Geschichten:Die Würfel sind gefallen – Nachtgespenst

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Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, 1. Travia, am Abend

Nella verharrte in der Bewegung, grinste verschmitzt und erwiderte: „Ich war ganz leise, Ihr könnt mich gar nicht gehört haben. Das geht gar nicht.“

Nun musste die Geweihte schmunzeln und gestand ein: „Ich habe dich auch nicht gehört.“

Verdutzt guckte das Mädchen drein.

„Es war Nebelstreif“, erwiderte die Geweihte da, „Also, kleines Nachtgespenst, was machst du hier? Solltest du nicht in deinem Bett liegen und in Borons Armen ruhen?“

„Ja... ähm... Nein... äh... also... es... es ist so...“, sie sann nach, überlegte sichtlich angestrengt ihre nächsten Worte, „Ich kann nicht schlafen, Ihro Gnaden Nurinai.“ Sie begann ihr Nachthemd zu kneten. „Ich kann einfach nicht schlafen. Ich hab‘s versucht...“

Die Geweihte zog ihre Augenbrauen zweifelnd nach oben: „Ach?“

„Ja, wirklich! Ich hab‘s wirklich versucht. Aber... aber es geht nicht, es geht einfach nicht, wirklich nicht“, lamentierte Nella theatralisch, „Und wie kann ich auch, wenn Ihr hier draußen seid?“

Mit ihren glitzernden Kinderaugen schaute sie die Geweihte an.

„Kann... kann ich nicht bei Euch, Frau von Raukenfels und Nebelstreif bleiben?“

Nun ließ sie ihren Blick zwischen den beiden Frauen hoffend hin- und herwandern.

„Bitte...“, flehte sie unter Einsatz all ihres kindlichen Charmes, „Ich will auch ganz brav und anständig sein. Versprochen! Bitte, bitte, bitte, bitte...“

Nurinai sog hörbar die Luft ein: „Nun, Nella, ich fürchte das muss Frau von Raukenfels entscheiden...“

Da fixierte Nella mit ihren tiefbraunen Augen die Reiterin: „Werte Frau von Raukenfels, darf ich hier bei Euch, Eurem Pferd und Eurer Geweihten bleiben? Darf ich? Bitte, bitte, bitte, bitte... ?“

Einen Moment blickte die Raukenfelserin direkt in die Augen des Kindes, dann nickte sie.

Nellas Grinsen wurde breiter.

Sie trat näher heran und schaute das Pferd mit großen Augen an.

„Was hat Nebelstreif denn?“, fragte das Mädchen interessiert.

„Eine Kolik“, erwiderte Nurinai knapp.

„Hm“, machte Nella da, „Das klingt nicht gut. Was ist das?“

„Bauchschmerzen“, erklärte nun Yolande knapp, „Sehr schlimme Bauchschmerzen.“

„Arme Nebelstreif“, seufzte das Mädchen mitfühlend, „Das tut bestimmt ganz doll weh. Ich kenn das. Ich hatte auch mal schlimme Bauchschmerzen...“

„Weil du dich überfressen hast?“, vermutete Nurinai.

Nella guckte die Geweihte etwas verdutzt an, kratzte sich höchst verlegen am Kopf und erwiderte: „Hat Nebelstreif sich denn überfressen?“

Yolande schüttele energisch den Kopf: „Nein.“

„Vielleicht hat sie aber etwas gefressen, was ihr nicht gut tat?“, vermutete die Geweihte, „Das wäre durchaus möglich...“

Wieder schüttelte die Raukenfelserin ihren Kopf: „Sie hat nur das gefressen, was sie sonst auch bekommt.“

„Wie nah seid Ihr an der Brache entlang geritten? Vielleicht hat sie etwas von dem Gras gefressen?“

„Das mögen nicht mal meine Schafe!“, stimmte Nella eifrig nickend zu.

Erneutes Kopfschütteln.

„Hm...“, machte Nurinai da, „Vielleicht ist in der letzten Zeit irgendetwas ungewöhnliches vorgefallen? Pferde können sehr feinfühlig sein, sie nehmen viel mehr wahr als wir gl...“

Yolande schüttelte auch dieses mal den Kopf.

„Ihr macht mich ratlos...“, seufzte Nurinai schwer.

„Dann lacht doch einfach!“, erwiderte die Raukenfelserin verschmitzt.

Nurinai schüttelte schmunzelnd ihren Kopf: „Ihr seid mir eine...“

„Nella, findest du nicht auch, dass Ihro Gnaden ein schönes Lachen hat?“

Das Mädchen, das sich inzwischen unbemerkt über die Mahlzeit der beiden hohen Damen hergemacht hatte, stopfte sich eilig den Rest des einen süßen Küchleins in den Mund, während es das andere noch in der Hand hielt. Sie nickte energisch: „Doch. Doch.“

Yolande nickte schelmisch, aber zufrieden. Nurinais Wangen glühten, auch wenn sie es zu verbergen sucht. Und Nella kümmerte sich um das zweite Küchlein, weil sie einfach nicht zulassen konnte, dass es schlecht wurde. So etwas war ja auch unverantwortlich. Absolut unverantwortlich. Und so erfüllte sie diese hohe Pflicht sehr gewissenhaft, obgleich es ihr alles, einfach alles abverlangte...