Geschichten:Ein gutes Jahr

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Feidewald, Nachmittag des 3. Travia 1038 BF

Es würde ein gutes Jahr werden, hatte Jobdan schon im Tsa gemeint, und so war es auch gekommen. Es schien, als würde das Land um den Feidewald erleichtert aufatmen. Zum ersten Mal seit Jahren konnten die Bauern ihre Abgaben ohne Furcht darum leisten, ob ihnen selbst genug für den Winter bleiben würde. Die Herrin Peraine hatte das Land reich beschenkt. Nun war das Korn in den Scheunen und die Apfelbäume hingen voll von roten Früchten. Nach den Beeren gediehen nun die Pilze und die Schweine würden sich bald an Unmassen von Eicheln mästen. Der Krieg war weit fort und es gab wenig, dass den Lohn der Arbeit dieses Jahres bedrohte. Der alte Ritter hatte die Gelegenheit genutzt und war vor drei Tagen zusammen mit seinem Neffen, dem Junker Burian, nach Kronbrunn gereist, wohin Baron Werdomar von Quintian-Quandt zur Feier des Erntefestes geladen hatte. Der Marktflecken am Fuße des Grafenhauptes war fast übergelaufen von dem geladenen Adel und dem gemeinen Volk. Es wurde gekauft und verkauft, geschmaust und gesoffen, gelästert und getratscht, gewettet und geprügelt, den Sängern gelauscht und das Erntefeuer am Ufer des Sees übersprungen. Jobdan hatte es bedauert, dass er nicht mehr der stattliche Ritter aus früheren Tagen war, doch auch er hatte sich schließlich prächtig amüsiert.

Außerdem hatte Baron Werdomar den anwesenden Adligen die Schwangerschaft seiner Frau Duridanya bekannt gegeben. Die Baronin schien bei ihrem kurzen Auftritt zwar etwas blass aber ansonsten bei guter Verfassung zu sein. Es erfüllte Jobdan mit Stolz um seine Nichte, mit der die kleine Familie Baerfold an Ehre und Ansehen gewann. Alle hatten dem Paar und auch ihm selbst mit noch mehr Bier und Apfelmost zugeprostet und auf das Wohl des Kindes angestoßen.

Auch hatte Jobdan bemerkt, dass Burian Gefallen an der jungen Ritterin Irmhilde von Eschenrod gefunden hatte, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Denn kaum für einen anderen hatten die beiden in den letzten beiden Tagen Augen oder Ohren gehabt. Als die weithin als heißer Feger bekannte Sieglinde von Greyfentrutz Burian auch einmal zum Tanz auffordern wollte, war es sogar zum Streit zwischen ihr und der Eschenrod gekommen, und schließlich zog die Greyfentrutzerin geschlagen ab. Jobdan war es recht. Die Eschenrods waren aus Gareth, reich und unterhielten etliche Geschäftsbeziehungen nach Hartsteen, ein Umstand, der sich späterhin durchaus als Vorteil erweisen mochte…

„Na Alterchen, träumst du?“

Jäh wurde Jobdan aus seinen Gedanken gerissen und bemerkte die beiden zerlumpten Gestalten, die ihm auf dem Steg entgegen kamen, den er gerade mit seiner Mähre überquerte. Der Baerfolder reiste zwar allein, denn Burian hatte beschlossen, die Rittern nach Goldenstein zurück zu begleiten. Dennoch, diese Frechheit konnte er sich nicht bieten lassen: „Was fällt dir ein, Halunke!“, Jobdan drohte mit dem Finger und setzte das Pferd in schnelleren Schritt, den beiden entgegen.

„Verzeiht, hoher Herr“, säuselte der andere mit einer Verbeugung, „Mein Kumpan weiß es nicht besser. Aber wie wäre es mit einer milden Gabe für zwei arme Bettler, die sich auf dem Weg nach Kronbrunn im Wald verirrt haben?

Der Baerfolder rümpfte die Nase. Er hatte keine Lust, sich mit diesen beiden Kerlen abzugeben, die im besten Falle das waren, was sie zu sein vorgaben: „Gebt den Weg frei!“, raunzte er.

„Natürlich, hoher Herr“, beeilte sich der zweite und zog den anderen zur Seite, damit Jobdan an ihnen vorbeireiten konnte, der sie keines Blickes würdigte. Ein Fehler, wie er zu spät erkannte, denn plötzlich sprang jemand hinter ihm aufs Pferd und stieß ihn aus dem Sattel. Schmerz durchzuckte den alten Körper, als Jobdan versuchte, sich aufzurichten. Eine schwere Last drückte ihn zu Boden und ein schwarzes Augenpaar funkelte ihn an: „Du träumst, Alterchen!“

Die niedersausende Keule war das Letzte, das Jobdan Baerfold von Ebershag sah.

„Grüß Gevatter Boron!"

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"Du hast ihm den Schädel eingeschlagen."

"Ja, sehr traurig.“

"Schaffen wir ihn erstmal zur Seite."

„Hier, der Geldbeutel."

„Aber ich bekomm' seine Stiefel."

„Na meinetwegen."

„Passen wie angegossen. Heuer ist wirklich’n gutes Jahr."