Geschichten:Der Weg nach Garrensand - Schwarze Feder, weiße Schwinge

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In einem Dörfchen kurz vor der Grenze zum Kosch


In leichtem Trab lief der schwarze Rappe über die Reichsstraße und näherte sich einem Dorf. Der Reiter, der zusammengesunken im Sattel hing, erweckte bereits die ersten neugierigen Blicke der Bauern. Mühsam öffnete Atheran die Augen, als das Pferd das Dorf erreichte. Er brauchte Hilfe, und so hielt er nach einem Tempel Ausschau. Am Dorfplatz stand ein kleines, langgestrecktes Fachwerkhaus, schräg links davor ein Teich, mit einigen weißen Gänsen, und auch am Giebel war eine weiße Gänsefigur angebracht. Offensichtlich handelte es sich um den einzigen Tempel dieses kleinen Dorfes, und so lenkte Atheran sein Pferd, so gut es die entkräfteten Arme eben vermochten, auf die Türe des Traviatempels zu und ließ seinen Rappen halten. Vorsichtig glitt er aus dem Sattel, konnte sich aber kaum auf den Beinen halten. Die Wunde am Bein war bereits wieder aufgebrochen und begann erneut zu bluten. Schwindel breitete sich in seinem Kopf aus, und er stürzte zu Boden – beinahe jedenfalls, denn eine Frau in orangen Gewändern fing hielt ihn fest und geleitete ihn stützend in das Innere des Gebäudes.

Atheran erwachte wie aus einem tiefen Schlaf. Benommen sah er sich um und wusste nicht, wo er sich befand. Er lag auf einer einfachen Pritsche in einem kleinen Raum, und durch die Ritzen des geschlossenen Fensterladens fiel helles Sonnenlicht hinein.

Angestrengt versuchte er seine Gedanken zu ordnen, bis ihm der Kampf und das Krächzen des Raben wieder ins Gedächtnis kamen. Ob dies ein Zeichen des Herrn Boron gewesen war? Er erinnerte sich, wie er aus der Ohnmacht erwacht war und sich mühsam auf sein Pferd gezogen hatte, was sich als noch viel anstrengender herausgestellt hatte als das zuvor erfolgte aufsammeln seiner Waffen. Einen Segen hatte er noch über die Leichen der Söldner gesprochen; um sie zu begraben hatte ihm die Kraft gefehlt. Einige Male war er während des Rittes zu sich gekommen, und nun hatte er offenbar Hilfe erfahren. Die Gänse kamen ihm in den Sinn; wahrscheinlich befand er sich in einem Traviatempel.

Während er noch nachdachte öffnete sich vorsichtig die Türe, und eine Geweihte kam herein, in der Hand einen Tonbecher mit duftendem Kräutertee.

»Wie ich sehe, seid ihr wieder wach«, sagte sie leise, und ihre Stimme hatte einen freundlichen Klang. Sie reichte Atheran den Becher, der sich vorsichtig erhob und mit kleinen Schlucken trank. Geduldig warte sie, bis er den Becher gelehrt hatte.

»Habt Dank«, sagte Atheran und reichte ihr den Becher zurück.

»Nicht dafür. Zu Helfen ist die Pflicht der Diener unserer gütigen Mutter Travia. Ich bin Mutter Gandike«, stellte sie sich schließlich vor.

»Atheran Zobel, Landmeister im Orden der Golgariten«, entgegnete er. »Doch nennt mich einfach Bruder Atheran.«

»Nun gut, Bruder Atheran. So wollen wir es halten. Ihr werdet ohnehin notgedrungen ein paar Tage hier bleiben müssen, ehe Ihr weiterreisen könnt.«

Einige Tage! Bis dahin hatte das Konsistorium doch begonnen, und er würde zu spät erscheinen. »Wie viele Tage?« fragte er.

»Zwei bis drei Tage, vielleicht auch vier. Das kommt ganz darauf an, wie gut Eure Wunden verheilen. Ich habe sie ausgewaschen und mit einem Absud von Heilkräutern verbunden; wenn Ihr Glück habt, heilt es schnell. Eure Rüstung hat das meiste abgehalten«, entgegnete Mutter Gandike.

Genau, die Rüstung und seine Waffen! Suchend blickte er sich im Raum um; in einem Traviatempel war Kriegswerkzeug ungern gesehen.

Gandike bemerkte seine Unruhe. »Sorgt Euch nicht um Eure Rüstung; ich habe sie unter der Pritsche verstaut, denn hier in der Kammer ist doch nur wenig Platz. Eure Waffen liegen auch dort, wenngleich ich sie in ein Tuch eingeschlagen habe. Ihr versteht sicher...«

Atheran nickte. Immerhin, es hätte schlimmer kommen können...

In den folgenden beiden Tagen schritt seine Genesung rasch voran. Der Landmeister genoß die Ruhe und den dörflichen Frieden; es half ihm, sich selbst auf die kommenden Tage zu Garrensand vorzubereiten und wieder einmal zu sich selbst zu finden, denn dazu hatte er in den vergangenen Monaten viel zu wenig Zeit gehabt. Er sprach mit Mutter Gandike über ihrer beider Dienst und berichtet auch von den Machenschaften der Rubinbrüder. Abseits der Baronie Waldfang und de angrenzenden Lande war der Aufstand vor einigen Jahren beim einfachen Volk nahezu unbemerkt geblieben, und eine Warnung konnte sicher nicht schaden. Schließlich trieben die Kultisten immer noch ihr Unwesen...

In der Nacht zum dritten Tag seines Aufenthaltes starb ein alter Dorfbewohner, und Atheran, mit den Riten der Boronkirche besser vertraut als Muter Gandike, nahm die Grablegung vor. Den Rest des Tages verbrachte er damit, seine Ausrüstung zu überprüfen, die Rüstung zu richten und die Waffen zu reinigen und zu schärfen. Er fühlte sich kräftig genug, die Reise fortzusetzen.

Am nächsten Morgen brach Atheran bei Sonnenaufgang auf. Und die restliche Reise sollte sich ohne weitere Zwischenfälle ereignen...



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7. Pra 1027 BF
Schwarze Feder, weiße Schwinge
Ein Hinterhalt


Kapitel 3

Ein Hinterhalt


Kapitel 4

Verlorene Federn
Autor: CD