu sein, aber ich denke, dass ich es mittlerweile ganz gut hinbekomme. Und Langeweile kommt mit den beiden gar nicht erst auf, wofür ich, hm, sagen wir sehr dankbar bin.“, schloss die Baronin nachdenklich, bevor einen kurzen Moment später ein fast schon schelmisches Grinsen ihr Antlitz umspielte. „Aber nun raus mit der Sprache, was hat dich wirklich zu mir geführt? Reine Sehnsucht nach mir wird es ja wohl kaum alleine gewesen sein, oder?“

Als Elissa das Geburtsdatum ihres Sohnes erwähnte, schien Bärfried kurz nachzudenken und hob dann beinahe überrascht beide Augenbrauen. Schließlich griff er ebenfalls zum Weinbecher und nahm einen guten Schluck daraus, ehe er mit einem Lächeln zu einer Antwort ansetzte. „Reine Sehnsucht war es nicht ganz“, er warf seiner Gesprächspartnerin ein keckes Zwinkern zu, „Ich bin seit Boron diesen Götterlaufs Landvogt auf dem Arvepass und zerbreche mir mindestens genauso lange den Kopf darüber, wie ich die Lage am Pass verbessern könnte.“ Er seufzte leicht aus, „Dass die Umstände in den Zackenbaronien nicht so einfach sind, muss ich dir ja nicht sagen…“. Der Einäugige nahm einen weiteren Schluck aus dem Becher, „jedenfalls wollte ich die Passstraße ausbauen, damit der Weg zwischen Perricum und Beilunk wieder attraktiver für Reisende wird. Nur leider ist man in der markgräflichen Administration der Ansicht, dass das Geld für einen solchen Ausbau an anderer Stelle besser aufgehoben wäre.“ Er zuckte beinahe entschuldigend mit den Schultern, dann stahl sich allerdings wieder sein breites Lächeln auf das Gesicht, „aber es war wohl eine glückliche Fügung des Schicksals, denn durch diese Absage bin ich auf meiner Heimreise auf die Idee gekommen, dass ich die ganze Sache sowieso komplett falsch angepackt habe!“. Ein Leuchten setzte sich in seinen Augen fest. „Warum bauen wir nicht einfach die gesamte Straße von Perricum bis zur Provinzgrenze aus?! Ich denke, beide Lehen würden von dem zu erwartenden Handelsverkehr deutlich profitieren!“. Bärfried war Feuer und Flamme für diese Idee und das machte sich auch in seiner Sprachweise bemerkbar. „Ich weiß, ich weiß, wenn ich schon nicht genug Geld für die Straße in meinem Lehen habe, wie sollten wir gemeinsam dann eine noch längere Strecke umsetzen? Ich denke, wenn wir gemeinsam zusammenarbeiten können wir mehr bewegen! Bedenke das alte Sprichwort: ‚Je größer die Vorhaben, desto unwahrscheinlicher schlagen sie fehl‘!“. Er lachte kurz und blickte fast schon vorfreudig zu seiner Gastgeberin herüber.

Elissa stutze kurz, schien einen Moment nachzudenken und erwiderte mit einem Schmunzeln auf den Lippen: „Hm, klein ist deine Idee wahrlich nicht, auch wenn mein seliger Herr Vater dem von dir zitierten Sprichwort wohl entschieden widersprochen hätte. Spontan gefällt mir deine Idee jedoch sehr, könnte sie doch enorm dabei helfen, den Handel in der Region zu befördern und damit auch die finanzielle Lage unserer Lehen zu verbessern. Aber selbst ohne das alles jetzt komplett durchgerechnet zu haben, dürften die für einen Ausbau der Küstenstraße erforderlichen Mittel beträchtlich sein. Mittel, die unser beider Kassen wohl mehr als nur stark belasteten. Da ich von meinem Vater aber auch etwas über Planung und Organisation gelernt habe“, wieder musste die Baronin schmunzeln, „sollten wir im nächsten Schritt einen konkreten Plan hierzu er- und ihn dann dem Markgrafen vorstellen. Selbst wenn er ihn finanziell nicht oder nur in geringem Maße unterstützen sollte, wäre allein seine Billigung desselben für uns eine enorme Hilfe, um anderswo die fehlenden Gelder auftreiben zu können.“ Die Baronin wirkte nun regelrecht begeistert. „Den Seneschall ließe ich übrigens lieber außen vor. Zum einen mag ich den Kerl nicht“, räumte Elissa mit entwaffnender Ehrlichkeit ein, „zum anderen wäre die Familie meines werten Gatten vermutlich alles andere als begeistert davon, wenn wir den Rabicum mit ins Boot holten, zumal der Mann es dann wohl auch so zu drehen versuchte, dass das alles auf seinem Mist gewachsen wäre. Nein, danke. Also erst ein Plan, dann eine Audienz, oder? Ach, nur der Form halber: Du hast mich für Deine Idee gewonnen!“
Am Ende ihrer Ausführungen staunte die Adlige ein wenig über sich selbst und ihren Enthusiasmus.