Geschichten:Edmunds Vermächtnis - Wie Frauen werfen

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Bei Haldensbrüel, Baronie Hartsteen, Peraine 1039 BF

"Schluss für heute?“, fragte die stämmige Irinya hoffnungsvoll, als sie und Ravenio das Zahnrad der Winde einrasten ließen. Die beiden waren kräftige Gesellen, aber das ununterbrochene Bedienen der Winde, während das Floß auf dem Strom schwankte, verlangte ihnen doch einiges ab.

"Na meinetwegen“, brummte der Vorarbeiter Olbert, ein fast glatzköpfiger Mann mit Koscher Akzent. Er löste das Seil ein letztes Mal und das Gewicht der Ramme krachte dumpf auf die Schlaghaube, welche den Steineichenpfahl mit einem gurgelnden Geräusch ein Stück tiefer in den Flussboden bohrte. Das Floß stampfte unter der plötzlichen Gewichtsverlagerung und Wasser spritzte auf: "Zurück zum Ufer. Man sieht bald ohnehin kaum noch etwas.“

Routiniert steuerten die Arbeiter das Floß auf das linke Ufer der Natter zu und legten an. Der Vorarbeiter überließ es den beiden Liebfeldern, das Gefährt zu vertäuen, was diese auch ohne zu murren erledigten.

Dennoch, ihr ganzes Tun hier kam Irinya ziemlich sonderbar vor. Ihre Auftraggeberin, Meisterin Schindel, hatte sich in Bezug auf das Vorhaben eher zurückhaltend gezeigt und den Arbeitern Schweigen über ihr Tun gegenüber Dritten auferlegt, was sie auf das Zwölfgötterbrevier geloben mussten. Durch eigene Anschauungen und vorsichtige Unterhaltungen mit anderen Lohnarbeitern hatte die liebfeldische Maurergesellin und ihr Gevatter jedoch ihre Schlüsse gezogen.

Eine weitere Forderung bei der Anstellung war gewesen, dass die Bauleute ihre Unterkünfte in dem Dorf oder in dem Zeltlager am Hartsteener Flussufer außerhalb der Arbeitszeit nicht verlassen durften. Man hörte von einem gefährlichen Untier munkeln, das in den nahen Auenwäldern sein Unwesen treibe. Allein, die Blicke der Wächter waren nicht nur auf die Umgebung gerichtet, sondern mindestens genauso oft auf die Bauleute an der Tagesbaustelle; und selbst jetzt beobachteten sie das Floß mit dem Holzgerüst für die Ramme auf der allabendlichen Zusatzschicht in der Dämmerung. Offenbar war ihre Anwesenheit und Arbeit aus irgendeinem Grund heikel und über allem schwebte die Ahnung von Gefahr. Allein die ständige Überwachung und der versprochene gute Lohn hatten Irinya und Ravenio abgehalten, sich vorzeitig davon zu machen.

Als sich die beiden schließlich auf den Weg zum Küchenzelt machen wollten, hielt Ravenio inne, deutete auf eine Stelle ein Stück flussaufwärts und raunte Irina zu: „"Schau mal da!“

Im Schatten der Uferböschung war eine Person zu erkennen, die regungslos auf das Wasser hinaus starrte.

Irina kniff die Augen zusammen: "Was macht der der da? Der wird sich doch wohl nicht in den Fluss stürzen?“

Ravenio schüttelte den Kopf: "Nein, er murmelt etwas.“

"Und jetzt greift er neben sich…“

"Er hat einen Sack in der Hand…und zieht etwas heraus.“

"Eine Kugel?“

"Sieht irgendwie stachelig aus.“

"Er wirft sie ins Wasser."

"Das Wasser schäumt auf.“

"Was? - Bei den Zwölfen!“

"…“

"Hast du das gesehen?“

"Ich bin doch nicht blind!“

"Drei Köpfe!“

"Grausig.“

"Einer davon hat die Kugel verschlungen.“

"Und dann war der Spuk vorbei.“

"Von dem Mann ist auch nichts mehr zu sehen.“

"Woher willst du wissen, dass es ein Mann war?“

"Ganz einfach: Weiß doch jeder, dass Frauen nicht gut werfen können.“

"Pass bloß auf Freundchen, was du sagst! Sonst zeige ich dir, wie gut ich werfen kann: und zwar dich in den Fluss. Dann kannst du mal zeigen, wie schnell du schwimmen kannst!“

"Is ja gut, ich nehm’s zurück.“

"Angenommen.“

"Aber weißt du was? Mich kriegen keine zehn Pferde mehr auf das Wasser hier, geschweige denn hinein. Gleich morgen lasse ich mich auszahlen und ziehe weiter. Das ist mir ganz und gar nicht geheuer!“



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19. Per 1039 BF zur abendlichen Phexstunde
Wie Frauen werfen
Winterfest


Kapitel 6

Das Kind im Brunnen
Autor: Steinfelde