Geschichten:Drei Krähen und ein Räblein – Eine harte Lektion

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Ritterherrschaft Praiosborn, Dorf Praiosborn, 25. Rondra 1042

Zusammen mit ihren zwei Schwestern und ihrer Pagin ritt Ailsa ni Rian zum ersten Mal in das Dorf Praiosborn ein. Es sollte ihr erstes Aufeinandertreffen mit ihren Untertanen sein, obgleich wohl der ein oder andere Neugierige bereits am gestrigen Abend um ihr Lager herumgeschlichen war.

Das Dorf lag an der Straße in Richtung Uilstein, zwischen dem Klosterforst und dem Praiosborn und war um eine alte, knorrige Eiche herum errichtet worden, deren Stamm zwar vollständig hohl, aber die immer noch gut belaubt war. Es war ein mächtiger Baum von gewiss zwölf Schritt im Durchmesser, dessen schwere Äste von Holzstangen gestützt werden mussten, weil sie sonst abzubrechen drohten.

Ailsa umritt die Eiche, brachte Sadhbh zum Stehen und blickte auf ihre Untertanen hinab. Sie alle waren aus den Häusern und von den Feldern gekommen nur um sie hier willkommen zu heißen und das zauberte ein Lächeln auf ihre Wangen.

„Die Zwölfe mit euch!“, grüßte die Ritterin mit lauter Stimme, „Ich bin Ailsa ni Rian, Reichsritterin zu Praiosborn und eure neue Lehnsherrin...“

Die ersten Dorfbewohner kehrten in ihre Häuser zurück.

„... eingesetzt im Namen unserer Kaiserin Rohaja von Gareth durch ihren treuen Vasallen...“

Weitere verließen den Dorfplatz und kehrten in ihre Häuser zurück.

„... den Marktvogt Barnhelm von Rabenmund, um aufgrund der jüngsten Ereignisse...“

Andere taten es ihren Vorgängern gleich, nur noch eine einzige Frau blieb zurück, an ihrer Hand ein kleines Kind.

„... die Bewohner in der Nähe der Brache, besser vor dem zu schützen...“

„Hotti, hotti, hotti“, wiederholte das Kind an der Hand seiner Mutter immer wieder voller Freude und zeigte mit der anderen Hand auf Sadhbh.

„Ja, die Frau Reichsritterin hat ein schönes Pferd“, stimmte die Mutter zu, nahm das Kind eilige auf den Arm und verschwand in einem der Häuser. Nun war niemand mehr auf dem Dorfplatz, außer den drei Rian-Schwestern und Lorine.

Ailsas Herz schlug bis zum Hals. Ihre Kehle war staubtrocken. Sie hätte im Boden versinken wollen, auf der Stelle. Dass ihre eigenen Untertanen sie so auflaufen ließen, dass sie so... so... so widerborstig zu ihr waren... so unverschämt... so unmöglich... so... so... so. Aber was sollte sie tun? Sie konnte sie ja schlecht alle einzeln aus den Häusern ziehen. Und so brachte sie zu Ende was sie begonnen hatte, auch wenn ihr der Sinn nach etwas ganz anderem stand: „... was immer aus der Brache kommen mag.“

Hilfesuchend blickte sie zu ihren Schwestern.

Scanlail zuckte mit den Schultern: „Immerhin hat die Frau gesagt, dass Du ein schönes Pferd hast. Wenn Du es also genau betrachtest, hätte es auch noch schlimmer kommen können...“

„Sie hätten auch gleich in ihre Häuser verschwinden können…“, stimmte die Geweihte energisch nickend zu, „Oder dort bleiben!“

„Genau! Und stell Dir mal vor, die Frau hätte gesagt, Sadhbh sei hässlich!“

„Ja, jetzt stell Dir das mal vor!“

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Hoch oben in der alten knorrigen Eiche saß eine Krähe und als wollte sie den Schwestern zustimmen, machte sie: „Krâwa. Krâwa.“

Doch in den Ohren der Geweihten klang es wie: „Der Tod. Der Tod.“