Geschichten:Die Türme von Rond

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Ritterherrschaft Falkenhof in der Grafschaft Eslamsgrund. Im Jahre 1035 BF

Gelangweilt, aber dennoch gewissenhaft ließ Kunibald den öligen Lappen an der geschliffenen Schwertklinge entlang gleiten. Einige Male wiederholt er diese Prozedur und betrachtete dann im Feuerschein seine getane Arbeit. Die Klinge seines Schwertvaters glänzte feurig auf, als er den Stahl im Licht kippte. Die Scharten waren noch als minimale Kerben zu erkennen, aber das war seinem Herren gut genug. „Ein Schwert muss benutzt aussehen…“ pflegte der Ritter immer seinen Knappen zu sagen. „…sonst denkt man noch, du könntest damit nicht umgehen.“

Nachdem er die Arbeit am Schwert beendet hatte, nahm er sich das metallene Schild vor. Es hatte einige Macken und Schrammen davon getragen, aber die zwei roten Türme über den Wellen auf weißen Grund waren gut zu erkennen. Mit schief gelegtem Kopf, betrachtete er nachdenklich die Bemalung des Wappens.

„Desto früher du damit fertig bist, desto früher kannst du mit in den Zuber steigen.“ riss Angrist von Rond seinen Knappen aus den Gedanken, als er den Raum betrat. Die nassen Haare seines Schwertvaters verrieten Kunibald, dass dieser bereits ein erholsames Bad genießen konnte. Seufzend nahm Angrist in einem Sessel nahe des Kaminfeuers Platz und streckte die Beine aus.

„Ich habe mich gefragt, warum euer Wappen zwei Türme zieren, Herr. Als wir euren Bruder in Rond besucht hatten, habe ich keine Türme gesehen.“ wunderte sich Kunibald.

„Mit der Entstehung des Wappens hat es auch mehr auf sich, als einfach nur die Abbildung von Gebäuden. Ich erzähl dir die Geschichte, aber du erledigst währenddessen deine Arbeit.“ Nickend nahm Kunibald den Lappen auf und begann gröbste Verschmutzungen vom Wappenschild zu entfernen.


„Vor vielen Jahrhunderten gab es in dieser Region einen Grafen, der suchte einen neuen Heerführer für seine Truppen. Er lag nämlich im Krieg mit einer verfeindeten Familie, und wollte gegen sie zu Felde ziehen. Darum beschloss er eine Turnei abzuhalten, damit der beste Kämpfer auch das Recht haben durfte seine Truppen anzuführen. An dem Turnier nahmen auch zwei unbekannte Gestalten teil, die sich anonymer weise als Roter und Weißer Ritter ausgaben. Ihre wahre Herkunft ist bis heute ungeklärt geblieben.
Schließlich hatten sie alle Kontrahenten bezwungen und landeten beide im Finale. Doch sie weigerten sich gegeneinander zu kämpfen. Auf Nachfragen des Grafen, warum sie dies täten, offenbarten sie ihm, dass sie Brüder seien.
Der Graf aber meinte, dass sie dennoch kämpfen müssten, denn es konnte nur einen Sieger geben. Also traten sie gegeneinander an und kämpften beide verbissen um den Sieg. Wie von der Leuin beseelt fochten beide bis in die Dunkelheit hinein, doch noch immer war kein Sieger an diesem gleichwertigen Duell auszumachen. Als beide völligst erschöpft und kurz vorm Zusammenbrechen waren, beendete der Graf den Kampf und erklärte sie zu Siegern. Sie hatten beide das Recht erstritten die Truppen anzuführen, also durften jeder jeweils die Hälfte der Truppen kommandieren. Ihre Namen wollten sie immer noch nicht nennen, darum nannten sie die Leute sie Gebrüder Rondras.
Also führten die neuen Heerführer ihre Truppen an den Fluss, der die Reiche voneinander trennte. Dort mussten sie aber feststellen, dass der Feind das andere Flussufer bereits besetzt hatte, und die ankommenden Truppen erwartete. Ein Übersetzen war also unmöglich, da sie so zu viele Verluste haben würden. Dennoch ließen sich die Brüder nicht davon abbringen den Heerzug so schnell zu beenden, also erdachten sie sich einer kühnen List. Im Schutze der Nacht setzten sie allein heimlich auf das feindliche Ufer über, und fielen über die überraschten Soldaten her. Sie konnten heillose Verwirrung im feindlichen Lager stiften und die Aufmerksamkeit vom anderen Ufer ablenken, so dass die eigenen Truppen unbeschadet übersetzen und so schließlich den Feind zurück schlagen konnten.
Nach der Schlacht berichteten die Kämpfer, dass die Brüder bereits von der anderen Uferböschung über dem Wasser hinweg zu sehen waren, wie sie vereint sich der feindlichen Überzahl widersetzen und standhaft wie zwei Türme ihre Position verteidigten.
Als der Krieg dann vorbei war, ernannte sie der Graf zu Rittern, da sie scheinbar nicht von adeligen Geblüt waren, aber ihren Mut dennoch mehr als bewiesen hatten. Und ebendiese Bild, das sich bei den eigenen Kämpfern eingeprägt hatte, nahmen sie als Wappen. Die Türme von Rond….“


Gespannt hatte Kunibald der Geschichte gelauscht, wobei er völlig das Reinigen des Wappenschildes vernachlässigt hatte. Ein mahnender Blick seines Herren ließ ihn jedoch seine Arbeit wieder aufnehmen. „Und was ist aus den Brüdern geworden?“

Angrist seufzte schwer, als würde jetzt der unangenehme Teil der Geschichte folgen.


„Nun, der Graf gab den Brüdern nicht nur Titel, sondern auch Lehen. Eines der Dörfer nannten sie übrigens, ihrer Familie zu Ehren, Rond.
Leider hatte der Graf angenommen, da die Brüder sich so vereint auf dem Schlachtfeld erwiesen hatten, dass dies auch auf dem Lehen geschehen würde. Aber sobald sich Reichtum mit Macht vereint, kann es nicht mehrere an der Spitze geben. Sie entzweiten sich mit der Zeit und führten bald eine Fehde gegeneinander. Auch wenn sie nicht viele Untertanen hatten, führten sie bald einen kleinen Krieg gegeneinander, und der eine tötete schließlich den anderen.“

Kunibald schaute zuerst seinen Herren abwartend an. Als er bemerkte, dass die Geschichte scheinbar so endete, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Schild zu. Die Frage, ob es dann nicht besser wäre nur einen Turm auf dem Schild abzubilden, verdrängte er rasch wieder. „Ist das so passiert?“

Angrist zuckte schmunzelnd mit den Schultern. „Wer weiß das schon. Vieles wird mit der Zeit verzerrt, vor allem wenn es um Legenden geht. Die Grundzüge könnten aber stimmen. Ich glaube jedenfalls nicht, dass sie auf diese Weise beim Turnier mitgemacht haben, oder dass sie wirklich völlig allein auf dem feindlichen Ufer landeten, aber eines stimmt mit Sicherheit…egal wie sehr man sich liebt, wenn die Motivation stimmt, kann aus besten Freunden, ärgste Feinde werden.“ Ausdruckslos blickte Angrist in die Flammen und schwieg darauf.

Etwas in Kunibald sagte ihm, seinen Herren nicht weiter mit Fragen zu belästigen, und wandte sich wieder den „Türmen von Rond“ zu.