Geschichten:Eindeutige Vorzeichen
Es war ein verregneter Tag im späten Efferd auf Burg Erlenstamm. Baroness Irnfrede fühlte sich erneut hundeelend. Sie hatte sich schon wieder kurz nach dem Aufwachen in eine Schüssel erbrochen, und alleine bei dem Gedanken an Essen fühlte sie schon wieder die Übelkeit aufsteigen. Das ging jetzt schon seit Tagen so. So konnte das nicht weiter gehen. Da sie keinen eigenen Burgmedicus hatte, ließ sie einen Boten zum Tempel des immergrünen Erlenhains nach Erlenstamm schicken. Sie wollte, dass sich der Hüter der Saat ihren Zustand mal ansähe. Ihm konnte sie vertrauen, er hatte ihr schließlich schon einmal das Leben gerettet.
Nachdem der Hochgeweihte der Peraine auf Burg Erlenstamm eingetroffen war, und sie in ihrem Schlafgemach aufgesucht hatte, hatte er sie eine Weile lang untersucht, vor allem ihren Bauchbereich, und sich ein paar Notizen gemacht. Schließlich wandte er sich an Irnfrede: "Tja, ich denke, ich darf Euch gratulieren, Hochgeboren. Ihr steht anscheinend unter Tsas Segen.... Ihr seid schwanger!"
"W... WAS?" Irnfrede richtete sich in ihrem Bett auf. "Unmöglich! Ihr müsst Euch irren, Hochwürden!"
"Das glaube ich kaum, die Vorzeichen könnten kaum eindeutiger sein. Ihr sagtet selbst, dass eure letzte Mondblutung schon eine ungewöhnlich lange Weile her ist. Und die morgendliche Übelkeit ist ebenfalls ein untrügliches Zeichen.
"Aber das...", sie fuhr leiser fort, "das ist doch nicht möglich. Nach dem letzten mal sagtet ihr doch, ich könne höchstwahrscheinlich keine Kinder mehr gebären. Dazu sei mein Unterleib bei eurem Eingriff damals viel zu arg in Mitleidenschaft gezogen worden." Sie blickte ihn ratlos an.
Laurentian nickte und nahm ihre Hand. "Meine Tochter, die Wege der gütigen Schwestern Peraine und Tsa sind oft unergründlich. Wenn es ihnen gefiel Euren Leib vollständig wiederherzustellen, wer wäre ich dies in Frage zu stellen? Ich bin zweifellos überrascht, da ich dies nicht für möglich gehalten hätte. Und dennoch ist es geschehen. Ich bin mir sicher, dass sich in wenigen Wochen schon eine Wölbung an eurem Bauch abzeichnen wird, spätestens dann habt Ihr Gewissheit. Voraussetzung ist natürlich, dass Ihr euch schonen werdet. Von längeren Reisen zu Pferd und ähnlichen Strapazen solltet Ihr absehen. Bedenket, dass das Risiko das Kind wieder zu verlieren in Eurem Fall recht groß ist."
Irnfrede blickte ihn mit großen Augen an. Sie wußte im ersten Moment noch nicht so recht, ob sie sich freuen, sich ärgern oder sich fürchten sollte. Auf jeden Fall traf sie diese Nachricht unerwartet, und dass obwohl die Vorzeichen tatsächlich ziemlich eindeutig waren. Aber sie hatte es schlicht für unmöglich gehalten.
"Habt Dank, Hochwürden Laurentian. Ich werde mich bei Eurem Tempel mit einer angemessenen Spende bedanken. Und ich bitte Euch inständig: seid auch dieses mal bei der Geburt zugegegen. Ich habe vollstes Vertrauen in eure Fähigkeiten. Nur für den Fall, dass es wieder... schwierig wird."
"Selbstverständlich, Baroness Irnfrede. Ihr könnt Euch voll und ganz auf mich verlassen", lächelte er freundlich.
Er gab ihr noch ein Mittel, welches die Übelkeit abmildern sollte, und verabschiedete sich anschließend wieder von ihr.
Irnfrede musste eine Weile nachdenken. Sie lächelte hoffnungsvoll. 'Schwanger! Ein Kind. Ein eigenes Kind', dachte sie. Sie strich sich sanft über ihren Bauch. Das hieße aber auch, dass sie noch zwei Gespräche führen müsste, und keines von beiden würde einfach oder gar angenehm werden. Eines mit ihrem Gatten ... und eines mit dem Erzeuger! Doch damit wollte sie sich noch etwas Zeit lassen.
