Geschichten:Ein See voll Hass - Ein Schneemann im Rahjamond

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Gräflich Silz, Travia-Kloster Gansbach zu Beginn des Rahjamondes 1044.

Ein leichtes Rascheln der Gräser und ein kurzer Windhauch verrieten Tsaira, dass sich jemand von hinten näherte. Das laute knacken eines Astes und ein unterdrücktes Fluchen ließ sie ahnen, wer sich da versuchte anzuschleichen. Kräftige Arme umschlungen sie während Zähne an ihrem Ohr nagten. “Huch. Nicht jetzt”, wisperte sie, Überraschung spielend. Wulfhelm liebte es sie zu erschrecken und freute sich diebisch, wenn es ihm einmal gelang. “Der Knabe ist jeden Moment mit dem Feuerholz zurück”, tadelte sie ihren Mann, welcher sie mit einem enttäuschten Blick bedachte und seufzte: “Aber es ist doch Rahjamond...”. Lautes splittern von Holz verriet, dass sich der Knappe bereits dem Lager näherte, als dessen helle Stimme einen lauten Schrei ausstieß. Sofort eilten Tsaira, ihr Jagdmesser greifend, und Wulfhelm in die Richtung aus welcher der Ruf erklungen war. Augenblicke später erreichten beide den am ganzen Leib zitternden Firnion, welcher über den Körper eines Mannes gebeugt war. Tsaira schob Firnion beiseite und beugte sich über den Mann um seinen Herzschlag zu ertasten. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück, denn die Haut des Mannes war eiskalt. Auch waren seine Lippen blau angelaufen und seine festen Lederkleider mit Raureif überzogen. Doch er atmete noch, wenn auch flach. Mit seinen kräftigen Händen öffnete Wulfhelm den Mund des Mannes und flößte ihm Selbstgebrannten ein. Derweil bedeutete Tsaira ihrem Knappen zum Lagerplatz zurück zueilen und soviele Decken und einfach alle wärmenden Kleider, die er tragen könne, zu holen während sie selbst begann aus den umliegenden Hölzern ein kleines Feuer zu entfachen. Nach einer Weile kam der Mann, welcher sich alsbald als Geppert Ohnekiepen vorstellte, wieder zu Sinnen. Doch trotz aller Fragen, wie er in diese ebenso missliche wie sonderbare Lage gekommen sei, konnte sich Geppert beim besten Willen nicht entsinnen. Er wusste lediglich zu berichten, dass er einer entlaufenen Ziege in den Wald gefolgt sei und dort müsse er wohl einen Hitzschlag erlitten haben, denn er könne sich lediglich an einen See erinnern von dem eine Stimme erklungen sei und plötzlich habe es ihm am ganzen Leib gefroren. Was die Stimme jedoch gesagt habe, dass wisse er nicht mehr, denn er habe schleunigst Reißaus genommen. Nachdem der sichtlich mitgenommene Händler, denn das war der Grund, weshalb er diese Land bereiste, zwar durch das Feuer sowie Speis und Trank zu Kräften gekommen war aber doch des Nachts weiterhin von Alpträumen heimgesucht wurde, beschloss Tsaira den armen Burschen zunächst ins Kloster Gansbach zu geleiten, damit er dort in der Obhut der Geweihten etwas Ruhe und Stärkung fände.

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Die Sonne stand bereits hoch am Himmel als die Reisegruppe ihr Ziel erreichte. Sie waren zunächst dem Grafenstieg gen Silz gefolgt, um dann auf den kleinen Pfad abzubiegen, welcher zum Kloster führte. Auf den Feldern des Klosters war die Spargelernte in vollem Gange und das Landvolk aus Schratentann und Silz half. Gut zu sehen schon von Weitem waren die orangenen Roben der Äbtissin Tomalis Hardanger, welche die Vier ebenfalls bereits von Weitem erspäht hatte und nun auf sie zueilte. Während die Mittfünfzigerin keinerlei Zeichen von Anstrengungen erkennen ließ als sie Tsaira entgegentrat, war das Schnaufen des verschwitzten Novizen kaum zu überhören und Herdmutter Tomalis maß ihn mit einem strengen Blick bevor sie die Reisegruppe herzlich begrüßte. Zwar trugen nur Wulfhelm und Firnion einen Wappenrock, doch hatten Mitglieder der Familie Weiher schon ein ums andere Mal Reisende, welche sich auf dem Weg von oder nach Alka verirrt hatten, sicher zun Kloster gebracht oder ihre Jagdbeute den Töpfen des Klosters zugeführt. Dann musterte Tomalis Hardanger Geppert, welcher rein äußerlich einen gesunden Eindruck machte, und entschied dann, dass ihm einige Tage Rast im Kloster sicher nicht schaden würden. Sie bedeutete Marbert, der sichtlich erleichtert war von der beschewerlichen Feldarbeit entbunden zu sein, ihren neuen Gast direkt in sein Quartier zu führen und ihm ein Lager zu bereiten. Zu Wulfhelm meinte sie: "Geh auch einmal in unseren Gemüsegarten. Ich bin sicher deine Schwester freut sich dein Gesicht wieder einmal zu sehen. Dein letzter Besuch ist bereits viel zu lange her."

Die Kirschbäume des Klosters, die sie auf dem Weg zum Garten passierten würden schon bald erntereif sein und Marbert rezitierte die alte Weisheit der Bauern "Kirschen rot, Spargel tot." Der Gemüsegarten selbst stand schon in voller Blüte und von Überall her strömte der süßliche Duft reifer Beeren. Adare von Hettfeld blickte von ihrer Arbeit auf als sie der Besucher gewahr wurde. Energisch stieß sie den Spaten in die Erdkrume, wischte sich den Schweiß von der Stirn und warf ihre dreckigen Arbeitshandschuhe in einen der beistehenden Körbe. Dann blitzte ein kurzes Lächeln in ihrem verhärmten Gesicht auf als sie ihren riesigen Bruder fest in die Arme schloß und ihn kräftigst drückte, während selbiger betreten um sich blickte. Schließlich entließ sie Wulfhelm aus ihrer Umklammerung, schüttelte Tsaira kräftig die Hände und kniff Firnion mit dem Hinweis, dass er doch so groß geworden sei, herzhaft in die Wange. Sie bedeuteten ihren beiden jungen Gehilfen, Emer und Herdfried, mit der Arbeit fortzufahren, während sie mit ihren Verwandten den Gast zu seinen Gemächern führen würde. Marbert und Firnion befahl sie die Körbe mit den Beeren und Mohrrüben zum Torhaus zu bringen und mahnte Ersteren eindringlich ja nicht von den Erdbeeren zu naschen. Der drahtige Firnion musste sich bei diesen Worten anstrengen nicht zu grinsen.

Nachdem Geppert im Gästetrakt untergebracht worden war, berichteten Tsaira und Wulfhelm Adare von den Vorkommnissen des vergangenen Tages. Die Miene Adares verfinsterte sich merklich als sie dies vernommen hatte. "Behaltet´s besser für euch, bevor das Gesinde anfängt zu reden. Es kann allerlei Erklärungen für das Geschehene geben. Und die Gräfin, Travia behüte, wird sich schon zu helfen wissen. Ihr wisst doch selbst am besten, dass es diesen See nicht gibt. Irgendwer hätte ihn doch in all den Jahren einmal gesehen. Und die Grafen von Silz sind doch wohl auch nicht wegen dieser Erzählungen ausgestorben. Was auch immer dem armen Händler einen solchen Schrecken eingejagt hat, wird schon bald wieder vergessen sein. Ein paar Tage Ruhe und Besinnung hinter diesen Mauern hat noch jedem geholfen." Tsaira und Wulfhelm tauschten bei diesen Worten sorgenvolle Blicke aus, denn der tiefsitzende Kummer über den Tod ihres Mannes und die vielen Arbeiten, welche sich Ardare aufzulegen schien, hatten mehr als deutliche Spuren am Körper der eínst so lebensfrohen Hettfelderin hinterlassen. Adare selbst schien jene Hilfe immer noch zu benötigen. Daher murmelte Wulfhelm auch nur "Gewiss.", um seine Schwester zu beruhigen. Auch Tsaira blickte nachdenklich, doch die rechten Worte um die Sorgen ihrer Base zu vertreiben wollten ihr nicht in den Sinn kommen.

Auch eine wohlschmeckende und reichliche Kräftigung aus der Speisekammer des Klosters konnte die angespannte Stimmung nicht lösen, zumal Wulfhelm die Unachtsamkeit beging nach etwas Bier oder gar Honigwein zur Mahlzeit zu fragen, was eine lange und eifernde Tirade Adares über die Laster des Alkohols zur Folge hatte. So nutzte Tsaira die erste sich bietende Gelegenheit sich bei ihren Gastgebern zu bedanken und sich gleichzeitig für ihr zeitiges Aufbrechen zu entschuldigen, doch sie müssten sich sputen, wollten sie Silz noch vor der Dunkelheit erreichen. Firnion rollte etwas die Augen bei diesen Worten und wünschte sich insgeheim, dass sie nicht zu Fuß reisen würden. Zwar waren die Vierbeiner im Wald eher eine Belastung, doch bisher hatte er sich noch nicht so recht an die Fußmärsche gewöhnen wollen und offensichtlich erwartete Tsaira von Weiher ein zügiges Tempo. Tsaira konnte die Gedanken ihres Knappen erraten, maß ihnen jedoch keinerlei Bedeutung zu und es entging ihr auch nicht, dass die Äbtissin Wulfhelm einen großen Krug mit seinem geliebten Honigwein einsteckte als seine Schwester etwas abgelenkt war.

Sie selbst brach mit Wulfhelm und Firnion zügig auf gen Gut Schwanenweyher. Sie hatte Fragen an ihren Vater...



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Texte der Hauptreihe:
4. Rah 1044 BF
Ein Schneemann im Rahjamond


Kapitel 1

Gen Silz!
Autor: Weiher