Geschichten:Dornentriebe - Grenzenlose Anmut

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Aranisch-Perricumsche Grenze, Peraine 1032


Der kleine Tross bewegte sich langsam durch Dürsten-Darrenfurt auf der Strasse Richtung Marmelund. Die Hufe der Pferde wirbelten jetzt im Peraine noch wenig Staub auf, die Hitze des Sommers kündigte sich in den Landen am Barun-Ulah erst an. Die meisten der Reiter hatten sich jedoch nicht nehmen lassen, der milden Wärme entgegenkommend leichte Kleidung zu wählen. Lediglich die drei Krieger am Ende der Gruppe waren ausreichend schwer gerüstet, um eventuelle Strassenräuber abzuschrecken.

Die Spitze des Zuges bildete ein recht ungleiches Paar auf sich stark ähnelnden Pferden von schwarzem Schlag: Er war ein offenbar in die Jahre gekommener Krieger mit südlichem Teint und dem gerundeten Gesicht und Leib, den ein gutes Leben ihm beschehrt hatten. Dennoch hing an seinem Sattel ein Säbel, der in seiner schlichten Art verriet, dass er nicht zum Schmuck angeschafft worden war. Dem Rest der Kleidung nebachotischer Art des Mannes war deutlich anzusehen, dass er sich auch eine prächtigere Waffe hätte leisten können. Auch die Frau an seiner Seite war in tulamidisch beeinflußter Tracht gewandet, überragte allerdings ihren Begleiter um Haupteslänge. In ihr blondes Haar hatte sie sich ein Schleiertuch gewunden, das ihr Gesicht einrahmte. Die Art, wie sie sich auf ihrem Rappen hielt, verriet, dass sie sich im Sattel nicht unwohl fühlte.

Generell waren beide recht gut gelaunt, auch wenn der Ritt zumeist schweigend vonstatten ging. Janiha von Peirrish, die Gattin des neben ihr reitenden Edlen Acar al-Rik, war zufrieden. Ihre Bemühungen hatten Früchte getragen. Dank einiger Bekannter ihres Mannes im Süden war es endlich gelungen, eine standesgemäße Frau für ihren einzigen Sohn zu finden. Kian war allmählich in dem Alter, in dem er sich um den Fortbestand der Familie Sorgen machen sollte, auch wenn es ihm eher danach gelüstete, mit seinen Freunden und Pferden umherzuziehen.

Mißtrauisch warf sie einen Blick zurück auf den jungen Krieger, der verdrossen zwischen ihr und den Wachen ritt. Ihr Sohn war sichtlich unzufrieden. Am Abend vor dem Aufbruch aus Peirrish war es zu einem heftigen Streit gekommen. Es war nicht leicht gewesen, Acar daran zu hindern, seinen Sohn vom Hof zu jagen im Zorn. Das Tuch zwischen Eltern und Sohn war indes derzeit zerrissen: Dem Vater grollte der junge Mann dafür, daß er ihn über die Nacht hatte einsperren lassen und er nun wie ein Gefangener von den Kriegern des Edlen bewacht wurde. Und der Mutter grollte er dafür, daß sie diese Heirat eingefädelt hatte. Als sie ihm zaghaft zulächelte, antwortete er mit einem finsteren Blick. Janiha zuckte innerlich zusammen und sah wieder nach vorn. Innerlich tröstete sie sich. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Nach allem, was zu hören war, war die Braut gesund, die Mutter reich und nicht ohne Einfluss unter den anderen Haranis des Sultanats. Darüber hinaus sagte man sich, die Zukünftige ihres Sohnes sei sogar gutaussehend.

Die Grenze zu Aranien kam in Sicht. Am Übergang hielten einige Soldaten in den Waffenröcken des Markgrafen Wacht und genossen den Schatten des kleinen Wehrturms. Auf der anderen Seite wartete eine Reisegesellschaft, auch diese unter Bewachung von mehreren Bewaffneten. Als die Reiter aus dem Norden bemerkt wurden, machte man sich daran, die mitgeführte Sänfte aufzunehmen und sich unter argwöhnischen Blicken der markgräflichen Grenzer dem Schlagbaum zu nähern. Doch Acar hatte ein Schreiben dabei, das schnell alle Zweifel zerstreute.

Wenig später war man vereint und zog sich etwas vor den neugierigen Blicken der Zöllner zurück. Die Krieger der beiden Gruppen unterhielten sich raunend im Dialekt der Babur-Nebachosja, während die Adligen aus der Markgrafschaft von ihren Pferden stiegen. Neben der Sänfte stand eine Schwarzhaarige. Für eine Tulamidin war sie recht hochgewachsen und ihren Säbel mochte sie wohl zu führen verstehen. Acar trat forsch auf sie zu. "Mein Name ist Acar al-Rik und ich bin hier, die Braut meines Sohnes zu empfangen." - "Ich bin Nurhan und meine Aufgabe ist, sie zu euch zu geleiten und weiterhin zu beschützen.", stellte die Kämpferin sich vor und gleich klar, dass sie sich nicht mit den anderen Bewaffneten würde zurück schicken lassen. Dann schob sie den Vorhang der Sänfte beiseite und gab der Insassin Hilfestellung beim Aussteigen. "Dies ist Demeya saba Mirshan, Tochter uralten und edlen Blutes."

Demeya trug einen nahezu durchscheinenden Schleier, der im Licht ihr ebenmässiges Antlitz nur marginal verhüllte. Das tulamidische Gewandt aus prächtigem Damast betonte ihre Figur vorteilhaft aber nicht provokativ und bestickte Tücher wanden sich locker um Schultern und Arme, um von diesen frei herab zu fallen. Ihr langes, schwarzes Haar fiel leicht gelockt weit auf den Rücken. Den dicklichen Edlen beachtete sie gar nicht weiter sondern suchte sogleich den Blick des Sohnes. Und Kian war nicht der einzige Mann, der seine Augen nicht von ihr lassen konnte. "Dann bist du der Krieger, dem ich mein Wohlbefinden ab nun anvertraue?", fragte sie mit freundlichem Spott in der Stimme, um den etwas erstarrt wirkenden aus der Reserve zu locken. Ihre Zähne blitzten unter dem Schleiertuch sichtbar auf, als sie lächelte.

Und mit dem Lächeln starb jeder Widerstand bei dem zuvor noch so unwilligem Bräutigam. "Ja, der bin ich. Sei unbesorgt, meine Klinge wird dich stets schützen", brachte er kratzig hervor und kam sich dabei sofort wie ein dummer Junge vor. Um ihren Sohn aus der Misere zu befreien, sprang Janiha ein - von ihrem Gatten erwartete sie momentan auch nicht viel, außer vielleicht, dass er einen Anfall bekam, weil er sich übergangen fühlte. "Ich schlage vor, dass wir uns auf den Heimweg machen, wenn wir bis morgen Abend Peirrish erreichen wollen."

"Ja, wir haben schon genug Zeit verschwendet. Alles Aufsitzen, wir reiten los!" Auf Acars Befehl hin schwangen sich seine Leute wieder in die Sättel. Die Träger nahmen die Sänfte auf und reihten sich in den Trupp ein. Neben der Sänfte marschierte Nurhan. Nur die aranischen Krieger der Harani blieben zurück und machten sich nach einer Weile wieder auf den Weg zurück über den Fluß.