Geschichten:Die Faust des Grafen - Aufmarsch

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Burg Orbetreu, 16. Peraine 1031 BF


Hadrumir stand auf dem „Schwarzen Turm“. Neben ihm standen Ludegar, die Hauptleute und der Dorfschulze Lechdan. Über ihnen wehte das Kriegsbanner der Familie Schwingenfels. Hadrumirs Miene wirkte entschlossen, während neben ihm Ludegar nervös auf der Stelle trat, wie ein junges Rennpferd vor dem ersten Rennen.

In der Ferne konnten sie das feindliche Heer aufmarschieren sehen. Die Soldaten betraten das Dorf Orbetreu. Kurz darauf stiegen Flammen von den Höfen auf. Lechdan schrie auf: „Diese feigen Bastarde!“

Hadrumir wandte seinen Kopf zur Seite. „Nun, Geismar scheint von vornherein, klar machen zu wollen, was die Stunde geschlagen hat.“

Mittlerweile konnte man die Banner des Heeres erkennen. Das Wagenrad und die Sackwaage des Hauses Quintian-Quandt neben den Schwingen der Schwingenfelser, dem Hufeisen der Familie Grabandt und dem geflügelten Einhorn dieses Almadaners, dessen Dienste sich der Graf seit neuestem all zu gerne sicherte.

Ludegar wandte sich an Hadrumir: „Das dieser Drecksack Ludorand sich an dieser Scharade beteiligen würde, war nicht anders zu antworten, aber was machen die Grabandts hier?“

Hadrumir richtete seine Rüstung. „Wir werden es wohl bald erfahren!“ Mit diesen Worten deutete er auf eine Gruppe Reiter, welche sich der Burg mit Parlamentärsflagge näherten.

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Ulmenbert von Grabandt ritt zielstrebig auf die Burg zu. An ihm war es, dem Schwingenfelser mehr oder weniger zur Kapitulation aufzufordern und sich in die „Obhut“ Geismars nach Feidewald zu begeben. ‚Eigentlich brauche ich mir darüber keine Sorgen zu machen’ dachte er für sich. ‚Egal welche Worte ich an den Schwingenfelser richten werde, er wird nicht einlenken.’ Der Marsch nach Orbetreu war glücklicherweise ohne größere Zwischenfälle verlaufen, nicht zuletzt, da Boraccio seine Truppe recht gut im Griff zu haben schien. Ab jetzt rechnete er mit einem weniger reibungslosen Ablauf.

Während sie sich dem Burgtor näherten, gingen in ihrem Rücken einige Gehöfte in Flammen auf. Ulmenbert runzelte ärgerlich die Stirn. Die Befehle in dieser Hinsicht waren mehr als eindeutig gewesen und es wollte nicht recht zu seinem bisherigen Bild der Sturmfalken passen. Am Wehrgang konnte man einige Gestalten erkennen, aber es war nicht zu erkennen, ob sich der Schwingenfelser selbst unter ihnen befand. Mit einem Nicken zu Ludorand und Boraccio lenkte er sein Pferd einige Schritt vor die jetzt wartende Gruppe weiter Richtung Burgtor, ehe auch er anhielt.

Nachdem er einige Augenblick verharrte und seinen Blick nochmals über die Zinnen schweifen ließ und sich der waffenstarrenden Burg bewusst wurde, erhob er seine Stimme: „Hadrumir von Schwingenfels! Im Namen seiner Hochwohlgeboren Graf Geismars fordere ich, Ulmenbert von Grabandt, Euch ultimativ auf, Euch unverzüglich nach Feidewald zu begeben. Dort werdet Ihr das Urteil des Grafen für Eure Taten empfangen. Widersetzt Ihr Euch, sehen wir uns leider gezwungen, dem Willen des Grafen mit dem Schwert Nachdruck zu verleihen! Wie lautet Eure Antwort?“

‚Ich würde ja vor Wut kochen wenn jemand so vor meine Burg ziehen würde. Mal sehen wie die Ablehnung ausfällt.’ dachte er, während er den Wehrgang nicht aus den Augen ließ. Von den Zinnen kam jedoch keine Reaktion. In der Burg ging man scheinbar dem gewohnten Werk weiter nach. Ulmenbert fragte sich, ob der Schwingenfelser beschlossen hatte, ihn einfach zu ignorieren.

Betont lässig stieg Hadrumir die Treppe zur Mauer hinauf. Voltan hatte ihm von der vor den Toren der Burg verkündeten Forderung berichtet. Er beobachtete einen Moment die Gruppe vor dem Tor, ehe er rief: „Von jemandem wie Euch lasse ich mich zu gar nichts fordern, Grabandt! Und wenn Geismar eine Forderung an mich hat, dann soll er gefälligst selbst hierher kommen und nicht irgendwelche Stallburschen schicken. Ich rieche den Dreck der Gosse, aus der Eure Familie gekrochen ist, drei Meilen gegen den Wind! Verschwindet unverzüglich wieder in den Dreck, aus dem Ihr gekommen seid! Und wenn Ihr schon dabei seid, nehmt diesen almadanischen Abschaum und dieses Subjekt, welches wagt, den Namen meiner Familie im Namen zu führen, gleich mit!“

Ulmenbert zuckte wie unter einem unsichtbaren Hieb zusammen und sammelte sich mühsam wieder. „Ihr… Ihr werdet schon bald mehr Erfahrung mit diesem Dreck haben als meine Vorfahren es je hatten. Auch mit Eurer langen Ahnenreihe, die euch nichts mehr nutzt. Wenn Ihr sie euch übrigens noch einmal genau anschaut wird Euch vielleicht sogar auffallen, dass die Hauptlinie nur noch dank einer Grabandtschen Blutauffrischung existiert. Oder ist das Eurer Erinnerung „entfallen“?“ giftete Ulmenbert immer mehr in Schwung kommend zurück.

„Offensichtlich war dieses Vorgehen meiner Familie, Anstand und Würde des Rittertums in Euren Reihen zu verbreiten, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine bedauerliche Fehleinschätzung! Dies beweist Ihr nur zu deutlich!“ Hadrumir hatte genug von diesem kläffenden Köter. „Ihr wollt Geismars Forderungen durchsetzen? Dann kommt und versucht es!“ Hadrumir verlies den Wehrgang.

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Boraccio hatte sich den Auftritt vor dem Tor geschenkt, war doch abzusehen, dass es außer einem Austausch von Beleidigungen nichts zu sehen gab. Stattdessen hatte er bereits den Wagen mit dem vorbereiteten Rammbock vorkommen lassen und lies den mächtigen Eichenstamm, an den man Querstangen zum Tragen genagelt hatte, aufnehmen. Fast zwei Dutzend Soldaten mühten sich mit dem schweren Gerät ab, während andere die vorbereiteten Schilde aufnahmen, um ihre Kameraden zu decken.

Noch während vor dem Tor gesprochen wurde, arbeitete sich der Trupp langsam durch die eigenen Reihen vor. Als Boraccio entschied, dass genug Höflichkeiten ausgetauscht worden waren, gab er den Befehl zum Angriff. Im Laufschritt brach die Gruppe mit dem Rammbock aus der Reihe der Belagerer hervor, umringt von Schildträgern, die versuchten nach oben Deckung zu geben. In der Burg schien man mit einer so eiligen Eröffnung des tödlichen Tanzes nicht gerechnet zu haben, es flogen zunächst nur wenige Pfeile, Bolzen und Speere über die Brüstung. Tatsächlich schaffte es die Mannschaft zunächst relativ unbehelligt bis vor das Tor. Ohne anzuhalten rannte man den Schwung des Ansturms ausnutzend mit lautem Gebrüll gegen das Tor.

Ein dumpfes Dröhnen ertönte und das Tor zitterte in seinen Angeln. Die Angreifer gingen ein paar Meter zurück und rannten erneut gegen das Tor. Oben hinter den Zinnen begann nun deutlich Leben in die Reihen der Verteidiger zu kommen. Mehr Pfeile regneten auf die Angreifer nieder und Steine wurden nach unten geworfen. Die meisten der Geschosse prallten allerdings am schützenden Dach der Schilde ab. Aus den Reihen der Belagerer flogen nun auch Pfeile und Bolzen in Richtung der Zinnen. Vor den vordersten Reihen stellte man Setzschilde auf, hinter denen sich Armbrustschützen verschanzten. Derweil krachte immer wieder der Bock gegen das Tor, ohne allerdings große Wirkung zu zeigen. An der Brüstung begann man nun einen großen Kessel auf die Mauer zu hieven.

Simyane hielt sich hinter einem Baum auf und betrachtete aus ihren unergründlichen schrägen Augen das blutige Schauspiel der Rosenohren ohne einzugreifen. Ihrem scharfen Blick entging nicht, dass man anscheinend einen Kessel über den Anstürmenden ausleeren wollte. Sie nahm ihren schlanken, mit Federn geschmückten Bogen zur Hand und legte einen silberbefiederten Pfeil auf die Sehne. Ihr Blick blieb auf einem der beiden Menschen hängen, die den schweren Kessel über die Mauer wuchteten. Fast unhörbar summte sie eine alte Melodie und ihr Geist wurde eins mit dem Pfeil und der Beute. Das Geschoß schnellte von der Sehne ... und bohrte sich durch den Hals des Ziels. Gurgelnd brach der Getroffene zusammen und lies seine Seite des Kessels los. Auf der anderen Seite konnte sein Kamerad das Gewicht des vollen Kessels nicht halten und der Kessel rollte samt Inhalt wieder zurück hinter die Brüstung, von wo nun Schreie zu hören waren, als sich der kochende Inhalt des Kessel über die Verteidiger ergoß. Zufrieden setzte Simyane ihren Bogen wieder ab und sah interessiert den boroborinoi zu, die gerade damit begannen aus den bearbeiteten Holzbalken, die sie von einem Wagen abgeladen hatten, einen seltsame Konstruktion aufzubauen.

Elgor Karstrand hatte sich mit seiner Gandrasch auf dem Wehrgang positioniert. Mit all seiner Ruhe lag er auf der Lauer. Ohne mit der Wimper zu zucken, ließ er seine Bolzen auf die Angreifer niederprasseln. Sein Blick fiel auf zwei Männer, welche einen Kessel in Stellung bringen wollten. Elgor hatte seine Gandrasch erneut gespannt und hielt auf den vordersten Träger der Ramme an. Just in dem Moment, als sein Bolzen losschoss, fiel einer der Kesselträger von einem Pfeil getroffen tot zu Boden. Elgor verfluchte sich innerlich, dass er den Scharfschützen nicht vorher bemerkt hatte.

Vor dem Tor begann das Bombardement von oben immer mehr seinen Tribut zu fordern. Leute brachen von Steinen oder Pfeilen getroffen zusammen, das Dach aus Schilden begann sich zu lichten und immer mehr Träger am Rammbock wurden getroffen. Das Tor aber schien nicht einen fingernagelbreit nachgeben zu wollen. Boraccio befand, dass es Zeit war sich einen anderen Plan zu überlegen und ordnete den Rückzug an. Einige Söldner stürmten vor, um ihre verwundeten Kameraden zu bergen oder den Rammbock zurück in ihre Reihen zu tragen. Jacopo, der die ganze Zeit neben seinem Hauptmann gestanden hatte, zuckte mit den Schultern „Wäre ja auch zu einfach gewesen, für irgendwas müssen wir die Zwerge ja geholt haben.“ Vor dem Tor kehrte trügerische Ruhe ein.

Hadrumir hatte mit stoischer Ruhe die Angriffe auf das Tor beobachtet. Routiniert gab er die Anweisungen an seine Männer weiter. Als Bewegung in die Männer kam, setzte das Bombardement mit aller Gewalt an. Ludegar neben ihm war aufgeregt. „Es funktioniert!“ frohlockte er zuversichtlich, doch Hadrumir wusste innerlich, dass die Belagerer gerade erst am Anfang ihrer Bemühungen standen.

Heidelinde starrte entsetzt auf die Söldner, die sich verletzt vom Tor weggeschleppt hatten. Einige hatten Pfeile in verschiedenen Teilen ihres Körpers stecken, andere gebrochene Gliedmaße, wo sie von Steinen getroffen worden waren. Nach einigen Augenblicken des ungläubigen Starrens besann sie sich. Sie sandte ein kurzes Gebet zur gütigen Göttin, danach wühlte sie in ihrer Tasche und holte einige Verbände raus. Kurzentschlossen begann sie einige der Verwundeten zu verbinden. Nachdem sie einige Verletzte versorgt hatte, kam sie zu einem am Boden liegenden Soldaten, in dessen Rumpf ein Pfeil steckte. Bislang hatte sie Pfeile nur im erlegten Wild der Herrschaft gesehen und so stand die junge Geweihte etwas ratlos vor ihrem neuen Patienten. Dann griff sie den Pfeil und machte Anstalten ihn mit einem Ruck heraus zu ziehen.

„HALT!!! Was machst Du denn für einen Unfug??!“ Erschrocken lies Heideline von dem Pfeil ab. Ein alter Mann, an Hautfarbe und Turban unschwer als Tulamide zu erkennen, humpelte zu Ihr hin. „Oh Du Tochter der Einfalt! Wie oft habe ich Euch Täubchen schon gesagt, dass ... Oh, verzeiht, Euer Gnaden.“

Der Tulamide wirkte plötzlich verlegen, als er erkannte, mit wem er es zu tun hatte. „Ähm ... Euer Gnaden haben nicht viel Erfahrung mit Pfeilwunden, oder?“

Heidelinde schüttelte den Kopf. „Ihr könnt mir zur Hand gehen.“

Der Mann öffnete seine Tasche und förderte zwei Wundhaken und ein seltsames Gerät, dass wie eine sehr flache Pfeilspitze aussah, die man vorne umgebogen hatte, zu Tage. „Seht Ihr, am Besten schlägt man den Pfeil ganz durch, dann bleiben die Widerhaken nicht stecken.“ dozierte er. „Aber in diesem Fall würden wir den Pfeil weiter in den Körper treiben. Also müssen wir ihn rausholen.“

Eine weitere Frau trat hinzu, ebenfalls von südländischem Aussehen. Die recht freizügige Zurschaustellung ihrer von Rahja verliehenen Gaben lies Heidelinde erröten.

„Ah Shayla, mein Täubchen! Sei so doch gut und gib dem armen Kerl hier ein wenig von Radschas Gaben.“

Heidelinde blickte entsetzt von dem Tulamiden auf die Frau, aber zu ihrer Erleichterung holte diese einen Tonkrug hervor und begann dem Patienten daraus einzuflößen. Der scharfe Geruch lies wenig Zweifel am Inhalt des Kruges aufkommen.

„Also, wenn Euer Gnaden mir helfen wollen? Ihr müsstet mit den Haken vorsichtig die Wunde ein wenig auseinander ziehen, damit ich an der Pfeilspitze entlang gehen kann und die Spitze unten zu fassen kriege. Schafft Ihr das?“

Heidelinde schluckte, nickte dann aber tapfer. Bislang hatte sie nur Bauern auf dem Dorf zu verarzten gehabt.

„Nur ruhig Blut, mein Kind. Eure Göttin wird Euch schon beistehen.“

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Aus der Richtung des Dorfes bewegte sich eine Kolonne von Menschen in Richtung der Burg. Es handelte sich um Bauern, die mit Schaufeln und Haken ausgerüstet waren. Bewacht wurden sie von einem Trupp Landsknechte, die gelegentlich einen Unwilligen mit dem Stiel ihres Hakenspieß antrieben. Einer der Söldner bahnte sich ei-nen Weg durch das geschäftige Treiben, das mittlerweile vor der Burg herrschte, und trat vor Boraccio.

„Capitan, Segeanta Zafira lässt ausrichten, dass alles unter Kontrolle ist und sendet Euch ein kleines Geschenk.“ Dabei deutete er in Richtung der Bauern.

„Alles unter Kontrolle?“ fragte Boraccio und sah dabei zu den Rauchsäulen, die in Richtung der Höfe zu sehen waren.

„Ach, das ist nichts. Ein paar der Fellachen waren etwas störrisch und haben sich verschanzt. Da mussten wir sie ein wenig ausräuchern. Nichts besonderes, nur zwei, drei Scheunen ...“

„Verstehe“, sagte Boraccio „Die Fellachen sollen anfangen da vorne am Aufgang zum Castello Gräben auszuheben. Ich hab keine Lust, daß die Garetyas einen Ausfall machen und uns einfach über den Haufen reiten. Wollen doch mal sehen, ob sie auf ihre eigenen Fellachen schießen.“

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Hadrumir hatte sich mittlerweile einen Beobachtungsposten auf den Mauern gesucht und beobachtete aufmerksam das Durcheinander vor der Burg. Vom Dorf wurden Bauern zur Burg getrieben.

„Bei allen Göttern! Woher kommen diese Bauern? Ich hatte Befehl gegeben, alle auf die Burg zu bringen!“

Lechdan, der Verwalter trat an ihn heran. „Herr, es tut mir leid, aber einige wollten ihre Höfe nicht verlassen!“

Hadrumir verdrehte die Augen. „Korporal Karstrand!“

„Zur Stelle!“ Hadrumir überlegte kurz, atmete einmal tief durch und schaute dann entschlossen den Korporal ohne Regung an. „Erschießt die Bauern!“

Karstrand wirkte irritiert. Hadrumirs Stimme wurde lauter: „Habt Ihr mich nicht verstanden?“

Karstrand straffte sich. „Doch! Doch! Zu Befehl!“ Der Korporal verschwand, um die Befehle weiterzugeben.

„Herr, das könnt Ihr nicht tun!“ wimmerte Lechdan.

„Ihr hattet den Befehl, alle in die Burg zu bringen! Warum habt Ihr dies nicht getan?“ fuhr Hadrumir ihn zornig an. „Ich muss die Menschen in der Burg schützen, da kann ich keine Rücksicht auf ein paar Abweichler nehmen!“