Geschichten:Eine Rose für den Marschall - Enttäuschung

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Die Enttäuschung war die größte, die sich ein Mensch vorstellen kann. Sie war auf jeden Fall die größtmögliche Enttäuschung, die sich Elene hatte vorstellen können. Der Traum war: einen hochgestellten, edlen Mann zu heiraten, einen berühmten Kämpfer aus gutem Hause, einen Mann von heroischer Vergangenheit und strahlender Zukunft, kurz: einen Helden in schimmernder Rüstung. Gut - die Rüstung ihres Gatten hatte geschimmert. Sie konnte auch nicht verhehlen, dass mehrere Dutzend schwergepanzerte Reiter mit Wappen, Wimpeln und Gerassel ein mehr als erhebendes Ehrengeleit gewesen waren. Die Macht, über die ihr Gatte gebot, übersteig sogar Elenes kühnste Träume - und berühmt war der Gemahl zudem! Jeder kannte ihn und seine Taten. Zugegeben also - die Rahmenbedingungen waren mehr als akzeptabel, doch als sie das faltige Gesicht ihres Gatten sah, die runzligen Augen, seinen Atem roch, nach faulen Zähnen eines Mundes, den ein albern schwarz gefärbter Bart umzwirbelte; als sie den ungelenken Gang des gichtigen Reiters sehen musste, da begriff Elene, was das Wort ›Ent-Täuschung‹ wirklich bedeutete. Ihre Familie hatte ihr keinen strahlenden Helden zum Gemahl gesucht - oder zumindest keinen gefunden -, sondern einen alten Mann mit gefärbten Haaren und eiskalten Augen! Elene erlebte ihre Hochzeit nicht als einen ekstatischen Rausch, sondern als rauschhaften Alptraum, dessen entwürdigender Höhepunkt der Kuss des alten Mannes nach dem Eheritual des verbrecherischen Traviapfaffen gewesen war. Über die Hochzeitsnacht deckt sich der dankbare Schleier des Vergessens.

Die zweite Enttäuschung saß noch viel tiefer: Nicht nur alt war ihr Gemahl, sondern zudem noch ein böser Mann! Der Ruhm, der diesem Ugo vorauseilte, war der Ruch der bluttriefenden Grausamkeit. Der Mann, der Elenes Unschuld stahl, war der Mörder vieler anderer Unschuldiger, der Schlächter hungernder Männer und Frauen. Und der Name, den sie jetzt trug, war mit eben diesem Blut getränkt bis zum Ende aller Tage: Mühlingen.

Die ersten Monde ihrer todesgleichen Gefangenschaft, die andere wohl Ehe nannten, verbrachte Elene körperlich auf Schloss Mühlingen oder Burg Rudes Schild, doch ihr Gemüt war abwesend. Sie floh vor dieser Wirklichkeit, die eine Bestrafung der Götter zu sein schien, die versehentlich die Falsche getroffen hatte. Ihren Gatten sah sie so gut wie nie, doch wenn sie ihn traf, dann bellte er Kommandos oder Grobheiten und widmete ihr so viel Aufmerksamkeit wie einem teuren Möbelstück. Es war schrecklich - sie war wie eine Scherbe in der finsteren Ecke einer dunklen Küche: einsam, unnütz und zerstört.

Dann traf jener wieder ein …



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28. Bor 1030 BF zur mittäglichen Ingerimmstunde
Enttäuschung
Wolf im Schafspelz


Kapitel 5

Nachwuchs
Autor: BB