Geschichten:Ein Städtebund? – Brendiltaler Hegemonie
Stadt Brendiltal, Anfang 1047 BF
Stumm, mit gesenkten Häuptern, gedachten die Stadtoberen von Brendiltal einer großen Persönlichkeit, die nach phexgefälligen 9 mal 10 Götterläufen friedlich entschlafen war. Mahila Feqzaïl, auch „die Mondfüchsin“ genannt, wirkte über 50 Götter gemeinsam mit ihrem Gemahl Eborian von Zolipantessa als Phexgeweihte im „Tempel der mondsilbernen Schatten“. Während Eborian dem Tempel viele Jahrzwölfte als Vogtvikar vorstand, galt Mahila als Feqz-Mystikerin mit einem schier unerschöpflichen Wissen über die urtulamidische Götterwelt. Beide wurden von den Brendiltalern hoch verehrt, taten sie doch viel für die Stadt und ihre Einwohner.
Nach neun Schlägen des Ratsherren-Gongs, erhob Stadtvögtin Madalena Feqzaïl ihre feste Stimme. Aus ihrem Gesicht war die aufrichtige Trauer noch abzulesen, verlor sie doch mit Mahila auch ihre Tante.
„Im Zeichen der neunfachen Trauer ist es nun unsere Aufgabe nach vorne zu blicken, stets mit dem hehren Streben unserer geliebten Stadt zu dienen.“
Mit einem weiteren, einzelnen Gongschlag eröffnete die Stadtvögtin die Ratssitzung.
„Bis zum nächsten Gongschlag debattieren wir die Frage, ob unsere Stadt in den ausgebauten Liegeplatz in Etiliashaven investieren sollte. Ich erteile das Wort Ihrer Gnaden Suna, Lichthüterin des Tempels der strahlenden Sonne.“
„Habt Dank, hohe Stadtvögtin. In gleißender Weisheit hat unser Sonnenbaron der Vögtin von Herdentor mit Hilfe der göttlichen Eingebung den Auftrag übermittelt, die Liegeplätze von Etilliashaven auszubauen, sodass auch Hochseeschiffe diesen anlaufen können. Diese Ausbauarbeiten sind nun abgeschlossen. Ich halte es für unsere Pflicht, diesem hehren Projekt unsere Unterstützung zukommen zu lassen, kann unsere Stadt doch von einem weiteren Hafen für unsere Waren nur profitieren.“
„Göttliche Eingebung?“ Die Stimme der Weinhändlerin Daria Edeltraub, die auch das Amt der Markt- und Gastherrin innehatte, schnitt schrill durch den Ratssaal. „Ich sehe da eher politische Erwägungen, die zum Ausbau von Etiliashaven geführt haben. Erstens, es liegt näher am Baronssitz, zweitens, es ist der Versuch der herrschaftlichen Administration Einfluss auf Handelsangelegenheiten zu bekommen und drittens ist es ein zu offensichtlicher Versuch Reichsgard, das nicht unter der Kontrolle von Beschelshall steht, das Wasser unter dem Kiel der Handelsschiffe abzugraben. Unsere Geschäftsbeziehungen mit Reichsgard sind ausgezeichnet und sehr profitabel für uns. Wir haben lange und hart dafür gekämpft, den Einfluss der Baronsfamilie auf unsere Stadt zu minimieren. Ich sehe keinen Grund, jetzt mit denen gemeinsame Sache zu machen. Unsere städtische Freiheit steht über allem!“
„Wohl gesprochen, verehrte Ratsherrin Edeltraub“. Der einflussreiche Pferdezüchter Hamir Al’Sash’yr lächelte verstehend. Dem Nebachoten gehörte das Gestüt Besh'Hassran, das noch innerhalb der Stadtmauer lag und als das Zweitgrößte der Baronie galt und vertrat im Rat die Pferdezüchter. „Doch, kann es für unsere Stadt doch nur von Vorteil sein, unsere Waren über zwei Häfen umzuschlagen.“
„Eine heikle Angelegenheit“, sprach Fesian von Norburg, der als Groß-Doctorius des Palastes der Heiler eben jene noch junge Institution im Stadtrat vertrat und das Amt des Wassermeisters innehatte. Seinem Streben war es zu verdanken, dass Brendiltal mit Fug und Recht als eine der saubersten Städte Perricums gelten durfte. „Die städtische Freiheit ist ein hohes Gut und es beschämt mich zutiefst, auf welche Weise meine Familie diese in der Vergangenheit mit Füßen getreten hat und der Stadt und ihren Bewohnern schier die Luft zum Atmen genommen hat. Doch diese finsteren Zeiten sind vorüber, die Tyrannen sind tot! Mit Verlaub, Euer Gnaden.“ Der Magier wandte sich zur Praisogeweihten. „Ich hege starke Zweifel, dass mein Halbbruder, der Baron, etwas mit dem Ausbau des Hafens zu tun gehabt hat. Ich sehe es so, wie Ratsherrin Edeltraub. Es handelt sich hier um einen Versuch der Spaltung.“ Fesian war bekannt dafür, kein gutes Haar an seiner Familie zu lassen, hatte er doch in der Vergangenheit sehr unter seinen Vater gelitten. Ein Grund, warum er sich Fesian von Norburg nannte, nach dem Ort der Akademie, die er besucht hatte. Er war es schließlich auch, der den ehemaligen Baronspalast in der Stadt zum Palast der Heiler umwandelte – einem Invalidenhospital – was ihm große Anerkennung und ein hohes Ansehen in der Stadt einbrachte.
So tauschten die Ratsleute weiter ihre Argumente aus, doch am Ende, nach dem Gongschlag, sollte sich knapp keine Mehrheit für ein Arrangement in Etiliashaven geben. Zu groß waren die Vorbehalte gegenüber der herrschaftlichen Administration des Sonnenbarons.
„Verehrte Ratsleute, als nächstes wollen wir über die Offerte der Stadt Haselhain debattieren, die unserer Stadt, zusammen mit Darrenfurt und Gnitzenkuhl, die Gründung eines städtischen Handelsbundes vorschlägt. Das Gesuch liegt schriftlich zur Einsicht vor.“ Stadtvögtin Madalena Feqzaïl deutete auf ein Schriftstück auf ihrem Ratsherrinnentisch. „Ich erteile das Wort Ihrer Gnaden Alissa Sternenschweif, Vogtvikarin des Tempels der mondsilbernen Schatten.“
„Habt Dank, verehrte Stadtvögtin. Auch wenn wir uns – besonders – mit Haselhain in phexgefälliger Konkurrenz befinden, kann sich dieser vorgeschlagene Handelsbund sehr belebend für unsere Geschäfte auswirken und den Einfluss unserer Stadt stärken.“
„Wohlgesprochen, verehrte Vogtvikarin.“ Hamir Al’Sash’yrs Stimme klang wie immer samtweich und unaufgeregt. „In dem Ansuchen der ehrbaren Ratsleute aus Haselhain geht allerdings auch draus hervor, dass sich dieser zu gründende Handelsbund – auch – als Schutzbund gegen die Interessen der Mada Basari richtet. Einem Handelsverbund, der im Besonderen Eurer Kirche nahesteht.“
„Verehrter Ratsherr Al’Sash’yr“, erwiderte die Angesprochene, „meinem Herrn Phex gefällt es dort, wo der Handel blüht und wo das Glück mit den Tüchtigen ist. Mein Tempel stand immer treu zum phexgefälligem Handel unserer Stadt und wird dies auch in Zukunft tun. Hier hat die Mada Basari keine Niederlassung, daher spielt sie hier keine Rolle.“
„Es kann zu unserem Schaden nicht sein, wenn den verdammten Araniern der Mada Basari Einhalt geboten wird.“ Der strenge Blick der Stadtvögtin ließ Daria Edeltraub noch einmal ansetzen. „Damit meinte ich natürlich nicht Euch und Eure Familie, verehrte Stadtvögtin.“ Auch die Feqzaïl waren Aranier, doch zählten sie zu den sogenannten altaranischen Familien, die dem Reich nach dem Abfall Araniens treu blieben.
„Handel bringt unserer Stadt Wohlstand für all seine Einwohner, auch den Bedürftigen. Nicht nur die Säckel der ohnehin schon Reichen gilt es zu füllen“, mahnte Perrinfried Hofer, Hüter der Saat des Perainetempels der Stadt.
„Das ist ein sehr wichtiger Punkt, verehrter Perrinfried.“ Fesian von Norburg nickte zustimmend. „Sollten wir zu einem Handelsabschluss mit den genannten Perrinländer Landstädten kommen, so stünde es uns als Stadtrat gut an, allen in der Stadt daran teilhaben zu lassen.“
„Ihr habt doch sicherlich schon eine Idee wie.“ Das Lächeln Hamir Al’Sash’yrs wirkte aufgesetzt.
„Da Ihr schon fragt, ja. Wir stiften der Stadt ein neues Badehaus.“
„Eine vortreffliche Idee!“ Auch von Rahjan Morgenrot gab es Zustimmung und auch die anderen Ratsleute gaben durch das Klopfen auf ihr Pult ihre Zustimmung kund.
„So sei es festgehalten. Doch sollten wir nicht ohne Forderungen in die Verhandlungen mit den besagten Städten einsteigen, denn wir sind Brendiltal, die größte der Perrinländer Landstädte. Haselhain und Darrenfurt leben zu nicht unterschätzten Anteilen vom Durchgangshandel zwischen Baburin und Perricum. Wir sind Heimstatt edelster Rösser und bester Weine, die allerorts in aller Munde sind. So soll die Stadt Haselhain sich dafür einsetzen, dass die Handelsstraße zwischen unseren Städten auf dem Grund der Baronie Haselhain ausgebaut wird, damit Händler auf guten Straßen zu uns gelangen können.“ Aus der Stimme von Madalena Feqzaïl sprach der Stolz und die Geradlinigkeit der Stadtvögtin.
Rat der Acht (Stadt Brendiltal)
Pferdezüchter (Gestüt Besh'Hassran) – Hamir Al’Sash’yr (Nebachote), Kämmerer
Weinhändler (Weingut und -handel Edeltraub) – Daria Edeltraub (Raulsche), Markt- und Gastherrin
Heiler (Palast der Heiler) – Fesian von Norburg, Wassermeister
Fernhändler (aranische Luxuswaren) - Madalena Feqzaïl, Stadtvögtin
Praios – Suna Al‘Pra'os Necho (Nebachotin)
Peraine – Perrinfried Hofer (Raulscher)
Rahja – Rahjan Morgenrot (Raulscher)
Phex – Alissa Sternenschweif (Raulsche)