Geschichten:Des Greifen Tatzen - Glatteis

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Burg Ennetbrück, Baronie Hartsteen, Ende Hesinde 1044 BF

Der Reichsvogt der neuen Rabenbrücke ritt bedächtig den Weg zur Burg herauf. Hinter ihm trotteten die fünf Grenzreiterinnen und waren ebenfalls damit beschäftigt, ihre Pferde über den gefrorenen und stelleweisen spiegelglatten Untergrund zu führen. Bärfried rümpfte etwas die Nase, hätte er gewusst, dass der Weg so beschwerlich war, hätte er die Edle ganz sicher zu sich eingeladen und nicht andersherum.

Oben blieb die Gruppe vor einem verschlossenen Tor stehen und blickte sich kurz verwundert um. War ihr kommen unbemerkt geblieben? In diesen Zeiten würde es doch niemand wagen auf Wachposten zu verzichten? Der Einäugige blickte auffordernd zur Gardistin, die ihm als jemand mit sehr lauter Stimme in Erinnerung geblieben war. Er hatte sich, während einigen Nächten, von diesem Umstand – sehr zu seinem Leidwesen – überzeugen können.

Die Aufgeforderte zog den Schal herunter, räusperte sich und rief sodann laut Richtung Zinnen. „Den Zwölfen zum Gruß! Der kaiserliche Reichsvogt Bärfried von Hardenstatt begehrt Einlass!“, mit einem kurzen Blick zu einer ihrer Kameradinnen vergewisserte sie sich, dass sie auch alles richtig gemacht hatte und zog sodann den Schal wieder über die untere Hälfte ihres Gesichts.

Einige Momente der Stille vergangen, dann jedoch vernahm die Reitergruppe das Geräusch eines Riegels, der zurückgeschoben wurde. Ein Guckloch öffnete sich in dem massiven Holztor und zwei misstrauische Augen blickten heraus. Bärfried wollte gerade die Hand zum Gruß heben, da waren die Augen schon verschwunden und das Guckloch geschlossen. Es dauerte einige weitere Augenblicke, ehe das große Tor schwerfällig geöffnet wurde.

Drei Waffenknechte mit Hakenspieße und dem Wappen Ennetbrücks beäugten die Reiter vor ihnen misstrauisch. „Den Zwölfen zum Gruß! Ich bin besagter Reichsvogt und habe eine Unterredung mit der Edlen“, versuchte der Einäugige die Lage etwas aufzulockern. Seine Worte schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen und die drei Waffenknechte machten bereitwillig Platz, womit Bärfried und seine Reiterinnen in den Burghof einreiten konnten. Hinter ihnen wurde das Tor geschlossen und einige Stallknechte kamen bereits angelaufen, um sich um die Pferde der Gäste zu kümmern.

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Bärfried saß der Vögtin Azingard von Waltern gegenüber. Noch im Burghof hatte man ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er keineswegs mit der Edlen zur Ennetbrück sprechen würde, sondern mit ihrer Mutter, welche als Vögtin anstelle ihrer minderjährigen Tochter herrschte. Der blonde Perricumer musterte die junge Frau auf der gegenüberliegenden Seite. In Gedanken fragte er sich wie diese von Waltern wohl zu denen aus Perricum stand. Wahrscheinlich gab es irgendwelche familiären Bande, doch die schienen nicht allzu stark zu sein. Zumindest hatte er den Eindruck, dass sein Gegenüber ihm nicht sonderlich gewogen war.

„Nun, Herr Reichsvogt? Was genau verschafft Uns denn die Ehre, Eures hohen Besuchs?“, die Vögtin sprach betont freundlich mit einer ganz eigenartigen Betonung auf einigen Worten. Bärfried beschlich das Gefühl, dass er sich vielleicht etwas besser auf seine Gesprächspartnerin hätte vorbereiten sollen. Das trockene Lachen Alyas hätte ihm eine Warnung sein sollen, als er ihr bei der morgendlichen Besprechung erläuterte, sich mit der Herrin zur Ennetbrück treffen zu wollen.

„Hohe Dame von Waltern, ich möchte erst einmal meine Dankbarkeit ausdrücken, dass Ihr Euch zu diesem Treffen bereit erklärt habt. Ich kann mir vorstellen, dass andere Dinge ebenfalls Eure Aufmerksamkeit binden“, er hatte sich dazu entschlossen es mit Freundlichkeit und Verständnis zu versuchen. Man musste ja nicht immer mit dem Kopf durch die Wand gehen.

„Um zu Eurer Frage zukommen, ich hatte um dieses Treffen gebeten, weil es eine Zentrale Sache von Bedeutung gibt, die ich unter anderem mit Euch zu besprechen habe“. Die Vögtin wirkte immer unruhiger, er entschloss sich schneller zum Punkt zu kommen. „Seit geraumer Zeit sehen wir uns bei unseren Arbeiten von heimlichen Angriffen heimgesucht. Hin und wieder können wir den einen oder anderen Renegaten stellen, doch die meisten flüchten in das Umland. Unter anderem Euer Umland, wird gerne als Rückzugsgebiet genutzt“.

Die Augen der jungen Vögtin verengten sich zu funkelnden Schlitze, welche den Reichsvogt sicher durchbohrt hätten, wenn sie könnten. „Was genau wollt Ihr damit sagen, Euer Wohlgeboren? Werft Ihr uns etwa vor gemeinsame Sache mit diesem Schurkenpack zu machen?!“, zischte Azingard mit einem lauernden Unterton.

Der Perricumer hob beschwichtigend die Hände, „nein, nein! Etwas dergleichen würde ich nicht wagen. Ich komme zu Euch in der Hoffnung, dass Ihr uns bei dieser Angelegenheit unterstützt? Ihr und die Euren kennen sich in der Gegend bestens aus, ich hatte gehofft Ihr könntet uns dabei helfen die geheimen Verstecke und Fluchtwege der Renegaten aufzuspüren“.

Azingard von Waltern lehnte sich zurück und Bärfried meinte kurz ein Lächeln über ihr Gesicht huschen zu sehen. Es könnte sich jedoch auch um das Schattenspiel der Kerzen gehandelt haben. Betont gönnerhaft begann die Vögtin zu sprechen, „Ihr habt also Probleme mit Renegaten, soso? Hm ja, schrecklich, selbstverständlich werden wir Euch dabei unterstützen, dieses Pack aufzuspüren. Doch trotz allem sind wir noch in Fehde, ich muss mich um den Schutz der mir anvertrauten Ländereien kümmern“.

Sie schien kurz nachzudenken, fuhr dann jedoch fort. „Ich werde Euch einen kundigen Jägersmann schicken, der sich in unserem… verzeiht, Euren Wald auskennt! Wenn das alles wäre?“, Azingard stand, ohne auf die Antwort von Bärfried zu warten, auf und ging einige Schritte auf ihren Gast mit ausgestreckter Hand zu. Dieser war merklich überrumpelt ob des doch recht zügigen und absolut wirkenden Endes des Gesprächs, erhob sich verdattert und schüttelte knapp die Hand der Vögtin.

In wenigen Augenblicken fand er sich im Burghof auf seinem Pferd wieder und trabte nach draußen. Im Lager würde er seine Baumeisterin befragen müssen, ob es schon Kontakt zu dieser Vögtin gegeben hatte und wenn ja, welcher Art dieser war. Dass die hohe Dame einfach nur eine Antipathie gegenüber ihm persönlich hegte, konnte sich der blonde Mann nicht vorstellen.

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Die Gardistinnen des kaiserlichen Heeres hetzten durch den verschneiten Wald. Sie verfolgten eine Gruppe, die vor einem halben Stundenglas den Posten an der Furt angegriffen hatte. Sie waren den kaiserlichen in die Falle gegangen und hatten gedacht, dass er zurzeit schwach besetzt war. Leider hatten die unbekannten Angreifer schnell ihren Fehler erkannt und ihr Heil in der Flucht gesucht.

Vor dem heutigen Tag mussten die Renegaten nur über die Lehnsgrenze hinaus fliehen und die Kaiserlichen stellten ihre Verfolgung ein. Der Reichsvogt hatte es für deeskalierend gehalten, wenn sie nicht einfach durch fremdes Land streiften. Doch nach dem er vergebens auf den ihm zugesicherten Ortskundigen gewartet hatte, wurden die Befehle geändert.

Nun galt es die Renegaten zu verfolgen, notfalls auch über die Grenze hinweg. Darüber hinaus hatte er den Gardistinnen eingeschärft, dass lebende Gefangene mehr wert waren als tote. Es war allerdings gar nicht so einfach dieses Pack überhaupt zu ergreifen. Sobald es merkte, dass die Kaiserlichen mehr Kräfte zusammenzogen, zersplitterten sich die Gruppen. Doch heute würden sie nicht entkommen, die Gardistinnnen waren von dem Versprechen angestachelt, für jeden ergriffenen und lebendigen Renegaten ein Fässchen Wiesenschlösschen zu erhalten. Eine Aussicht, die das Pflichtbewusstsein in ungeahnte Höhen trieb.