Geschichten:Ein Kressenburger Sommer - Böse Überraschung

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Dramatis Personae

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Stadt Kressenburg

Prätor Badilak schätzte es überhaupt nicht, wenn er bereits zum Frühstück schlechte Nachrichten serviert bekam. Schon gar nicht, wenn er gerade erst seit wenigen Stunden von einer höchst befriedigenden Audienz bei seinem Vorgesetzten aus Greifenfurt zurückgekehrt war. Verstimmt heftete er seinen Blick auf Bruder Praiomel, so als würde dies genügen die unliebsamen Worte zu vertreiben.

„Was soll das heißen: Es geschehen unheimliche Dinge?“

„Wie soll ich es beschreiben? Da wachsen auf einmal Zweige, Knospen und Blätter aus dem toten Holz des Prangers und des Scheiterhaufen. Und obwohl der Deliquent Essen und Trinken verweigert ist er noch immer nicht verhungert oder verdurstet und auch kaum abgemagert. Immer sind Vögel um ihn herum. Wir habe die Wache angewiesen das Getier zu vertreiben, doch kaum jemand traut sich noch näher als unbedingt notwendig an den Pranger heran, weil sich die Vögel auf jene stürzen die kommen um zu gaffen.“

„Und Ihr habt es nicht für nötig gehalten etwas dagegen zu unternehmen?“ Des Prätors Stimme schwankte zwischen ungläubigen Staunen und einem zornigen Brüllen.

„Doch natürlich, Euer Gnaden. Wir haben den Pranger und das Feuerholz austauschen lassen, doch war das Ergebnis am nächsten Morgen dasselbe. Wir haben den Falkner des Barons kommen lassen, doch weder wollten die Falken Jagd auf das Getier machen, noch zeigte dieses Angst vor den Greifvögeln. Der Brunnen auf dem Marktplatz ist von Abends bis Morgens verschlossen und doch scheint der Frevler irgendwie an Wasser zu kommen. Es ist wie verhext.“

Der Laienbruder schien der Verzweiflung nahe und es behagte ihm offensichtlich nicht, dass er diese schlechten Nachrichten überbringen musste. Praiomel hätte sich lieber in seiner Schreibstube hinter den Rechnungsbüchern versteckt, aber dieser leidigen Pflicht musste er nun einmal nachkommen.

„Es wird Zeit, dass ich diesem Treiben eine Ende setze. Heute ist sein letzter Tag. Spricht er noch immer nicht, wird er brennen.“

Ohne Hast beendete Badilak sein Morgenmahl. Als er fertig war stand die Kutsche zum Marktplatz wieder bereit. Ehrfürchtig wichen die Menschen auf den steilen Gassen Kressenburgs zur Seite um der Kutsche des Prätors Platz zu machen. Auf dem Marktplatz angekommen, sah der Prätor bereits eine Menschentraube um den Pranger versammelt stehen. Zufrieden lächelte er, sollte nun doch ein großes Publikum die Reinigung dieses Frevlers mit ansehen. Bruder Praiomel bahnte ihm den Weg durch die Umstehenden. Mehr oder minder erschrocken und verstört betrachteten die Kressenburger ihren Prätor, der huldvoll lächelnd an ihnen vorüber schritt. Als die letzte Reihe sich vor ihm lichtete, wandte sich Badilak dem Pranger zu. Wie vom Schlag gerührt hielt er inne, als er den wahren Grund für die zahlreich zusammen geströmten Schaulustigen erkannte.

Statt auf den Pranger starrte er auf eine ausgewachsene Eiche, die ihre Äste weit ausladend war über den Marktplatz streckte und kühlen Schatten spendete. In der rauen dicken Borke des Stammes erkannte man noch die Kettenglieder des Prangers, nun auf einem Schritt Höhe eingewachsen und wie ein Gürtel wirkend. Zur Linken und zur Rechten baumelten noch die schweren Eisenschlösser, gänzlich unbeschädigt. Doch das Schlimmste war, dass weit und breit keine Spur von dem jungen Mann zu sehen war, den man hier die letzten zwölf Tage und Nächte angekettet hatte. Ohne ein Wort zu sagen fiel der Prätor ohnmächtig vor Wut hinten über und wurde von seinem geistesgegenwärtigen Sekretarius aufgefangen. Auf dem untersten Ast des Baumes saß ein Pärchen weißer Tauben und gurrte laut und vergnügt.