Geschichten:Ein Stift zu Ehren des Göttlichen Nandus - Ein Besuch am Abend

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Alt-Gareth, 2. Tsa 1034 BF


Es war schon finsterste Nacht und die vom Schneeregen nassen Straßen Alt-Gareths glänzten im Licht der Öllampen, als Edorian von Weidenhoff an diesem Tsaabend durch die Gassen von Tempelhöhe zu dem Gasthaus ging, das ihm der Abt Adran von Feenwasser angegeben hatte. Gedankenversunken hüllte er sich noch enger in seinen grauen Mantel aus schwerer gewalkter Wolle. Der geschmolzene Schnee tropfte von seiner Kapuze und in seinen blonden Kaiser-Reto-Bart. Er fror doch er bemerkte es kaum. Zu sehr war er in Gedanken bei den Worten des Abtes: „Soviel ich weiß ist seine Schülerin Danah Thanner zur Zeit in Gareth.“ Und dann hatte der Abt ihm eine Liste mit Garether Herbergen in die Hand gedrückt. Eine davon war markiert, das Gasthaus Natternhort. Edorian kannte sie noch aus seiner Novizenzeit in Gareth. Er war sehr gespannt, wen er dort heute Abend treffen würde.

Immer noch tief Gedanken bog Edorian um eine Ecke und erblickte vor sich die Herberge, ein schmales Fachwerkhaus, eingezwängt zwischen zwei wesentlich größeren Gebäuden im Garether Stil. Edorian beschleunigte seine Schritte um endlich aus dem Regen herauszukommen. Drinnen erwarteten ihn wohlige Wärme und die typischen Gerüche eines Gasthauses. Die Herberge war zur Zeit anscheinend nur mäßig besucht, einige reisende Gelehrte, ein Magier, zwei Novizen der Hesinde an einem Ecktisch. Sie kamen wohl aus dem nahen Pentagontempel und schienen einander gegenseitig bei einem Traktat zu helfen. Edorian zog die Kapuze von Kopf und ging zum Wirt am Schanktresen herüber.

„Guten Abend, Euer Gnaden, was kann ich für euch tun? Eures gleichen ist selten hier im Natterhort, die reisenden Geweihten finden in der Regel im Tempel Unterkunft.“

„Ich suche keine Unterkunft, aber vielen Dank. Ich komme selbst aus Gareth. Zuerst einmal bekomme ich einen Becher von Eurem wunderbaren Beerenwein.“

Der Wirt holte aus einem Regal hinter sich eine irdene Flasche und einen Zinnbecher unter dem Tresen hervor. Während er einschenkte, fuhr Edorian fort:

„Außerdem bräuchte ich eine Auskunft. Ich suche die Schülerin eines meiner Brüder, eine Dame mit Namen Danah Thanner. Er meinte ich könne sie hier finden. Kennt ihr sie, wohnt sie vielleicht zur Zeit bei euch?.“

Der Wirt musterte Edorian etwas skeptisch: „Nein euer Gnaden, bei mir wohnt niemand dieses Namens. Ich habe zur Zeit ohnehin nur wenig reisende Kundschaft, will ja niemand auf die Straßen bei diesem Mistwetter ...“

Ruhig und ohne die Augen vom Wirt zu nehmen ließ Edorian einige Silbertaler über den Tresen wandern.

„...Aber zur Zeit nächtigt bei mir eine reisende Gelehrte, Josmine Darben nennt sie sich. Ist schon länger bei uns im Hause. Sagt sie käme aus Eslamsgrund. Aber ich erkenne 'n Perricumer, wenn er vor mir steht. Spricht zwar sehr gelehrt die Dame, aber die perricumer Mundart merkt man ihr schon noch an. Ist unauffällig, sagte sie sei zu Forschungszwecken hier – Bibliotheken und so etwas.“

„Interessant, wo kann ich die Dame finden?“

„Sie müsste zur Zeit auf ihrem Zimmer sein, die Treppe hoch und dann rechts. Ich führe euch hoch.“

„Vielen Dank, sehr freundlich.“

Edorian folgte dem Gastwirt eine schmale Treppe vom Schankraum ins Obergeschoss hinauf und dann bis ans Ende eines sauberen weißgetünchten Flures, wo der Wirt an eine Tür klopfte. Von drinnen war kurz das Geraschel von Papier zu hören. Dann fragte eine weibliche Stimme „Ja?“

Der Wirt antwortete: „Hier ist ein Gelehrter, ein junger Nandusbruder, der euch gerne sprechen würde!“

Es folgte ein kurzer Moment des Schweigens, dann wurde die Tür von innen geöffnet. Eine junge, recht unscheinbare Frau blickte aus dem Spalt hervor, musterte kurz den Wirt und dann länger den vor ihr stehenden Geweihten. Als sie graue Robe und den silbernen Armreif an seinem Arm erkannte begann sie zu lächeln und öffnete die Tür vollends: „Bitte, euer Ganden, tretet doch ein. Was führt euch zu mir?“

Edorian betrat das kleine, aber behaglich eingerichtete Kämmerchen. Wie es schien hatte die Bewohnerin nicht viel Besitz bei sich. Einen Reisesack, anscheinend gefüllt mit Kleidung, einen ansehnlichen Stapel an Büchern, die alle fein säuberlich auf dem schmalen Tisch der Kammer aufgestapelt waren, dazu einige Schriftrollen sowie Schreibzeug. Nachdem der Wirt sich mit einer Empfehlung verabschiedet hatte, ließ sich Edorian ungefragt auf einem der beiden Stühle des Zimmers nieder und betrachtete aufs Neue seine Gegenüber. Sie sah ihn offen und selbstbewusst an. Dabei lag eine gewisse Neugier, eine unausgesprochenen Frage auf ihren Zügen und noch etwas anderes, vielleicht Hoffnung? Edorian war sich ziemlich sicher bei der richtigen Person angelangt zu sein und entschied sich nicht lange um den heißen Brei herum zu reden.

„Seit ihr mit einem gewissen meiner Brüder vertraut? Sein Name lautet Gerheim

Der Blick auf dem Gesicht seiner Gegenüber zeigte ihm, dass er ins Schwarze getroffen hatte.

„Danah, bitte setzt euch doch. Ich habe euch einiges zu erzählen und einen Vorschlag zu unterbreiten, vielleicht auch Hilfe anzubieten. Doch zunächst einmal habe ich viele Fragen und suche Antworten. Bitte erzählt mir von Gerdtian!“