Geschichten:Ein Tag im Peraine - Wer zu viel fragt

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unweit Dorf Teklasmühle, Peraine 1039 BF

Angespannt erwartete Odilbert von Hartsteen zusammen mit den Steinfelder Waffenknechten und den Teklasmühlern das Ergebnis der Verhandlungen zwischen seinem Schwertvater und dem Raubritter.

Schließlich öffnete sich die Tür und ein Mann jämmerlicher Erscheinung trat heraus. Die halb zerrissene und blutige Kleidung erinnerte den Knappen zusammen mit dem wirrem Bart und den hängenden Schultern unweigerlich an ein halb gerupftes Hühnchen. Ihm folgte der Hartsteener Wegevogt mit einer missmutigen Miene. Während die einen bei dem Anblick des Räubers gefassten Raubritters in Jubel ausbrachen, schimpften andere wüst und der eine oder andere Stein flog in seine Richtung.

Praiodan von Steinfelde hob die Hand zum Zeichen, das er zu sprechen wünschte: „Leute von Teklasmühle! Ich danke euch für eure wertvolle Hilfe. Ihr seid brave Leute und eine rechte Zierde Hartsteens. Allein, bei diesem Manne hier handelt es sich nicht um den berüchtigten Geron von Eichenblatt, sondern um den Ritter Odilbert von Windischgrütz. Ohne Zweifel hat er Schuld auf sich geladen. Deren genaue Schwere wird noch festzustellen sein. Aber ich versichere euch, dass euch Genugtuung widerfahren wird. Einstweilen werde ich den Delinquenten nach Steinfelde führen und dort verwahren. Ihr könnt nun in Frieden in eure Heime zurückkehren, bis ich euch zum Gerichtstag rufen lasse.“

Die kurze Rede, bemerkte Odilbert, rief Tuscheln und Unruhe unter den Leuten hervor. Offenbar hatten sie etwas anderes erwartet. Er meinte, Unzufriedenheit und Enttäuschung in ihren Gesichtern zu lesen, nicht nur, weil es sich bei dem Gefassten doch nicht um den gefürchteten Räuberhauptmann gehandelt hatte. Es war allgemein bekannt, dass der Steinfelder sich in der Vergangenheit für die Windischgrütz stark gemacht hatte und so manchen musste daher die Ahnung beschleichen, dass dieser Mann gar zu leicht davon kommen könnte. Praiodan von Steinfelde übergab den Gefangenen an die beiden Waffenknechte. Odilbert nutzte die Gelegenheit und gesellte sich wieder zu seinem Schwertvater. Nachdem dieser noch ein paar Worte mit der Müllerin wegen des Richttages gewechselt hatte und sich verabschiedet hatte, äußerte der Knappe leise die Frage, die ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge lag: „Ritter Praiodan, Ihr kennt den Mann?“

„Natürlich, und du kennst ihn auch. Er war der Schwarze Ritter auf dem Turnier anlässlich der Krönung deines Vaters."

„Warum überlasst Ihr ihn nicht dem Landrichter?“

„Dem Landrichter? Warum sollte ich?“

„Es ist doch dessen Aufgabe, über solche Fälle zu urteilen.“

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Der Windischgrütz wurde auf meinem Grund und Boden festgesetzt, darum werde ich ihn nicht ohne Not aus der Hand geben.“

„Wieso?“

„Eben weil er ein Windischgrütz ist.“

„Stehen die Windischgrütz etwa über dem Gesetz?“, bohrte Odilbert nach.

„Natürlich nicht! Aber jetzt lass diese dauernde Fragerei!", bügelte der Steinfelder seinen Knappen schroff ab, „Solche Neugier schickt sich nicht für einen Knappen und ist eines Ritters unwürdig. Bring mir lieber mein Pferd!“

Odilbert schwieg und tat, wie ihm geheißen. Wie anders war doch die Zeit auf der Bärenau gewesen! Baronin Iralda hatte nichts gegen Fragen gehabt und ihn im Gegenteil geradezu dazu aufgestachelt, immer und überall zu fragen. ‚Nur wer fragt, bekommt Motive, Möglichkeiten und Antworten in den Blick‘, hatte sie ihn gelehrt. Darüber hinaus kam es aber auch darauf an, die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen; beim nächsten Mal würde er sich geschickter anstellen müssen.


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14. Per 1039 BF zur mittäglichen Traviastunde
Wer zu viel fragt
Verhandlung im Zwielicht


Kapitel 4

Namensvettern
Autor: Steinfelde