Geschichten:Ein rauschendes Fest

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Randerscheinungen

Schweiß perlte von seiner Stirn. ‚Bei Kor und dessen stinkenden Dungs, nie im Leben würde er dieser Garräthy, dieser Radschaka (weibl. Form von Dummkopf/Schweinehirtin) den Triumph über ihn gönnen, zu gewinnen, gegen Ihn.. Pah... Entweder würde er jetzt gewinnen, oder jemand könnte ihm auch gleich sein Gemächt abschneiden und von einer Herde wilder Hengste zertrampeln lassen, bei Kor!’

Der spärliche Fackelschein erhellte die Szenerie am Ufer nur unzureichend. Das Ziel war jedoch wegen seiner hellen Farbe gut sichtbar. Ein Wappenrock war es, den man zur besseren Sicht über die Zielscheibe geworfen hatte. „Danke werter Anshelm, ihr seid mir wie immer eine Hilfe.“ Lachend nahm Leomara von Isenbrunn einen Schluck aus dem dargebotenen Becher. Er hatte mit ihr angestoßen, doch statt selbst zu trinken schüttete er den Inhalt seines Bechers unauffällig auf den Boden. Die Nebachoten hatten alle Hände voll zu tun, um ihren Helden anzufeuern, der soeben seinen Pfeil auf den Weg zu schicken gedachte. Auf die wenigen Leutchen, die sich sonst um die Sportstätte herum aufhielten hatte keiner ein Auge, sodass sein merkwürdiges Tun, welches er seit geraumer Zeit vollführte unbemerkt blieb.

Die Ritterin hingegen trank wie schon zuvor den Becher leer. Die Speisen die ihr der alte Freund ihres Bruders gebracht hatte, waren aber auch deutlich zu scharf gewürzt gewesen für ihren Geschmack. Sie lehnte sich vorsichtig an dem Baum an, unter dem sie ihre Warteposition bezogen hatten. Allmählich wurde ihr doch etwas schwummrig. Anshelm von Mistelstein vertrug wahrlich eine Menge, stellte sie bei einem kurzen Seitenblick auf ihn fest. Da wollte sie ihm natürlich in nichts nach stehen. Aber so war es eben mit den Mistelsteinern- in Sachen Wein und damit verbunden dem Trinken desselben, konnte ihnen eben keiner etwas vormachen. Vermutlich sollte sie aber doch den nächsten Becher ausschlagen.

Ihr Blick erfasste die schön erleuchtete Uferregion des Sees. Fackeln und vereinzelt treibende Bötchen mit Lichtern erhellten seine Wasserflächen. Sie wusste zwar nicht, woher die plötzlich erwachte Aufmerksamkeit des jungen Mannes an ihrer Seite herrührte, doch sie wollte sich nicht beschweren. Besser in Gesellschaft eines Freundes gegen diese vorlauten Nebachoten antreten, als sich alleine mit ihnen herumschlagen zu müssen. Dem Mistelsteiner hatte sie es zu verdanken, dass die Krieger sich auf einen Wettstreit eingelassen hatten, vorher waren sie drauf und dran gewesen sich an die Kehle zu gehen, doch der Mann hatte seinen Charme sprühen lassen, und durch einen lockeren Spruch von seiner Seite wurde der Ernst der Situation entschärft. Mit deutlich runder Zunge begann Leomara erneut ihren Gegner, Sayid hieß er wohl, zu ärgern.

„So, ich glaube es wird Zeit diesem nebachotischen Siegestaumel ein Ende zu bereiten. Glaub’ bloss nicht, dass du gegen mich auch nur den Funken einer Chance hast du Glücksritter...! Jetzt bin ich wieder dran, du hast ja gerade mal noch so getroffen, ne?“


Im nächsten Augenblick herrschte völlige Stille in der Runde. Aus der Dunkelheit hinter Leomara war ein Pfeil geflogen gekommen, der den Wappenrock auf der Zielscheibe genau an der Stelle durchdrungen hatte wo bei einem Menschen das Herz gesessen hätte. Der Schaft vibrierte noch, als unter einem nahen Baum, dessen Stamm völlig in Dunkelheit getaucht war, eine Person hervortrat. Es schien ein Mann zu sein, nicht übermäßig groß gewachsen, aber von muskulöser Statur.

Leomaras Sicht war etwas beeinträchtigt, da sie gegen das Licht einer Fackel blicken musste. Wohl hatte sie den Pfeil wahr genommen, und auch in die Richtung geblickt aus der er gekommen sein musste, doch war ihr der Blick verwehrt geblieben wer sich denn da genau näherte. Einzig, dass es sich um einen hellen Wappenrock handelte konnte sie sehen. Ob der Kelsensteiner noch nicht genug hatte und sich jetzt auch noch im Bogen mit ihr messen wollte?

„He, wer will mir da einer meinen Sieg streitig machen? Das ist aber höchst unrondrianisch sich in einen laufenden Wettstreit einzumischen...!“

Ruhigen Schrittes näherte er sich dem von Fackeln erhellen Rund. In der linken Hand trug er einen geschwungenen Kriegsbogen und bei jedem Schritt den er tat hörte man das leise Klimpern einer Kettenrüstung. Der weiße Waffenrock den er trug, zeigte das Wappen vom Orden des heiligen Zorns der Herrin Rondra, den roten Löwen und das rote Einhorn mit den sechs blauen Balken. An seiner rechten Seite sah man einen Köcher hängen und die Pfeile darin hatten die selbe schwarz-grüne Befiederung wie jener, der in der Zielscheibe steckte.

Schlagartig wurde Leomara mulmig. ‚Ist das...? Kann er es tatsächlich sein?’ überschlugen sich ihre Gedanken im schon leicht umnebelten Kopf.

Plötzlich entstand Unruhe im Rund. Man hörte wie viele scharf die kühle Nachtluft einsogen, Stimmen die flüsternd den Herrn Praios um Schutz anriefen und sah einen der gar seinen Säbel zog. Der Ritter war nun gänzlich ins Licht getreten und im Fackelschein wanderten grausame Schatten über sein Gesicht. Sahen die Umstehenden rechts von ihm ein überlegenes Lächeln, so erschien es den links von ihm Stehenden wie das Grinsen einer Dämonenfratze. Jenen jedoch die er geradeaus anblickte, bot sich ein seltsam zwiegespaltener Anblick. Ohne sich um die Reaktionen der Nebachoten zu kümmern ging der Ordensritter auf die Isenbrunnerin zu und kniete sich wortlos vor Leomara nieder.

Sprachlos schaute sie ihn an. Sie wusste gar nicht, was sie zuerst tun sollte. Aber alle Optionen die ihr einfielen, waren alles andere als schicklich. Den irritierten Blick des Mistelsteiners bemerkte sie gar nicht, der sich fragte, was dieses Benehmen zu bedeuten hatte. Langsam, sehr langsam schlich sich ein Lächeln in ihre Züge bis sie schließlich ganz erstrahlte. Der Mann an ihrer Seite hatte dies bemerkt und unterließ es daher den Ritter anzusprechen und starrte statt dessen sie an. Scheinbar kannte Leomara von Isenbrunn diesen Mann.

„Rondra zum Gruße Unswin von Keilholtz, lasst mich euch zuerst einmal begrüßen als vollwertigen Ritter des Zornesordens.“ Ihre Stimme klang keineswegs so fest, wie sie es sonst war. Auch glitzerten ihre Augen verdächtig, als sie ihn anlächelte.

„Rondra zum Gruße, Leomara von Isenbrunn. Ich danke Euch für Eure Worte. Bitte verzeiht mir die Art meines Auftretens, ich wollte damit niemanden erschrecken.“ Das freche Grinsen auf seinem Gesicht strafte seine Worte hierbei nur zu deutlich Lügen. „Ich freue mich Euch wohlbehalten und wohlgelaunt anzutreffen. In den wenigen Stunden der Ruhe die mir in den letzten drei Monden zuteil wurden, waren meine Gedanken oft schwer aus Sorge um Euer Wohlergehen.“ Langsam richtet er sich auf ohne dabei den Blick von ihren Augen zu lösen. Mit der freien rechten Hand tastete er unbewusst nach der schmalen goldenen Kette die um seinen Hals hing.

„Ich bin gekommen um mein Versprechen an Euch einzulösen und um den Schwur den ich Euch gab zu erneuern. Und ich frage Euch, Leomara von Isenbrunn, ob auch Ihr noch immer bereit seid diesen Schwur zu tun.“ Noch immer hatte Unswin keinen der anderen Anwesenden angeblickt. Auch dem ihm unbekannten, immer nervöser werdenden Adligen der neben Leomara stand, schenkte er keine Aufmerksamkeit.

Ach du je, was machte dieser Mann nur. Eine feine Röte machte sich breit, und ihr Mund wurde trocken. Sollte wer diese Greifenfurter verstehen. Einerseits was Gefühle anging so...schwerfällig, und jetzt fragte er sie hier, vor einem ihm fremden Mann, ob sie...? Ihr wurde jetzt regelrecht heiß und krampfhaft überlegte sie was sie antworten sollte. Den Göttern war’s gedankt, war es nur Anshelm, der hier an ihrer Seite stand und nicht Quanion oder ihr Vater Roderick von Isenbrunn. Dennoch wäre es ihr lieber gewesen, wenn ihr Wiedersehen nicht so...öffentlich vonstatten gegangen wäre.

Sayid, der gekränkte Nebachote, feixte nun auch schon vom Schießplatz aus herüber. „Ay, isch dachte mirs doch, dass die Kleine kneift. Hat sich Verstärkung geold!“ Johlend pflichteten ihm seine Kriegerfreunde bei. Vermutlich war er eher erleichtert, dass die Frau seinen männlichen Stolz nun doch nicht ernsthaft verletzten konnte.

Leomara registrierte das Getöse zwar mit einem Teil ihrer Aufmerksamkeit aber ihr Hauptaugenmerk galt dennoch dem aufrecht vor ihr stehenden Ritter. Irgendwie hatte er sich verändert. Sein Blick schien freier, unbekümmert, fast. Und auch seine Haltung drückte Stolz aus. Sie konnte jetzt nicht mehr anders, als einen Schritt näher zu treten und ihre Hände nach den seinen auszustrecken.

„Niemand konnte meinen Entschluss stürzen und auch sonstige Verpflichtungen waren nicht dringender als der Wunsch eben jenes Versprechen einzulösen. Ich war immer bei Euch.“ Ihr Blick ruhte dabei auf der Kette, die seinen Hals umfing. Sie wusste, dass er Bescheid wusste über die tiefere Bedeutung ihrer Worte.

„Verzeiht, jetzt muss ich aber doch einmal einhaken, Hochgeboren von Keilholtz...?“ Als Unswin nicht gleich reagierte drehte sich der Mann einigermaßen erbost zu Leomara um. „Vielleicht besitzt du die...?“

Äußerlich ungerührt von den störenden Worten des jungen Adligen hob Unswin Leomaras Hand und führte sie an seine Lippen. Einen kurzen sehnsüchtigen Moment hielt er sie da, bevor er sie wieder freigab. Er hatte von ihr gehört was er hatte wissen wollen, was sein dringenster Wunsch gewesen war, seit er sie vor Monden hatte zurücklassen müssen.

Jetzt drehte er sich endlich auch zu dem Mann um, der sich so unwirsch in ihr Gespräch eingemischt hatte. „Bitte verzeiht meine Unhöflichkeit Euch gegenüber. In diesem Moment hat die Stimme meines Herzens ihr Recht eingefordert.“ Er neigte leicht den Kopf und in seiner Stimme lag der Klang ehrliche Bedauerns. „Leomara, wärt Ihr so freundlich uns bekannt zu machen?“

„Aber sicher doch, mit dem größten Vergnügen! Wenn ich euch also miteinander bekannt machen dürfte. Hier...“ Sie deutete auf den dunkelhaarigen Mann Anfang dreißig Sommer mochte er gesehen haben, „das ist Anshelm von Mistelstein. Ritter in der Baronie Gnitzenkuhl.“ Der Ritter musterte Unswin mit deutlich gemischten Gefühlen, erbot ihm aber den Kriegergruß. Er hatte braune Augen und trug ein sorgfältig gepflegtes, wenn auch nicht mehr ganz taufrisches Kettenhemd unter seinem Wappenrock. Ansonsten machte er einen sehr gepflegten Eindruck.

„Und hier, wie ihr sicher vernommen habt, das ist Unswin von Keilholtz , frisch ernannter vollwertiger Ritter im Zornesorden.“ Stolz schwang in ihrer Stimme mit.

Anshelms Blick ruhte dann aber erneut fragend auf der Isenbrunner Rittfrau. „Meine Güte Anshelm, jetzt schau nicht an wie damals als ich das Gras gegessen hab’. Ja vermutlich ist es genau so, wie du annimmst.“ Der Ausdruck, der nun auf seinem Gesicht zu sehen war ließ sich schwer deuten, doch Leomara wusste scheinbar etwas damit anzufangen. Er hatte sich deutlich gestrafft und seine Züge wurden mit einem Mal ernst. „Jetzt aber raus mit der Sprache, ...sag bloss...hat Quanion dich etwa dazu abgestellt hier auf mich aufzupassen?“ Mit zusammengekniffenen Augen hielt sie die Miene ihres alten Jugendfreundes im Blick, und suchte nach verräterischen Anzeichen.

Unswin widerstand dem Impuls sich zwischen Leomara und Anshelm zu schieben. Er wusste, sie hasste es bevormundet zu werden und eine wirkliche Gefahr bestand ja im grunde auch nicht. Zumindest nicht in diesem Moment. Dennoch wurde seine Miene deutlich ernster. Was wenige Augenblicke zuvor noch das glückliche Wiedersehen zwischen zwei Liebenden gewesen war, hatte nun die frostige Stimmung eines bitteren Firunstages angenommen. Selbst die Nebachoten hatten den Stimmungsumschwung der Garetier mitbekommen und fingen an zu tuscheln und mit den Händen auf die kleine Gruppe zu deuten. Der Ordensritter hielt es für besser zu schweigen, bis sich der Mistelsteiner zu einer Antwort auf Leomaras Frage durchgerungen hatte.

Sie stieß ihn grob von ihrer Seite. „Ich kann es nicht glauben? DU läßt dich von meinem Bruder einwickeln und benutzen? Was hättest du hier machen sollen? Aufpassen, dass sich mir keiner nähert...?“ Leomara war drauf und dran den Mann in eine Rauferei zu verwickeln, der reichliche Genuss des süffigen Weines, trug da sicher seinen Teil dazu bei. Inzwischen hatte sie ihn das zweite mal weiter gestoßen, und ging ihm immer noch hinterher. „Was soll das Anshelm? Wie lange kennen wir uns? Seit unserer Kindheit? Und was hat dir deine Freundschaft zu Quanion eingebracht, doch immer nur Ärger!“ Anshelm war ein Ehrenmann, er wollte sich nicht mit Leomara schlagen, das sah man an seiner ganzen Körperhaltung, es war ihm höchst unangenehm wie sich das ganze entwickelte. „Leomara, lass`gut sein, es tut mir leid, aber...ich meine, er hat doch nur gesagt, dass ich ein Auge auf dich haben soll, da du...nunja, scheinbar in schlechte Gesellschaft geraten seist..!“ Die Doppelmoral, die ihr Bruder lebte war schon lange nichts neues mehr für die Rittfrau, doch das er sich nicht zu schade war in dieses schon lange schwelenden Krieg zwischen ihnen auch andere Adlige zu involvieren zeigte eine neue Güte an. Zumal wenn man bedachte, dass er erst vor kurzem von seinem Vater Roderick ordentlich Zunder bekommen hatte, da er sich diese Entgleisung mit der Zahori geleistet hatte.

Unswin war das Ganze jetzt ein wenig zu weit geganegn. Sicherlich hatte Leomara allen Grund dazu wütend auf den Mistelsteiner zu sein, Unswin war es auch, doch war eine öffentliche Schlägerei zweier raulscher Ritter umringt von nebachotischen Kriegern sicherlich dem aktuellen Anlass nicht angemessen. Entschlossen trat er zwischen die beiden Kontrahenten, wobei er seine Rechte lose auf Leomaras Schulter legte um sie zu beruhigen. „Lass mich bitte mit ihm reden, meine Liebste.“ Leise hatte er ihr diese Worte zugeflüstert als wer sich an ihr vorbeischob und er hoffte sehr sie würde sich zügeln können. In ruhigem Ton und gemäßigter Lautstärke, denn er wollte nicht, dass die Nebachoten noch mehr Schauspiel geboten bekämen, wandte er sich schließlich an den Mistelsteiner Ritter. „Anshelm von Mistelstein. Um jewede Missverständlichkeit auszuräumen, möchte ich mich selbst noch einmal in aller Form vorstellen. Vor Euch steht Unswin von Keilholtz, aus dem älteren Haus, Spross einer der ältesten und mächtigsten Familien der Markgrafschaft Greifenfurt. Ich bin Ritter zu Schwertwacht und Ritter vom höchst ehrenwerten Orden des Heiligen Zorns der Herrin Rondra. Glaubt Ihr, Ritter Anshelm von Mistelstein, dass ich eine schlechte Gesellschaft für die ehrenwerte Ritterin Leomara von Isenbrunn bin?“ In Unswins Blick lag etwas Lauerndes, doch wirkte seine restliche Haltung nicht im Mindesten bedrohlich. Die Rechte ruhte inzwischen mit eingehaktem Daumen am Gürtel, während er mit der linken Hand noch immer den Bogen hielt.

Unglücklich warf Anshelm noch einmal einen Blick auf Leomara, die sich hinter Unswins Rücken die Haare raufte und irgendetwas von tumben Männern faselte. Er nahm unwirsch den Becher, den er ihr bislang brav gehalten hatte, und streckte ihn statt dessen Unswin hin. Warme Augen, die so gar nicht zu einem harten Ritter passen wollten musterten erneut den vernarbten Mann, so als ob er sich vergewissern musste, dass das was sein Gegenüber ihm erzählt hatte, wahr sei. Ein Kopfschütteln beendete sein Grübeln „Es muss sich hier um ein Missverständnis handeln Wohlgeboren von Keilholtz!“ brachte er schließlich hervor. „Scheinbar hat Quanion von Isenbrunn angenommen, dass sie sich hier mit jemandem verabredet hat, der nicht euren Leumund besitzt, sondern...ähm ihrem... Ruf schadet.“ Er wollte auf Leomara zu gehen, doch Unswin stand ihm noch immer im Weg. Eindringlich redete er auf sie ein. „Leomara nun versteh mich doch, ich war nur besorgt...!“ Die Rittfrau ging ganz dicht an Unswin heran, sodass sie an ihm vorbei Anshelm anreden konnte. „Tu mir einen Gefallen, und rede mit mir in Zukunft über so Dinge. Ich bin kein kopfloses Huhn, und die Jahre ohne meine Familie habe ich überraschender Weise auch überlebt. Jetzt lass uns bitte alleine, dein Dienst ist beendet.“ Sie drehte sich um, und schritt unversöhnlich von dem Mistelsteiner weg und direkt auf eine kleine Gruppe Krieger zu, bei der auch ihr Kontrahent saß.

„He Sayid, was meinst du, sollen wir unseren Wettstreit morgen zu Pferd weiter führen? Für heute würde ich sagen steht es unentschieden.“ Der Disput dauerte nicht lange, und schnell war klar, dass man sich am morgen weiter messen wollte, wenn Praios Antlitz wieder hell strahlte.

Unswin blieb noch einen Moment und wartete bis Leomara außer Hörweite gegangen war, bevor er erneut zu dem noch immer unglücklich dreinschauenden Anshelm sprach. „Ich möchte, dass Ihr eine Sache wisst, Euer Wohlgeboren. Quanion von Isenbrunn hat nicht zu Unrecht angenommen, dass ICH seiner Schwester heute Abend noch meine Aufwartung machen würde. Wie Ihr gerade aus eigenem Ermessen festgestellt habt, kann ich auf Grund meiner Reputation dem Ruf Leomaras kaum Schaden zufügen. Warum also sollte er Euch beauftragen auf sie acht zu geben wenn er doch wusste, dass ICH sie aufsuchen würde? Vielleicht denkt Ihr darüber einmal nach.“ Der junge Ordensritter hatte sich schon halb abgewendet, als er sah, wie Leomara sich von der Gruppe Nebachoten verabschiedete und den kleinen Platz in Richtung des nahegelegenen Seeufers verließ. Er hielt in seiner Bewegung noch einmal inne und wandte sich im gehen noch einmal an den Mistelsteiner. „Wenn Ihr gestattet wäre ich mit der Dame nun gerne allein, was sicherlich auch Leomaras Wunsch entspricht. Ich bin nicht durch Tod und Verderben in Warunk gegangen um mir diesen Augenblick des Wiedersehens durch die kleinlichen Rachegelüste ihres Bruders zerstören zu lassen. Ich verlasse mich auf Eure Diskretion, Ritter Anshelm von Mistelstein.“ Ohne eine Antwort abzuwarten folgte er der Ritterin mit langen Schritten in die Dunkelheit.

Nachdenklich sah der Mistelsteiner den beiden hinterher. Er wusste, Quanion von Isenbrunn würde am nächsten Morgen eine Antwort von ihm erwarten. Die johlenden Nebachoten ignorierend lehnte er sich an einen Baum und betrachtete den schwarz-grün gefiederten Pfeil, der noch immer in der Zielscheibe steckte. Erst als das Morgengrauen die aufsteigende Praiosscheibe ankündigte, die restlichen Gäste längst in ihren Betten lagen und die ersten Diener bereits wieder ihren Aufgaben nachgingen, erhob er sich endlich von seinem Platz. Er hatte eine Entscheidung getroffen...