Geschichten:Die Falle einer Ratte – Gespräch unter sechs Augen

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Feste Osenbrück, 4. Peraine, abends


Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, als Nimmgalf seinen Bundesbruder endlich zu Gesicht bekam. Inzwischen hatte er den ausdruckslosen Tonfall des Medicus zu hassen gelernt, der nicht müde wurde zu betonen, dass sein Herr nun unbedingt Ruhe haben müsste. Nimmgalf hatte den Rock des Uslenrieders förmlich gesehen, wie er sich vor ihm in das Zimmer des Pfalzgrafen geschlichen hatte. Es ärgerte ihn ziemlich, so hinangestellt zu sein.

Als der Hirschfurter schließlich das Zimmer betrat, wunderte er sich. Er hatte erwartet einen waidwunden Bundesgenossen zu treffen, der über sein ungerechtes Schicksal lamentierte und immer wieder jämmerlich betonen würde, dass er nur seinen Dienst an Reich getan hatte, als er den Greifenfurtern geraten hatte, den Großonkel der Kaiserin in der Zeitfalle zu opfern. Doch stattdessen traf Nimmgalf den Pfalzgrafen von Sertis an, wie er gerade seine letzten Sachen zusammenpackte und immer leise wieder die Augenbrauen vor Schmerzen verzog, wenn er eine falsche Bewegung machte.

»Hilbert, wie schön zu sehen, dass es Dir wieder besser geht!«, grüßte Nimmgalf betont freundlich. Sein Blick fiel auf den Uslenrieder, der scheinbar amüsiert auf einer Truhe hockte und dem Sertiser beim Packen zuschaute.

»Ja. Ich verlasse die Burg«, presste Hilbert zwischen seinen Zähnen hervor. Ansonsten ließ er sich von Nimmgalf jedoch nicht merklich bei seinen Unternehmungen unterbrechen.

»So. Und damit bist du jetzt also mit dem Höllenwaller quitt«, setzte Nimmgalf an.

Hilbert fuhr herum und schaute ihn scharf an. »Hast du den Verstand verloren, Nimmgalf? Ich lasse mich von dieser miesen Ratte, diesem Schandfleck auf dem stolzen Wappenrock des Königreichs, diesem… Pulethaner doch nicht verhöhnen! Da kämpft man auf das dritte Blut und schließt mit sich ab, völlig im Reinen und die Gerechtigkeit hinter sich wissend, und dann spuckt mir dieser elende Kretin ins Gesicht! Dies ist noch nicht aus der Welt, und solange, bis sich dieser Hund nicht öffentlich bei mir für sein Verhalten und das Beschmutzen meiner persönlichen Ehre entschuldigt hat, solange werde ich ihn auf dieser Burg gefangen setzen.«

Nimmgalf zog überrascht eine Augenbraue hoch. "So siehst Du das also? Ich denke, Du kannst in erster Linie den Zwölfen dafür danken überhaupt noch am leben zu sein. Immerhin hätte Malepartus dir mit Leichtigkeit den finalen Stoß versetzen können, dann hätte dir die Ehre letzendlich auch nichts mehr genutzt. Und jetzt willst du ihn gefangen setzen? Wie denn, willst Du etwa deine und Wulfs Söldner hier aufmarschieren lassen?"

»Exakt das ist der Plan«, entgegnete von der Truhe aus Wulf von Streitzig, ein breites Grinsen auf seinen Lippen.

»Ihr seid doch verrückt! Ihr könnt doch nicht einfach die Burg eines Kirchenordens belagern!« Nimmgalf rang um Fassung. »Das... das geht einfach nicht!«

Hilbert wandte sich wieder seinen Sachen zu. »Wer sagt, dass ich den Orden belagere? Ich habe es einzig und allein auf den Höllenwaller abgesehen. Die Ritter vom Orden können kommen und gehen, wie sie wollen. Es sei denn, sie greifen von sich aus Partei und unternehmen eigenmächtig etwas gegen mich und meine Söldner.«

»Das ist doch Irrwitz, Hilbert. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass der Baron von Höllenwall sich entschuldigen wird?« Nimmgalf schaute Hilbert scharf an.

Langsam stand Wulf von seinem Platz auf. »Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was Malepartus mit der ganzen Sache beabsichtigt. Ich kenne ihn, ich schätze ihn sogar, wenngleich ich ihn nicht mag. Und dumm ist der Mann nicht. Das ganze läuft viel zu glatt. Erst zettelt er wegen er offensichtlichen Lappalie eine Fehde an, dann lässt er die Möglichkeit aus, diese Fehde durch einen grandiosen Sieg zu beenden, indem er unseren gemeinsamen Freund auf seine Reise gen Alveran schickt. Stattdessen begibt er sich in Gefahr, immerhin ist er hier in Waldstein, er hat keinen Beistand von Verbündeten und wie lange sich der Schwerter-Orden als schützende Hand missbrauchen lässt, ist ebenfalls nicht klar. Es sei denn…« Der Uslenrieder zog die Stirn kraus und kratzte sich am Kinn.

»Was?« Hilbert hatte eingehalten und schaute Wulf eindringlich an. Auch Nimmgalf fixierte den Streitzig, auch wenn ihm etwas schwante. »Du denkst also, er bleibt hier, gerade damit er Verstärkung bekommt?«

Wulf nickte. »Exakt das glaube ich. Ich hatte Hilbert schon gesagt, dass ich denke, dass der Konflikt derzeit auf eine Auseinandersetzung zwischen euren beiden Turnierbünden hinausläuft. Mich würde es nicht wundern, wenn in wenigen Tagen hier der gesamte Bund zur Wahrung der praiosgefälligen Ordnung zu Puleth auftauchen würde, um seinen Bundesbruder Malepartus aus der Misere zu holen.«

»Du glaubst also, der Höllenwaller hat es von vornherein so geplant?« Nimmgalf schaute immer besorgter drein. »Es ging ihm dabei nicht nur um Hilbert, sondern um die gesamte Bruderschaft der Trollpfortensieger?«

»Zumal ihr Pfortenritter derzeit, nach dem Sieg über Simiona, doch arg geschwächt seid. Sie dagegen stehen in vollen Saft und haben in den letzten Jahren nicht einen einzigen Verlust hinnehmen müssen. Mir scheint es daher glasklar, dass Malepartus hier versucht, seine Fehde mit Hilbert zu nutzen, um über seine Gegner zu triumphieren«, schloss Wulf selbstzufrieden mit seiner Schlussfolgerung seine Ausführungen.

Nimmgalf wollte antworten, doch die Gedanken an die Ereignisse von vor einem halben Jahr ließen ihn zögern. Viel zu viel war damals geschehen, und der Blutzoll war gerade für die Pfortenritter und ihre Verbündeten gewaltig gewesen. Fürwahr, wenn sie jetzt gegen die Pulethaner ziehen müssten, wären die Aussichten auf Erfolg - so ungerne sich Nimmgalf das eingestehen wollte - äußerst dürftig.

»Und was machen wir jetzt?« fragte Hilbert?

»Den Plan durchziehen und den Orden der Schwerter dazu bringen, dass er den Höllenwaller dazu bewegt die Fehde mit Hilbert zu beenden. Dazu, mein lieber Hilbert, musst du dich allerdings von deinem hohen Ross herab begeben und dem Höllenwaller deine völlige Niederlage anerkennen, eventuell musst du ihm sogar das Wergeld zahlen.«

Hilbert verzog nur angewidert das Gesicht, nickte aber unwillig nach kurzer Zeit.

»Was ist mit den Söldnern?«, fragte Nimmgalf.

»Die sollten wir tunlichst hier behalten, um eine Drohkulisse auf zu bauen«, entgegnete Wulf. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Schwerterorden so begeistert über die derzeitige Situation ist. Also müssen wir sie ihm noch ein wenig unbequemer machen…«