Geschichten:Die Rückkehr der Pfortensteiner - Waldsteiner Marodeure

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Ende Peraine 1044 BF, Burg Pfortenstein, zur Mittagsstunde

Alt-Junkerin Laudine von Immingen war unruhig. Seit zwei Nächten schon hatte sie schlecht geschlafen. Die Nachricht über den Angriff auf das Gut Blaustein hatte sie alle schockiert. Jeder in der Familie hatte fest damit gerechnet, dass die Besitzungen auf kaiserlichem Gebiet vor den Angriffen der Erlenfaller sicher sein würden. Zumal die Pfortensteinern ihren Gegnern im Fehdebrief eben diese Sicherheiten auch zugesagt hatten. Doch wie es schien, war die Fehdepartei aus Schwarztannen an einer regelgerechten Fortführung der Auseinandersetzung nicht mehr interessiert. Das war mehr als bedenklich.

Laudines Sohn Irion, Vogt über die Pfortensteiner Stammlande und nach Junker Rondradan die Nummer zwei in der Familienhierarchie, hatte alles stehen und liegen gelassen und war sofort nach Blaufelden aufgebrochen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Immerhin lagerte ein guter Teil der in der Fehde erbeuteten Güter in den Lagerhäusern von Gut Blaustein, um von dort aus in Hornbach und Nuzell oder nach Gareth verkauft zu werden. Natürlich ritt Irion auch, um sich nach dem Wohlbefinden seiner Schwester und seiner neugeborenen Nichte zu erkundigen. Vielleicht würde es in Anbetracht der Umstände doch notwendig sein, die Familienmitglieder hinter den Mauern von Burg Pfortenstein zu versammeln, wenn der Feind begann derart unritterlich vorzugehen. Auf jeden Fall wollte man vor dem Pfalzgrafen von Randersburg Klage führen, hatte der Angriff doch in seinem Zuständigkeitsbereich stattgefunden.

Nun saß Irions Mutter bereits den dritten Tag mit sorgenvoller Miene in Gesellschaft der Burgvögtin Yassia und dem kleinen Junker Ludolf, der auf der großen Tafel mit seinen hölzernen Ritterfiguren Turniere ausfocht, an ihrer Stickerei, auf die sie sich aber kaum richtig zu konzentrieren vermochte. Einmal schreckte sie auf, weil sie glaubte die Torwache rufen zu hören, doch bleib es danach wieder ruhig. Erst ein halbes Stundenglas später, da hatte sie die Aufregung bereits wieder vergessen, öffnete sich die Tür zum großen Saal und Laudines Tochter Olmerga trat herein. Schon am sorgenvollen Gesichtsausdruck erkannte die Alt-Junkerin, dass etwas vorgefallen sein musste. Sie ließ die Stickerei auf ihren Schoß sinken und wappnete sich innerlich für das was kommen möge. Auch Yassia und der kleine Ludolf schauten gespannt auf.

„Mutter“, begann die Ritterin unsicher und nahm die Hand der alten Frau, „ich muss dir leider eine schlimme Nachricht überbringen.“ Sie atmete noch einmal durch und brachte es dann hinter sich. „Irion ist tot.“

Die Miene der Immingerin blieb wie versteinert, während die Seelenpein, die diese Botschaft ihr brachte, sie schier zerreißen wollte. Im Hintergrund hörte man die Burgvögtin überrascht nach Luft schnappen, nur um dann eilig ihren Sohn in den Arm zu nehmen, der sich Schutz suchend auf ihren Schoß drängte.

„Wie? Wann und wo ist er gestorben?“, fragte Laudine tonlos.

„Er und die beiden Waffenknechte die ihn begleitet haben wurden in der Nähe von Radulfsfelden gefunden. Direkt an der Wegscheide nach Hügelwacht.“ Olmerga stockte kurz bevor sie ins Detail ging. „Sie wurden alle drei mit Bolzen getötet. Wohl aus dem Hinterhalt erschossen, denn ihre Waffen steckten noch in den Scheiden.“

„Wer was es? Wer tut so etwas und warum?“

„Der Bote, der die Nachricht brachte, meinte, man habe die Toten wohl erst nach Stunden gefunden, als ihre herrenlosen Pferde von einem Bauern entdeckt wurden. Wegen der letzten Angriffe des Hardt auf die angrenzenden Uslenrieder Ländereien war zuletzt wenig reisendes Volk auf diesen Wegen unterwegs, weswegen niemand die Angreifer oder die Tat gesehen hat. Die einzigen anderen frischen Hufspuren die man im Schlamm der Straße gefunden hat, führten aber in Richtung der Wiesengrunder Ländereien.“ Die Ritterin zuckte hilflos mit den Schultern. „Entweder waren es als Waldsteiner Marodeure, so wie jene die im letzten Rondra Radulfsfelden überfallen haben. Oder jemand wollte es so aussehen lassen, dass es die Waldsteiner gewesen wären.“

„Was glaubst du, Tochter? Wer hat deinen Bruder auf dem Gewissen?“

„Ich glaube nicht an Marodeure“, antwortete Olmerga bitter. „Den Toten wurde nichts geraubt. Wie gesagt, sie trugen selbst ihre Waffen noch bei sich. Ich denke wir müssen davon ausgehen, dass es die Erlenfaller waren. Genau wie in Blaufelden. Doch beweisen können wir es ihnen diesmal nicht.“ Wütend schlug sie ihre rechte Faust in die linke Handfläche.

„Aber wir müssen doch etwas unternehmen.“ Laudines Stimme brach und fast flüsternd fuhr sie fort, während eine einzelne Träne über ihre rechte Wange lief „Soll sein Tod denn ungesühnt bleiben?“

„Wir können nichts tun außer beten, Mutter.“ Die Worte der Ritterin klangen hart, denn sie war es gewohnt hart gegen sich zu sein und ihre Gefühle den Notwendigkeiten hinten anzustellen. „Beten, dass die Götter die Schuldigen strafen werden.“