Geschichten:Ein Ereignis, zwei Briefe

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An Bartel Helmdahl von Stolzenfurt
 
 
 
 
Geschätzter Oheim Bartel,

zwei bedeutende Ereignisse zwingen mich, die Feder zur Hand zu nehmen und Dir zu schreiben.

Dein Bruder Bocksbert ist den Weg über das Nirgendmeer angetreten.. Du kennst unsere Geschichte, und selbst jetzt nach mehreren Tagen nach seinem Sterben bekomme ich das Wort »Vater« nur mit allergrößten Mühen auf das Papier. Ich habe ihn im Staub seinen letzten Atem aushauchen sehen, während ich seinem Mörder pflichtbewusst hinterher eilte, ohne ihn zur Rechenschaft für sein Verbrechen ziehen zu können.

Die Mörderbande hatte uns auf dem Rückweg von Odilbert Rondrasils einundzwanzigsten Tsatag und seinem Ritterschlag an einer unübersichtlichen Stelle hinter Pulping hinterrücks aufgelauert. Das waren keine normalen Raubritter, die normalerweise Geiseln versuchen zu nehmen, um so ein gutes Lösegeld von der betreffenden Familie zu erpressen. Deren Blick war voller Irrsinn und Mordlust, so etwas habe ich seit der Schlacht an der Tesralschlaufe nicht mehr gesehen. Sie wollten töten ohne Rücksicht auf das eigene Leben, wie tollwütige Hunde hatten sie weißen Schaum vor dem Mund. Und die Götter mögen ihren Fluch auf dieses elende Pack hernieder schmettern, allen voran dem Anführer der Bande, Melcher von Eichenblatt, der sie uns - wie ein Hundeführer seine Meute - entgegenschickte.

Der Herr Phex hatte die Hand über mich gehalten und die Armbrustbolzen an mir vorüber sausen lassen. Bocksbert dagegen bohrten sie sich in die Brust und in den rechten Oberarm. Trotzdem kämpfte er wie ein wilder Ferkina, mähte auch wie ein Schnitter die missratene Brut nieder. Aber dann baute sich der verdorbene Melcher persönlich vor ihm auf, und kaltblütig spaltete er ihm mit seinen Räubersäbel das Haupt, dann türmte er, weil ich bereits fünf seiner Schergen, die einst in Haffax Heer gedient haben müssen, leblos in den Staub geschickt hatte und kurz davor war, ihm seine gerechte Strafe zukommen zu lassen.

Bocksbert starb wie er lebte, wild im Kampf und ohne Bedauern. Ich habe seinen toten Körper nach Silbersteen gebracht, wo er im Firun an der Seite seiner Ahnen bestattet werden wird. Seine letzte Reise führte ihn in die Reichsstadt Hartsteen, wo er durch den Grafen seine Begnadigung erfahren hatte und zum Unmut von Baron Felan von Schallenberg als Oberhaupt der Familie Stolzenfurt wieder voll in die Gemeinschaft der Hartsteener Ritter aufgenommen worden war.

Wir waren nach Hartsteen gereist, um dem Ritterschlag des zukünftigen Hartsteener Grafen beizuwohnen. Dieses Tages wird man noch länger erinnern, auch wenn ich bei allen Zwölfen hoffe, dass sich die Gräben zwischen den alten garetischen Häusern, die sich an diesem Tag geöffnet haben, schnell wieder schließen werden. Ich vermute, Du hast bereits die eine oder andere Fassung dieses Affronts aus anderen Quellen gehört, aber lass mich Dir berichten, was wirklich an diesem Tag vorgefallen ist.

Für sich genommen war die Durchführung dieser Zeremonie zutiefst bewegend. Die Rückbesinnung auf die alten Traditionen, die mit der Rückkehr der Grafenkrone in die Hände des Hauses Hartsteen zusammengeht, gibt allen aufrechten Hartsteener Rittern große Kraft und das sichere Gefühl einer Verbindung zu den eigenen Wurzeln. Wie Du ja weisst, hat Graf Luidor für seinen Sohn und Erben die alte Tradition des Feidewalder Ritterschlages wiederbelebt, bei dem der Sohn des Herrschers über den Feidewald nicht von einem einzelnen Schwertvater unterrichtet wird, sondern jeden Götterlauf von einem herausragenden Vasallen des Grafen neben seinen üblichen Pflichten als Knappe über die uralten Traditionen und das lebendige Land belehrt wird. Diese Tradition, so erfuhren wir an diesem Tag von Seiner Gnaden Arnhold von Wengenholm, gehe zurück auf Graf Hartuman, den achten Grafen des Hauses Hartsteen, über dessen kurze Herrschaftszeit am Anfang des Raulschen Reiches wir nur wenige Legenden kennen, wie die seines Todes bei seiner Reise unter die Berge des Feidewaldes.

Allerdings erzählte mir ein wenig später beim abendlichen Umtrunk der ebenfalls anwesende Alrik Roderik von Schwingenfels, der als Diener der Schlange in Gareth wirkt, dass diese Tradition wohl tatsächlich erst in der Rohalszeit unter Graf Nimmgalf, dem zweimal zwölften Hartsteener Graf, erfunden worden sei, um die damals in Mode gekommenen acht garetischen Rittertugenden, die sich auf den Korgonder Mythos beriefen, in das Hartsteener Rittertum einzuführen. Der Bezug auf Hartuman sei nur wegen der Zahlenmystik gewählt worden. Beweise hat er allerdings keine, sondern nur Andeutungen in alten vergilbten Folianten. Wer weiss schon, was stimmt.

Die große und beeindruckende Zahl der geladenen Gäste füllte den Hartsteener Praiostempel nahezu aus. Fast die gesamte Familie Hartsteen war anwesend, allen voran natürlich der Graf selbst, der die gesamte Zeremonie mit kraftvoller Miene stehend wie alle anderen Gäste verfolgte. Ich hatte erwartet, ihn schwer von seiner Krankheit gezeichnet zu sehen, aber er wirkte jung und munter im vollen Besitz seiner Kräfte. Neben ihm standen seine blinde Schwester Halina und sein Bruder Alrik mit seinem Sohn Trisdhan, dem Sertiser Pfalzgraf, sowie die strenge Lydia Yasmina mit ihrem Gatten Arvo Lovgold von Weyringhaus-Herlogan. Niope vom See, die junge Gemahlin des Knappen erblickte ich in der Menge, und noch so manch anderes Familienmitglied des Grafenhauses.

Einen Platz an der Seite der Familie nahm auch Siegeshart von Ehrenstein ein, ein Umstand, der mich erst verwunderte, bis mir Thalacker Bardo von Gneppeldotz zuraunte, dass ja die Mutter von Odilbert Rondrasil die Tante des Eslamsgrunder Grafen gewesen, die beiden also Vettern ersten Grades waren. Doch einen echten Ehrenplatz hatte man Drego von Luring und seinen Rittern gegeben, direkt neben der Familie und noch vor den Vasallen des Grafenhauses. Offenbar wollten die beiden Familien die schlechte Stimmung, die aus dem Fernbleiben des Reichsforster Grafen bei Odilberts Traviabund vor zwei Monden erwachsen war, durch die Einladung zu dieser Feier vertreiben – aber was für ein Fehlschlag das war!

Graf Luidor hatte seinem Erben gerade das neue Grafenschwert der Grafschaft Hartsteen überreicht, ein wunderbares Stück Angbarer Schmiedekunst und wahrhaft würdig eines Hartsteener Grafen. Das schmucklose Schlachtenschwert mit dem Namen »Morsang« ist bar jeden Pomps und Tands, eine für den Kampf gefertigte Waffe, die besser als jede andere den wahren Kern des Hartsteener Rittertums ausdrückt. Da lag es nun auf dem uralten Schwurstein der Hartsteener Grafen, der angeblich ein Teil des mystischen Korgonder Seitenfrieses gewesen sein soll, und darum herum standen die Schwertväter und Schwertmütter des Erben der Grafschaft: Iralda von Bärenau, Adalbert von Hirschenrode, Praiodan von Steinfelde, Peridan Leumar von Allingen, Felan Rondrik von Schallenberg und Voltan Lechmar von Schwingenfels. An der Stelle, wo die gegen Haffax gefallene Tanira von Natzungen hätte stehen sollen, lag das Soldatenschwert der Natzunger Baronin auf dem Schild ihres Gatten, des nach Korgond entrückten Hadrumir von Schwingenfels, der ursprünglich der letzte Schwertvater und damit Odilbert den Ritterschlag hätte geben sollen.

Seine Gnaden Arnhold von Wengenholm führte ernsthaft und würdig durch die Zeremonie, und als er an die Stelle kam, an welcher der Praios-Geweihte die versammelte Gemeinschaft fragte, wer dem zukünftigen Grafen von Hartsteen seinen Ritterschlag erteilen sollten, erklang ein frecher Ruf aus den Reihen der Reichsforster Ritter, dass doch der Sohn des Königs der Ritter der Würdigste unter den Anwesenden sei, dem Knappen den letzten unparierten Schlag zu erteilen.

Empört wurde dieses Ansinnen abgewiesen – und dann brach der Tumult aus. Die Reichsforster Ritter beschimpften auf das Übelste die anwesenden Hartsteener Ritter und drängten Graf Drego, sofort den Tempel zu verlassen. Und anstatt diesen offenkundigen Unsinn zu verwerfen, stand Graf Drego auf und verließ unter den missbilligen Blicken der anderen Gäste mit seinen Rittern die Zeremonie.

Der weitere Verlauf der Feierlichkeiten waren nun stark getrübt von diesem unerhörten Affront, und noch immer steigt in mir die Wut über die Frechheit der Reichsforster die traviagefälligen Gesetze des Guten Gastes so in den Schmutz gezogen zu haben. Und hätte mich nicht der schreckliche Überfall und der Tod deines Bruders so sehr getroffen und in seinen Folgen beschäftigt, ich würde dem jungen Ritter Odilbert mit Rat und Tat zur Seite stehen, auf dass keine schlimmen Folgen aus dieser Episode entspringen.

So aber muss ich mich kümmern, die gesamte Familie Stolzenfurt zu versammeln und die Grablegung Bocksberts vorzubereiten, damit wir über seine Nachfolge als Haupt der Familie eine wohlüberlegte und gütige Einigung finden werden.

Gehe bis dahin unter Segen der unteilbaren Zwölfe Und sei auf das herzlichste gegrüßt!
 
 
 
 
Dein Haldan

Im Hesindemond 1042 BF

Siegel des Haldan von Stolzenfurt

Junker zu Silbersteen


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Teurer Freund!
 
 
 
 
Bin gerade zurück aus Hartsteen, und noch immer muss ich den Kopf schütteln über diese unverschämten Kerle.

Wie du vielleicht schon gehört hast, haben sie für Odilbert, den Erben von Luidor, sich auf so eine absurde Tradition »zurückbesonnen«, bei welcher der Knappe wie ein Wanderpokal von einem Ritter zum nächsten weitergereicht wird. Wie da irgendeine Beständigkeit in der Ausbildung gewährleistet werden soll, ist mir wirklich ein Rätsel.

In jedem Fall hatte sich Graf Drego als Zeichen seines Großmuts bereit erklärt, dem formellen Ritterschlag von Luidors Buben beizuwohnen, nachdem er es schon nicht zu dessen Hochzeit in den Kosch geschafft hat..

Da kommt es also nun bei der Zeremonie zu der Stelle, wo der Ritterschlag gegeben werden soll. Und da raunt mir Zwillingstein zu, dass es doch wirklich ein Jammer sei, dass Graf Danos nicht mehr unter uns weile. Unter ihm, als König der Ritter, wäre so eine alberne Veranstaltung unmöglich gewesen, unter Graf Danos hätte man noch die Werte des Rittertums hochgehalten. Ja, Graf Danos wäre wohl der richtige Ritter gewesen, um dem jungen Odilbert mal so richtig einen Ritterschlag zu geben.

Da meinte ich zu ihm, eigentlich mehr im Scherz, dass ja der Sohn des Königs der Ritters anwesend ist und der das ja übernehmen könne. Und Zwillingstein hat mich nur angesehen und gemeint, wenn das sich nur mal jemand trauen würde, laut zu sagen. Also habe ich, als der Praiot die Frage an die Versammelten gestellt hat, wer würdig sei, dem Knappen den letzten Schlag zu erteilen, das mal in die Runde gerufen, dass wohl Graf Drego als Sohn von Danos der Würdigste wäre, den Ritterschlag auszuteilen.

Das hat aber eine Reaktion hervorgerufen, kann ich dir sagen. Richtig böse und frech sind diese Hartsteener geworden. Den Vogel hat dann aber dieser Voltan Lechmar abgeschossen, als er doch allen Ernstes ausspuckte, Graf Danos hätte hier in Hartsteen nichts zu melden gehabt und wäre der Letzte, dem es zustünde einen zukünftigen Hartsteener Grafen zum Ritter zu schlagen. Und wenn Graf Danos schon nicht würdig sei, dann doch erst recht nicht sein feiger und verweichlichter Sohn.

Graf Drego wollte das erst auf sich beruhen lassen und keine Szene machen, aber Zwillingstein hat dann auf ihn eingeredet, dass man gerade seine Ehre und das Andenken an seinen Vater, einen Heiligen der Rondra, schwer beschädigt hätte. Wenn er das auf sich sitzen ließe, dann würde ihn niemand im ganzen Mittelreich mehr ernst nehmen. Das hat Drego dann eingesehen und ist einfach aufgestanden und gegangen. Ich bin ihm dann hinterher, zusammen mit den anderen Reichsforstern.

Zu schade, ich hätte gerne noch das Festbankett mitgenommen. Auf der anderen Seite weiß man ja, was diese armen Hartsteener zum Feiern auftischen. Wasser und geröstete Brotscheiben.

Es grüßt dich
 
 
 
 
Moribert von Goyern



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Ereignis:
Reichsforster Eklat beim Hartsteener Ritterschlag
Datum:
8. Hes 1042 BF
Details:
Beim Ritterschlag von Odilbert von Hartsteen kommt es zu einem Eklat mit den Reichsforstern Rittern