Geschichten:Eine Knappin für einen Knappen – Alcazaba Aimar-Gor

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Alcazaba Aimar-Gor, Reichsstadt Perricum, Rahja 1041 BF

Nach dem für die meisten doch eher ernüchternden Besuch im Alcazaba Zolipantessa sollte nun der Müßiggang wieder im Vordergrund stehen. Irisa, Romelio und Salix waren schon total aufgeregt auf die abendlichen Feierlichkeiten im Alcazaba Aimar-Gor. Auch Tawil konnte seine Vorfreude kaum verbergen, sollte es doch seine erste dieser Art sein. Reto hatte dem Eslamsgrunder schon vieles von der perricumer Art Feierlichkeiten zu begehen erzählt. Alles war irgendwie ungezwungener als in der Kaisermark, oder gar in Eslamsgrund.

Die herrschaftliche Residenz des Hauses Aimar-Gor befand sich im Villenviertel der Stadt. Ramin war hier schon oft gewesen – in seiner Jugend oder auch später – um die Annehmlichkeiten der Reichsstadt mit all ihre Verlockungen auszukosten. Doch noch nie hatte er eine Festivität seiner Base Charlyn beigewohnt.

Alcazaba Aimar-Gor war eine Stadtvilla im eslamidischen Stil. Die Fassade war verschnörkelt und bunte Steine sorgten für ein heiter farbenfrohes Bild. Zwei Türme flankierten den Bau zu beiden Seiten. Ramins Großvater Shulak hatte das Anwesen 1003 BF kurz nach seiner Ernennung zum gräflichen Seneschall erworben und aufwendig umbauen lassen. Seit dessen Tod 1031 BF diente es als Stadtresidenz der Mitglieder seines Hauses.

Nach dem Haffax-Feldzug bezog Ramins Base Charlyn mitsamt Gemahl und vier Kindern das herrschaftliche Gemäuer. Ramin empfand seine Base schon immer als etwas extravagant. Schüchternheit und Zurückhaltung waren nicht das ihre, wenn sie den Raum betrat wollte sie Aufmerksamkeit und im Mittelpunkt stehen. Im Gegensatz zu Ramin wuchs sie in der Reichsstadt auf. Die politisch Heikle Zeit um den berüchtigten Tag der Schande verbrachte Charlyn mit ihrer Familie im Garetischen. Doch sollte ihre Rückkehr nach dem Ende des Erzverräters um so glanzvoller werden. Ihre Bälle und Empfänge machten sie schnell zu einer der großen Damen der Stadt. Ihre enge Verbindung zur neuen Reichsvögtin und der Gesellschaft der Pfauen taten ihr übriges.

Seit seiner Zeit in Dürsten-Darrenfurt war Ramin nicht mehr in der Reichsstadt gewesen und so freute er sich sehr auf das Wiedersehen mit seiner Base. So kam die schwarze Kutsche vor der schmucken Treppe zum stehen, die in den Eingangsbereich führte. Sogleich schwirrte eine Vielzahl von Dienern herbei um beim Aussteigen behilflich zu sein und um das Gepäck entgegenzunehmen.

Das Innere der Residenz war wie ein Traum aus den Tulamidenlanden. Der Duft von frischer Minze und Lavendel umhüllte Ramin, durchmischt durch die herrlichen Aromen von Arangen und Zimt. Tulamidische Teppiche zierten die Wände und allerorten luden verschnörkelt gearbeitete Diwane und ausladende Sitzkissen zum Verweilen ein. Sehr ansehnliche Diener und Dienerinnen in körperbetonten, seidenen Gewändern brachten sogleich Wein, Datteln und weitere kulinarische Kostbarkeiten. Sanfte Klänge von Laute und Zither ließen alle Anspannung von Ramin abfallen. Die eindringlichen Melodien der Schalmeien wirkten schon fast beschwörerisch auf seinen Geist.

Die Festivitäten in diesem Hause waren eine Besonderheit und ein jeder der was auch sich hielt, begehrte Einlass. Doch es war nur den wirklich Reichen und Mächtigen der Stadt - und ihrer Protegés - vergönnt sich zu dem erlesenen Kreis der Eingeladenen zu zählen. In einer der zahlreichen Nischen erkannte Ramin die Ratsherrin Pernilla von Zolipantessa im angeregten Plausch mit der Patrizierin Aldessia Barûn-Bari und der Stadtadligen Vilthina von Rauleu. Mochte dies auch eine elitäre Feierlichkeit sein, so war die Frage wer reich und mächtig war weniger eine des Standes. Einträchtig sah Ramin hier Adelige, Patrizier und Händler Wasserpfeife rauchen – wie etwa Ginaya von Alxertis, Alsinthe Barûn-Bari und Abethine Schöllingh - mochten sie auch noch so verschieden sein. Was sie einte war ihre Abgrenzung vom einfachen Pöbel. Doch war die zur Schau gestellte Eintracht nichts als glitzernde Fassade, denn hinter den feinen Gewändern aus edlen Stoffen und den Schwaden der süßlichen Duftwässerchen, war es das Streben eines jeden einzelnen, mächtiger und reicher zu sein als sein Gegenüber.

Bezeichnend für das 'neue Perricum' war die Anwesenheit von Ratsherrin Oleana Silbaran. Das undurchsichtige, opulent mit dem teuersten Schmuck ausstaffierte Oberhaupt der Bankiersfamilie war nach dem Haffax-Einfall in den Stadtrat aufgestiegen. Welch Wunder, denn viele, auch aus den oberen Schichten, verloren in oder nach der Besetzung der Stadt ihr Vermögen – und wollten dennoch den Schein waren. Es schien Ramin, als gäbe es in der Stadt nur zwei Zeitrechnungen, 'vor Haffax' und 'nach Haffax'. Das 'während Haffax' versuchte ein jeder für sich auszublenden – und für die anderen zu vertuschen wenn die Weste nicht so rein war wie man vorgab.

Im Zorganer Salon trafen die Weitgereisten schließlich auf den Gemahl der Gastgeberin, Astaran von Pfiffenstock. Dieser lauschte gerade, in freundschaftlicher Umarmung mit dem erhabenen Rashdan ay Ronissagam umschlungen, den Klängen eines Schlangenbeschwörers. Der adrette und wohlgestaltete Nebachote begrüßte Reto mit einem freundlichen Nicken und lud mit einer Handbewegung zum Verweilen ein. Tawil, Tolmario und Irisa kamen dieser Einladung auch fasziniert nach. Daheim in der Kaisermark bekamen sie so etwas nicht oft zu Gesicht.

Reto, Romelio, Salix und Ramin lockten unterdessen die rhythmischen Laute einer Vielzahl von Trommeln in den Anchopaler Salon. Die begeisterten Besucher folgten wie gebannt den Darbietungen des Säbeltänzers Harunjan aus dem Tempel der Morgenröte. Ramin war erstaunt und fasziniert von den Fertigkeiten des Tulamiden. Doch, er was nicht nur zum Vergnügen hier, er wollte lernen, die Augen offen zu halten. So sah er den Vorsteher des Rahjatempels Rahjan von Turatal im vertrauten Gespräch mit der ambitionierten Hesinde-Geweihten Argelia Irmina Schöllingh und der stellvertretenden Akademieleiterin der Schule der Austreibung Selara Moriani. Ja, solch Feierlichkeiten der hohen Gesellschaft dienten auch um offene wie geheime Absprachen zu treffen. Zu gerne wüsste Ramin, über was die drei hohen Herrschaften sich gerade austauschten. Einer der rahjagefälligen Diener trat an Reto heran und reichte ihm ein gefaltetes Pergament. Der Reichsvogt der Gerbaldsmark überflog die Zeilen und empfahl sich dann sogleich.

Da Romelio seine Augen nicht vom Säbeltänzer lassen konnte, schlenderte Ramin alleine in den Khunchomer Salon weiter. Dort erblickte er voller Freude die Gastgeberin des Abends. Charlyn – in einem edlen Gewandt aus leichter Seide gehüllt, das ihre grazile Gestalt umspielte – schritt in Begleitung von Reichsvögtin Sarina von Zolipantessa und der Salondame Mithrida Barûn-Bari auf Ramin zu. Beide begrüßten sich innig, während die Reichsvögtin nur kurz nickte. Charlyn bedachte Ramin mit einem verschmitzten Lächeln – dann zog sie auch schon weiter und ließ ihren Vetter etwas verdutzt zurück. Sicherlich würde es später die Gelegenheit geben mit ihr zu sprechen, hoffte Ramin.

Um ein wenig Luft zu schnappen zog es Ramin in den Gorischen Garten, einem pittoresken Steingarten, der, auch wenn der Name etwas anderes vermuten ließ, vor Blumen und Blüten nur so strotzte. Dort erblickte er an zwei Säulen Baronin Serima von Hengefeldt. Wie es schien, hatte sie Retos Einladung angenommen. Die Baronin wirkte, als ob sie auf irgendjemand warten würde. Ramin sollte Recht behalten, denn ein stattlicher Herr näherte sich der Baronin. Sollte er hier etwa Zeuge eine hochbrisanten Stelldicheins werden? Ramin hielt seinen Atem an, diese Anspannung war kaum zu halten. Als er den Herren erkannte, musste er fast vor Lachen losprusten, doch hielt er sich die Hand vor seinen Mund. Es war Reto! Nun gut, dachte er sich, die holde Rahja war wohl nicht Patin dieser Zusammenkunft. Hatte das Gespräch mit der geheimen Nachricht zu tun, die die Knappin der Hengefeldt Salix zugesteckt hatte? Nach einer kurzen Unterredung verabschiedete sich Reto bei der Baronin wieder. Ramins Blicke folgten seinem großen Vorbild. Der Reichsvogt der Gerbaldsmark blickte sich suchend um und fand schließlich sein Ziel in zwei adretten Herren mittleren Alters in Paradeuniform der Perlenmeerflotte. Es handelte sich um Konteradmiral Fedor von Zolipantessa und ein weiterer hoher Angehöriger des Flottenstabes, Kapitän Jaldrak von Sanzerforst.

Ramin wäre gerne näher herangeschlichen, doch merkte er urplötzlich den heißen Atem einer Person hinter sich. Als er sich hektisch umdrehte, tauchte er in smaragdgrüne Augen. Der schlanke Körper des sehr rahjagefälligen jungen Mannes mit den scharf-zügigen Gesicht verlor sich in Ramins Armen. Nun war die Zeit gekommen, den Abend zu genießen - geheime Botschaften und mysteriöse Treffen hin oder her.