Geschichten:Die Gneppeldotzin - Im Auftrag der Ewigjungen

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Festung Feidewald, 6. Rondra 1010 BF

Heldchen, ich brauche deine Hilfe, sofort!“, schallte Mutters Stimme durch den Burggarten, wo die Kinder in wildem Spielgetümmel mit ihren hölzernen Schwertern aufeinander eindroschen. Irmhelde, die ihren kleinen Bruder Alrik mit gekonnten Hieben schon systematisch in die Ecke zwischen Quittenbaum und Gartenmauer gedrängt hatte, hielt beim Ruf ihrer Mutter inne und ließ die Waffe sinken, was ihr Gegner natürlich sofort ausnutzte und seinerseits herzhaft zuhaute.

„Au! Du Drecksack, das kriegst du zurück!“ Irmhelde wollte sich von jäher Wut gepackt auf ihn stürzen, da ertönte erneut der mütterliche Ruf: „Irmhelde, hast du nicht gehört? Es eilt!“

Statt dem hinterhältigen Kerlchen also sofort eine Lektion zu erteilen, zischte sie ihm nur zu: „Ich krieg dich noch!“, was dieser seinerseits mit einem frechen Grinsen und einer herausgestreckten Zunge quittierte, bevor er machte, dass er fortkam. Lauter rief das Mädchen dann: „Ja, Mutter. Was ist denn?“

„Ich muss sofort in den Palas“, erklärte diese schnell, „Bei Ihrer Hochwohlgeboren haben die Wehen eingesetzt.“

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vier Wochen zuvor

„Du bist alt genug dafür. Wenn dein Vater dir schon beibringt, wie man rondragefällig Leute zu Boron zu schickt, noch bevor du Knappin bist, dann solltest du auch wissen, wie man Tsas Segen mit Peraines Gaben ans Derenlicht hilft“, hatte Radegunde von Gerstungen vor gut einem Mond mit großer Bestimmtheit festgelegt, und ihre Tochter zum ersten Mal mitgenommen, als sie der gräflichen Steuereinnehmerin Davina von Stolzenfurt bei der Geburt ihres ersten Kindes beigestanden hatte. Das Ganze hatte sich über Stunden gezogen und wenn Irmhelde nicht gerade ihrer Mutter dies und jenes aus der Tasche reichte, der Gebärenden mit einem feuchten Lappen Gesicht und Stirn kühlte oder die wirren Haare aus dem Gesicht strich, wartete sie still in einer Zimmerecke und lauschte ohne sonderliche Begeisterung Mutters leisen Erklärungen zu all dem, was da gerade vor sich ging.

Als das Kind – ein Junge – schließlich doch heraus war, hatte Irmhelde dieses im ersten Moment unwillkürlich an die frisch gehäuteten Stallhasen erinnert, die manchmal an den Haken draußen neben der Tür der Schwarzküche hängend darauf warteten, als Braten auf der gräflichen Tafel zu landen; ein Gedanke, bei dem ihr so schlagartig wie irritierend bewusst wurde, dass sie fast den ganzen Tag lang nichts gegessen hatte und ihr Magen knurrte wie eine wilde Bestie. Dann hatte Mutter dem blutigen Bündel einen Klaps gegeben, woraufhin es, sehr zur Erleichterung der Stolzenfurt, angefangen hatte zu schreien und zu zappeln.

Später war der Kindsvater, Hoerwahrd von Schwingenfels, gekommen und Mutter hatte ihm den mittlerweile gewaschenen und in wärmende Tücher eingewickelten Sohn überreicht.

„Schau sie dir an, Helmchen“, hatte Mutter geflüstert, als sie dann leise ihre Sachen zusammenpackten, um die junge Familie allein zu lassen. „Ihre Augen, ihre Gesichter! Hier siehst du reines Glück - das wahre Göttergeschenk! Dies immer wieder mitzuerleben, dafür schon lohnt sich dieses Tun.“

Ein Gähnen unterdrückend hatte Irmhelde pflichtschuldig genickt, wobei ihr Kopf allerdings um eine andere Frage gekreist war: Wann gab es endlich etwas zu essen?

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6. Rondra 1010 BF

„Pack meine Tasche zusammen und bring sie mir nach! Und trödele nicht herum, hörst du?“, schallten Mutters letzte Anweisungen, bevor sie in Richtung Grafenresidenz verschwand.

Irmhelde nickte gehorsam und machte sich hastig auf über den Hof zum Haus der Burgsassen, in dem ihre Familie zwei Kammern bewohnte. Dort zerrte sie aus der buntbemalten Truhe am Fußende des elterlichen Bettes die große Ledertasche hervor und steckte all die Utensilien hinein, die ihre Mutter für ihre Tätigkeit benötigen würde: das hölzerne Hörrohr, den Fetttiegel, Leinentücher und Kompressen, Schere, Bürsten, Klemmen und Zangen, Nadel und Faden, die Salbenbüchsen, die Flasche mit dem dreifach destillierten Alcohol, das lederumwickelte Beißholz,...

Als Irmhelde mit der gefüllten Tasche unter dem Arm und schon halb zur Türe hinaus war, hielt sie jedoch inne. Hatte Mutter nicht einmal erzählt, dass es schon ein wenig ungewöhnlich für Frauen im Alter Gräfin Thuronias war, noch Kinder zu bekommen, und dass es bei solchen Geburten häufiger Schwierigkeiten gab? Das konnte also dauern und vielleicht sollte sie sich darum lieber etwas zu Essen einstecken, bevor sie wieder halb verhungerte? So kehrte sie wieder um und stopfte kurzerhand noch einen Kanten aus dem Brotkasten in die Tasche ihres Pagenwamses. Sicher war sicher.

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ein paar Stunden später

Nachdem sie das Zimmer verlassen hatten, in welchem Gräfin Thuronia von Quintian-Quandt gerade ihr fünftes Kind geboren hatte, erkundigte sich Pagol von Bregelsaum sofort bei Mutter mit erwartungsvoll bebender Stimme: „Und? Was ist es?“

„Eine kleine Maid, Hochwohlgeboren. Etwas zart, aber ansonsten gesund und munter, möchte ich meinen.“

„Ein Mädchen? Wunderbar. Das ist nach vier Buben doch mal was Neues!“, freute sich der gräfliche Gemahl sichtlich. „Und die Mutter?“

„Die Herrin Tsa hat es Eurer Gemahlin wahrlich leicht gemacht und mit ein paar Tagen Ruhe wird sie alles gut überstanden haben.“

„Der Allesspendenden sei Dank – und Euch natürlich auch für Eure Mühe.“

„Wie soll Eure Tochter denn heißen?“, erkundigte sich die Hebamme noch.

„Das wird Euch sicher gefallen“, schmunzelte der frischgebackene Vater: „Tsalinde.“


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6. Ron 1010 BF spät am Mittag
Im Auftrag der Ewigjungen
Feidewalder Wildfang


Kapitel 2

Der schöne Gerding
Autor: Steinfelde