Geschichten:Ein Landvogt für Hartsteen - Dreieinhalb Gründe

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Gut Lepeln, Frühjahr 1038 BF

Egbert von Lepel hatte Besuch erwartet und sich entsprechend vorbereitet. Dass es ausgerechnet Praiodan von Steinfelde war, kam ihm dennoch äußerst gelegen, denn der Mann war nicht gerade für Scharfsinn und vorausschauendes Denken bekannt. Schon auf der Treppe zum Herrenhaus Lepeln, das für Hartsteener Verhältnisse geradezu prächtig ausfiel und in mehr als einem Detail an ein Kaisermärker Schlösschen gemahnte, hatte der Junker von Leplenfeld den Wegevogt und seine bewaffnete Eskorte empfangen. Die barsche Aufforderung Steinfeldes, sich sofort reisefertig zu machen, um in Hartsteen zur Causa Tharleon von Appelhof befragt zu werden, hatte Lepel vorerst kurzerhand zur Seite gewischt, indem er den Landreitern ein Fass Bier spendiert und den Steinfelder zum Essen eingeladen hatte. Zuerst widerwillig, hatte der Steinfelde dann gefressen wie ein ausgehungerter Wolf und auch dem guten almadanischen Wein mehr als reichlich zugesprochen (was für eine Verschwendung!), so dass Lepel schon fürchtete, der Mann würde für Argumente nicht mehr zugänglich sein, als er auf das eigentliche Thema des „Besuchs“ zu sprechen kam und dem Gast in vertraulichem Tonfall seine schon lange einstudierte Version der Ereignisse auf Bugenhog um die Ergreifung des Schwarzmagiers Tharleon darlegte.

„...Natürlich hatte ich nach Eurem so überraschenden Besuch auf Bugenhog sofort Nachforschungen angestellt und ich muss bestätigen, dass Eure Vermutung zutreffend war. Wie sich herausstellte, hatte sich die Spillingen mit dem Zauberer Tharleon eingelassen und musste als Agentin des Reichsverräters Helme Haffax angesehen werden. Ich eilte also, ihrer habhaft zu werden, bevor sie weiteres Unheil anrichten konnte und unterrichtete Herrn Parinor über das Vorgefallene. Doch es war zu spät. Der treue Halwart von Schallenberg-Zoltheim, der ihr als erster auf die Schliche gekommen war, hatte nicht ohne Grund um sein Leben gefürchtet. Ich fand ihn übel zugerichtet und sterbend, gerade als seine Mörderin von ihm abließ. In ihrem wahnhaften Blutrausch stürzte sich die Verräterin sofort auf mich. Zu meinem Glück, oder vielmehr den Göttern sei Dank, kann ich sagen, dass ich in diesem Kampf auf Leben und Tod das bessere Ende für mich hatte. Natürlich bedauere ich, dass es mir nicht gelang, die Spillingen festzusetzen, damit Ihr sie über weitere Machenschaften oder Hinterleute befragen könntet. Doch Ihr versteht, dass ich in dieser Situation nicht anders handeln konnte“, mit in Falten gelegter Stirn, die wohl so etwas wie Zerknirschung andeuten sollte, beendete Lepel schließlich seinen Bericht.

Praiodan hatte in seinem Lehnstuhl mehr gefläzt denn gesessen. Nun machte er eine herablassend wedelnde Handbewegung, während er mit weinschwerer Zunge fragte: „Warum sollte ich Euch diese Geschichte abnehmen?“

Darauf hatte Parinors Schatten nur gewartet: „Aus drei Gründen, werter Vetter Praiodan“, antwortete er und nahm die Finger bei seiner Aufzählung zu Hilfe, „Zum ersten um unserer verwandtschaftlichen Bande willen. Immerhin war eure Mutter meine liebe Tante Perainetreu. Zum zweiten, weil Ihr sicher sein könnt, dass Dom Parinor keineswegs erfreut war, als er von den Vorkommnissen auf Pfalz Bugenhog erfuhr und mir nahegelegt hat, meine Stellung als Kastellan aufzugeben. Zum dritten schließlich, weil Ihr um meine Fähigkeiten wisst und ich selbst über einige Verbindungen und gewisse Kenntnisse verfüge, die sich auch in anderen Diensten als vorteilhaft erweisen mögen.“

Lepel hatte sein Gegenüber keine Sekunde aus den Augen gelassen. Das erste Argument schien den Steinfelder eher peinlich und das zweite und das dritte gar nicht berührt zu haben. Es war also an der Zeit, schwerere Geschütze aufzufahren: „Aber ich weiß, auf der Goldwaage sind Worte Schall und Rauch und es ist darum immer hilfreich, ihnen mehr Gewicht zu verleihen. Dieser Kasten hier ist wohlgefüllt....“

Bei diesen Worten öffnete der Glatzkopf den Deckel der Schatulle neben sich, so dass der Wegevogt einen Blick auf den Inhalt werfen konnte. Der Steinfelder griff zum wieder gefüllten Weinbecher, um den offenbar plötzlich ausgetrockneten Mund zu befeuchten, bevor er schließlich hervorbrachte: „Nun, wenn Ihr die Sache so darlegt, gewinnt Eure Aussage durchaus an Glaubwürdigkeit. Allerdings“, und er wischte sich mit der Hand über den Bart, „Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, dieser Kasten ist nur halbvoll.“

Lepel lächelte; der Fisch hatte angebissen: „Sehr gut beobachtet, Vetter!“, hub er zur Erklärung an. „Nun, ich bin nicht der Mann, der den Rest seines Lebens still auf seinem Gut verbringen will. Jüngst hat der Landvogt Rondrian von Hartsteen in Waldstein mit der Pfalzgrafschaft zu Sertis eine höhere Aufgabe gefunden und Ihr habt den nötigen Einfluss bei Graf Luidor. Verwendet Euch bei Eurem Schwager in dieser Sache für mich, dann sollt Ihr den Rest und noch mehr bekommen; wie zum Beispiel die notwendige Unterstützung bei Eurem kleinen Bauprojekt, von dem ich erfahren habe...“

„Was? Woher...?“, die Verblüffung stand dem Steinfelder ins Gesicht geschrieben und auf einen Schlag ernüchtert erhob er sich ruckartig.

Noch bevor sich die Überraschung aber in gefährlichen Zorn verwandeln konnte, beeilte sich Egbert von Lepel, diesen zu beschwichtigen: „Keine Sorge, ich werde selbstverständlich Stillschweigen bewahren.“

Dann streckte er ihm die eigene Rechte entgegen, während er mit der Linken die Schatulle über den Tisch schob: „Wir sind uns also einig?“


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21. Phe 1038 BF zur mittäglichen Rondrastunde
Dreieinhalb Gründe


Kapitel 1

Schallenberger Brief
Autor: Steinfelde