Geschichten:Ein Ende mit Schrecken - Die Schlacht von Auetal

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Dorf Auetal, Mitte Ingerimm 1043 BF, später Vormittag

Auf dem Rakulstieg zwischen Bodenstedt und Auetal

"Wir haben sie!" Aufgeregt rufend kam der Späher, den Nimmgalf nach Auetal vorausgeschickt hatte, zum Heer zurückgeritten. Knapp vor seinem Kommandanten zügelte er sein Pferd. "Wir haben sie! Sie stecken hinter Auetal vor den Rakulahöhen fest, wie wir es gehofft hatten."

"Sehr gut!" Nimmgalf gönnte sich ein zufriedenes Lächeln. "Wie sieht es im Dorf aus? Bist du entdeckt worden."

"Ich denke nicht, Hochgeboren. Es gibt bei ihnen scheinbar keine rückwärtige Aufklärung." Aus den Worten des erfahrenen Aufklärers sprach deutliche Verwunderung. "Das Dorf ist verlassen. Die Bewohner sind wohl zur Burg Talbach geflohen. Die Scheuer sind aufgebrochen und geplündert. Aber die Kaisermärker befinden sich alle schon hinter dem Dorf und drängen sich auf den Weiden vor dem unwegsamen Teil der Höhen. Auf dem Rakulstieg sind überall Karren und Wagen die nicht vorwärts kommen und dazwischen lungern die Waffenknechte. Sieht aus wie der gesamte Tross und zusammen etwa vier bis fünf Banner an Soldaten."

"Das klingt doch nach einer guten Gelegenheit", ließ sich Graf Drego vernehmen, der gerade mit dem unvermeintlichen Rudon Langenlob dazugestoßen war. "Wir fallen ihnen in den Rücken und machen sie alle nieder!"

"Ich fürchte so einfach wird es nicht werden." Nimmgalf wischte mit diesen einfachen Worten die ganze Begeisterung aus Dregos Gesicht.

"Was? Warum denn nicht? Wir sind hinter ihnen und sie haben uns noch nicht gesehen. Euer Späher hat selbst gesagt, dass sie nicht zurückblicken." Drego redete sich zurück in seinen ansteckenden Enthusiasmus. "Wir werden sie einfach überraschen!"

Der Hirschfurten schüttelte mit dem Kopf und widersprach. "Hinter Auetal ist das Gelände bis zu den Rakulahöhen auf zwei Meilen leicht ansteigend. Sobald wir die Hütten hinter uns gelassen haben, sind wir ohne Deckung auf den zum Dorf gehörenden Wiesen und Weiden. Selbst wenn sie einen einzelnen Späher übersehen haben mögen, so werden acht Schwadronen schwere Reiterei mit Sicherheit entdeckt, bevor wir in Schlagdistanz sind. Dann werden sie mit den Rakulahöhen im Rücken einfach einen Speerwall aufstellen, der uns erhebliche Probleme und unnötige Verluste bereiten kann."

"Habt ihr denn einen besseren Vorschlag Hirschfurten?" Rudons Stimme klang wie immer so, als würde er ihn mit jedem Wort verhöhnen. "Die Kaisermärker sitzen doch auf dem Präsentierteller. Oder wollt Ihr sie einfach ungeschoren abziehen lassen?"

"Natürlich nicht", echauffierte sich Nimmgalf hitzig, "aber ein einfach drauflos funktioniert nunmal nur in eurem bürgerlich eingebildeten Kopf!" In seiner Wut verdrängte er, dass die Idee von seinem Grafen stammte, der nun auch entsprechend reserviert dreinschaute. "Was wir brauchen ist ein Umgehungsmanöver samt Zangenangriff. Wenn wir sie von drei Seiten und über die Flanken angreifen, wird ihre Verteidigung einfach zusammenbrechen."

"Wie genau habt Ihr Euch das vorgestellt, Nimmgalf?" Drego wirkte noch immer etwas beleidigt, sah aber ein, dass sein Plan wohl wirklich zu kurz gedacht war. "Welche Einheiten sollen die Flankenangriffe durchführen?"

"Wir sollten die Truppen halbieren", hob Nimmgalf sofort an. Bei Kavallerieattacken war der Abgänger des Instituts der Hohen Schule der Reiterei zu Gareth in seinem natürlichen Element. "Ihr reitet mit vier Schwadronen unter der gräflichen Fahne im Zentrum direkt über Auetal. Idealerweise locken wir mit einem schwachen Zentrum die Kaisermärker aus ihrer Stellung zu einem Gegenangriff, weiter weg von den Höhen und ihren Karren, aufs offene Feld. Die Zangen, jeweils zwei Schwadronen, kommen von Firun und Praios. Junker Pfortenstein", deutet er auf einen der untergeordneten Kommandeure, "kann die nördliche Abteilung übernehmen. Er war bei Gelegenheiten schon mehrfach mit dem Ritterbann hier unterwegs und kennt sich aus. Am Rand des Hirschwaldes entlang kann man die Kaisermärker weiträumig umgehen und dort in ihre Flanke gelangen. Ich selbst führe die südliche Abteilung. Die Rakulahöhen stoßen hier weiter nach Westen vor. Es ist weniger Platz zum Manövrieren und schwieriger unentdeckt zu bleiben. Aber ich kenne die Gegend hier wie die Teile meiner Rüstung und denke, ich kann meine Abteilung ungesehen dort entlangführen."

"Ich denke nicht, dass wir Graf Drego mit einer so geringen Bedeckung in den Kampf ziehen lassen sollten", fiel der Langenlob ihm ins Wort und legte wie schützend die Hand auf Dregos Schulter. "Was, wenn Ihr und der Pfortenstein versehentlich zu spät kommt?" Irgendwie schaffte er es diesen Gedanken so anklingen zu lassen, als wäre genau dies Nimmgalfs mögliche Absicht. "Dann ist der Graf einer Übermacht der Kaisermärker ausgesetzt, was für ihn und alle die bei ihm sind übel ausgehen könnte."

"Er hat leider Recht Nimmgalf. Ich muss doch auch an die Frauen und Männer denke, die mir in den Kampf folgen. Wenn wir in unsere eigene Falle tappen, führe ich sie vielleicht ins Verderben." Drego dachte kurz nach. "Ihr nehmt jeder eine Schwadron, das sollte für die Flankenangriffe reichen. Immerhin werden wir die Aufmerksamkeit im Zentrum komplett auf uns ziehen, da habt ihr nicht viel zu befürchten. Zumal ihr mit halb so vielen Reitern auch viel weniger auffallt und das Gelingen des Plans umso wahrscheinlicher ist. Wann greifen wir nun an?" Erwartungsvoll blickte er den Kommandeur des Reichsforster Ritterbanns an.

Nimmgalf starrte mit knirschenden Zähnen wütend zu Rudon, der dies wie immer, wenn er sein Ziel erreicht hatte, nur mit einem seiner süffisanten Lächeln erwiderte. "Ein Stundenglas, Euer Hochwohlgeboren", antwortete er dem Grafen mit unterdrückter Wut. "Diese Zeit werden Junker Pfortenstein und ich für unsere Umgehungsbewegungen brauchen. Nach einem Stundenglas führt Ihr das Zentrum über den Rakulstieg durch Auetal. Die Kaisermärker werden euch bemerken und sich zur Abwehr aufstellen. Ob sie Euch mit Eurer Stärke auch angreifen, wage ich nun zwar zu bezweifeln. Doch wir können sie überrumpeln, während sie sich noch aufstellen und zum Zentrum hin formieren. In diesem Moment der Umgruppierung sind Formationen immer am verwundbarsten. Wenn Ihr seht, dass wir zum Angriff übergehen, müsst Ihr sogleich nachsetzen, um den Überraschungseffekt bestmöglich zu nutzen."

"Gut, dann macht es so. Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld, Nimmgalf." Mit einer Handbewegung entließ Drego ihn und die übrigen Schwadronsführer und wandte sich zu einem leisen Gespräch an Rudon.

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Der Hirschfurten organisierte mit militärisch knappen Befehlen den Ritterbann neu. Von den vier Schwadronen, welche schon vor der Fehde in Hirschfurten stationiert gewesen waren, teilte er je eine ob ihrer Ortskenntnis unter sein und des Pfortensteiners Kommando ein. Dann ließ er das Dorf Auetal links liegen und führte seine zwei Dutzend Ritter in einem großen Bogen gen Praios. Nach einer Weile stießen sie auf ein Bachbett, welches sich in einer flachen Senke von den Rakulahöhen kommend von Ost nach West erstreckte. Dieser Senke folgten sie ostwärts, bis sie steiler wurde und nicht länger Deckung bot. Hier stieg Nimmgalf ab, rief Hauptfrau Tsaiane von Talbach zu sich und bewegte sich vorsichtig zum Rand der Senke, um gestützt auf die Berichte von Weibelin Lechmin von Rallerspfort die Lage zu sondieren. Es war fast ein Stundenglas vergangen und wie erwartet befand sich Nimmgalf mit seinen Reitern nun in der linken Flanke der Kaisermärker. Doch die Situation auf dem ausgewählten Schlachtfeld entsprach nicht seinen Vorstellungen.

"Was macht Graf Drego dort?" Die Talbacherin stand neben ihm und war ähnlich verwirrt. "Warum ist unser Zentrum schon auf dieser Seite Auetals?"

"Sie sind zu früh und das nicht zu knapp. Sieh dir die Kaisermärker an. Die Pikeniere haben sich schon in schöner Ordnung aufgestellt. Und es sind eher sechs Banner als vier oder fünf möchte ich meinen."

"Schöner Mist, das war es mit der Überraschung. Zumindest was das Zentrum angeht. Dabei hattet Ihr dem Grafen doch alles genau erklärt."

"Ich würde meinen Greifenstern in Silber darauf verwetten, dass da wieder dieser Langenlob dahinter steckt! Wahrscheinlich ist er neidisch auf den Ruhm, den ich für unsere Rettung Rubreths geerntet habe."

"Wahrscheinlich ist ihm Euer Erfolg unheimlich geworden", gab die Hauptfrau zu bedenken. "Immerhin ist er seit einigen Götterläufen der Intimus des Grafen und war auf das Wohlwollen seiner Hochwohlgeboren Euch gegenüber stets eifersüchtig."

"Sei es wie es sei", winkte der Hirschfurten ab, "es ändert nichts daran, dass unser Plan deutlich schwieriger geworden ist." Angestrengt spähte er über die Weiden hinweg gen Firun, wo Junker Rondradan von Pfortenstein bald mit seiner Schwadron auftauchen musste und vor dem selben Dilemma stehen würde wie sie selbst. "Vier Banner Piken, an den Flanken je ein Halbbanner Langschwerter und hinten ein paar Handvoll Schützen", zählte er noch einmal laut durch. "Unser Zentrum bewegt sich keinen Schritt. Die Kaisermärker warten einfach ab und Drego wird sich wohl nicht rühren, bis wir unseren Teil erledigt haben. Wir werden angreifen müssen."

"Ohne zu wissen ob der Pfortensteiner da ist? Wenn er zu spät dran ist und der Graf zu lange zögert das Zentrum nachrücken zu lassen, kann das mit nur einer Schwadron ganz übel für uns ausgehen."

"Dessen bin ich mir bewusst!", gab Nimmgalf gereizt zurück. "Aber welche Wahl haben wir denn? Entweder wir greifen an oder ich stehe vor Drego als unfähiger Zauderer oder noch schlimmer, als wortbrüchig, da!" Er drehte auf dem Hacken um und gemeinsam gingen sie zügig zurück zu den wartenden Truppen.

"Lanzen bereit machen!", gab die Talbacherin den Befehl, nachdem sie und Nimmgalf wieder aufgesessen waren.

"Zuhören!" Nimmgalf lenkte sein Ross vor die Truppe und erklärte ihnen den Ernst der Lage. "Wir warten noch ein viertel Stundenglas, dann müsste der Pfortensteiner spätestens in Position sein. Nach Ablauf dieser Zeit greifen wir ohne zu zaudern an. Wir sind nicht ganz so weit in ihrem Rücken wie erhofft, es kommt also darauf an, dass wir den Angriff mit Schwung vortragen, um ihnen keine Möglichkeit zu geben, sich gegen uns neu zu formieren. Wir bilden zwei Keile. Die erste Lanze folgt mir direkt in die Flanke, wo die Schwertkämpfer stehen. Die zweite Lanze unter Hauptfrau Talbach reitet die Schützen nieder und bricht dann in den Rücken der Formation ein. Das sollte zumindest ihre linke Flanke gehörig in Unordnung bringen. Wenn Rondra uns hold ist, wird Junker Pfortenstein mit seinen Leuten ein ähnliches Manöver ausführen und Graf Drego mit dem Zentrum nachsetzen. Wenn nicht, sei Rondra unseren Seelen gnädig", endete er nüchtern.

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Graf Drego war unruhig, ebenso wie die Ritterinnen und Ritter um ihn herum. Nachdem er sich mit Rudon beraten und sich hatte überreden lassen, waren sie gegen die Einwände der meisten anderen Hauptleute schon nach einem halben Stundenglas aufgebrochen, in der Hoffnung, die Kaisermärker doch überraschen zu können. Leider sollte Nimmgalf mit seiner Einschätzung recht behalten. Ihre Annäherung war auf dem offenen Gelände frühzeitig entdeckt worden und Drego hatte den Angriff abgebrochen, um seine Abteilung nicht in die abwehrbereiten Piken reiten zu lassen. Die Reichsforster hielten einen Abstand von etwa zweihundert Schritten, knapp außer Reichweite der gegnerischen Armbrüste und Bögen. Waren es auch nur wenige Schützen, ließ ihr Anblick Drego fast noch mehr zagen als der inzwischen errichtete Wall aus Speeren. Außerdem hoffte er, dass Nimmgalf ihn aus dieser Zwickmühle befreien würde. Der Angriff des Hirschfurteners musste jeden Augenblick erfolgen. Zumindest hoffte der Graf dies inständig.

"Wo bleibt er denn nur", rief er halblaut seinem Nebenmann zu, welcher niemand anderes war als sein engster Berater Rudon Langenlob.

"Ein Hasenherz wird er bekommen haben, wie ich es mir dachte", antwortete dieser, wohlwissend von wem der Graf sprach.

"Auch wenn du ihn nicht leiden kannst Rudon, in diesem Punkt solltest du Nimmgalf wirklich besser kennen!" Drego merkte selbst, dass seine Worte mindestens ebensosehr von Hoffnung getragen wurden, wie von innerer Überzeugung. Der Graf redete weiter, wie um sich selber Mut zu machen. "Er wird jeden Augenblick auftauchen, da bin ich mir ganz sicher. Nimmgalf hält immer sein Wort."

"Mich würde es nicht wundern, wenn er sich nach Samlor abgesetzt hätte und..." Rudon stockte mitten im Satz, als in den Reihen rechts von ihm Jubel aufbrandete.

"Da ist er! Hirschfurten ist da! Hoch Nimmgalf!"

Nur wenige Augenblicke später, Nimmgalfs Reiter hatten kaum die Hälfte der Distanz zu den Kaisermärker Stellungen überwunden, wurden Rufe auf der linken Seite der Reichsforster laut.

"Pfortenstein ist da! Hoch Reichsforst! Nieder mit den Kaisermärkern!"

Der Graf war erleichtert, zögerte jedoch noch immer den Befehl zum Angriff zu geben. Das Zentrum der Kaisermärker hatte von den Angriffen an den Flanken noch nichts mitbekommen und stand weiter konzentriert gegen das Reichsforster Zentrum. Mit einem Mal aber macht sich Unruhe in den Kaisermärker Linien breit und der erste Kampflärm drang über das Schlachtfeld. Drego wurde bewusst, dass er kaum länger zögern durfte, wenn er nicht riskieren wollte, dass entweder Hirschfurten und Pfortenstein von der Übermacht aufgerieben wurden oder aber seine Hauptleute eigenmächtig angreifen würden, um Nimmgalf zu Hilfe zu eilen. Er richtete sich im Sattel auf, blickte nach links und rechts, ließ den Schwertarm nach vorne fahren und rief so laut er konnte den Angriffsbefehl.

"Vorwärts Reichsforst!"

"Für Reichsforst!", erscholl es als Antwort aus über hundert Kehlen.

Wie ein von der Sehne gelassener Pfeil stürmten die Reichsforster Ritter vorwärts, den Namen ihrer Grafschaft als Kampfschrei auf den Lippen. Hundertfünfzig Schlachtrösser galoppierten auf die Kaisermärker Kampflinie zu, welche nun noch mehr in Unordnung geriet. Piken wurden gehoben, vereinzelt versuchten Soldaten sich panisch aus der vordersten Reihe zu lösen und erste Lücken entstanden im dichten Wald der Speere, wo die Pikeniere sich gegen die Bedrohung auf den Flanken wappneten. Bis Graf Dregos Truppen den Gegner erreichten, hatten Angst und Verwirrung schon die halbe Arbeit verrichtet. Fast mühelos drang die Reichsforster Reiterei in die Reihen der Kaisermärker ein und rollte die Linie nach beiden Seiten auf. Nach kurzer Zeit suchten die Verteidiger ihr Heil in der Flucht. Ein großer Teil wurde dabei niedergemacht, denn die Reichsforster kämpften mit dem Grimm vieler zuvor erlittener Niederlagen im Herzen. Erst als die Angreifer die Trosswagen erreichten, zwischen denen viele der Handwerkerinnen und Zivilisten, welche jeden größeren Heerhaufen begleiteten, Schutz gesucht hatten, begannen sie Pardon zu geben und Gefangene zu machen.


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18. Ing 1043 BF 11:00:00 Uhr
Die Schlacht von Auetal
Graf Drego vor Rubreth


Kapitel 4

Autor: Keilholtz