Geschichten:Der Ritt in den Reichsgau Teil 1

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Teil I

Müde riss der Junker von Breitenhof sich ein Stück vom mittlerweile hart gewordenen Brot ab und steckte es in den Mund. Gemächlich schenkte er sich Wein nach und spülte das Brot damit hinunter.

„Travin, sei doch so gut und hole mir eine neue Kerze.“ sagte er leise zu dem älteren Diener, der gerade den Wein gebracht hatte. Die Kerze war beinahe herunter gebrannt und hüllte den hohen Raum in ein gespenstisches Licht.

Ohne zu zögern folgte der Diener der Anweisung seines jüngeren Herrn und verschwand kurz, nur um wenige Momente später mit einer neuen langen Kerze wieder zu kommen. Ohne Hast entzündete der Diener sie.

„Verzeiht die Frage, Herr, aber geht es Euch gut?“

Rondrigo lächelte. „Ja, keine Sorge. Ich bin nur müde. Die letzten Wochen und Monde fordern nun ihren Tribut und ich könnte tagelang nur schlafen.“

„Wenn Ihr noch etwas braucht, Herr, dann sagt es bitte sogleich.“ Der Diener schien besorgt. Rondrigo schätzte den älteren Hausdiener seines Vaters sehr. Er hatte der Familie schon viele Götterläufe treu gedient und war nunmehr zusammen mit Rondrigo selbst der Letzte, der aus der Heimat in Tobrien noch am Leben war.

Eine borongefällige Stille legte sich über den Raum, nachdem Travin die Tür leise hinter sich geschlossen hatte.

Nun war Rondrigo wieder allein. Seitdem sein Knappe vor einigen Wochen im Kampf gegen die Orken gefallen war, hatte er kaum noch Gesellschaft. Träge erhob er sich, als es an der Tür klopfte.

„Ja?“

Travin öffnete die Tür und lugte herein. „Verzeiht, Herr. Ihr habt Besuch.“

Rondrigo stutzte. Die Praiosscheibe würde in wenigen Augenblicken untergehen. Wer würde sich die Mühe machen zu solcher Zeit zum abgelegenen Gut Breitenhof zu kommen?

„Wer ist es zu so später Stund?“

„Eine junge Dame, Herr.“

„Dann bitte sie doch herein.“ Der Junker wunderte sich noch immer, er konnte sich darauf keinen Reim machen.

Der Diener legte seinem Herrn den schweren Mantel um die Schultern und eilte dann zur Tür des Herrenhauses.

Die junge Frau trat ein und knickste artig. Sie schlug die Kapuze ihres Mantels zurück und entblößte ein hübsches, von rötlichem Haar eingerahmtes Gesicht.

Die Miene des Junkers hellte sich auf und sein Herz tat einen Sprung.

„Bei Praios! Linea von Travesried! Was macht Ihr denn hier?“

Sie lächelte den Junker freundlich an. „Ich wanderte mit einem reisenden Perainegeweihten nach Greifenhorst und von dort war es ein leichtes hier her zu kommen.“

Rondrigo räusperte sich verlegen und trat sich verneigend einen Schritt zur Seite. „Verzeiht. Seid willkommen in meinem bescheidenen Haus. Euer Besuch erfreut mich sehr! Es kommen nur wenige Leute hier heraus. Breitenhof liegt leider sehr tief im Forst.“

Rondrigos Augen blitzten aufgeregt und mit einem Mal war alle Müdigkeit der letzten Tage vergangen. Er hatte die junge Frau auf dem Kriegsrat in Weihenhorst kennen gelernt und sich gleich gut mit ihr verstanden.

„Travin, bereite das Gästezimmer für die junge Edeldame vor. Ich wünsche, dass es der Dame Linea an nichts fehlen soll. Ach und bring noch einen Pokal mit Wein und etwas zu Essen.“

Sofort machte sich der Diener daran, die ihm aufgetragenen Aufgaben zu erledigen.

„Setzt Euch doch bitte, Linea. Ihr müsst hungrig sein.“

Mit einem vielversprechenden Augenaufschlag nahm die junge Dame Platz. „Das ist sehr freundlich, danke.“

„Was führt Euch denn her, geschätzte Linea? Es ist gefährlich allein durch den Forst zu wandern. Gelegentlich treibt sich hier Gesindel herum.“

Trotzig reckte sie ihr Kinn ein Stück nach oben. „Ich fürchte mich nicht und weiß mich meiner Haut durchaus zu erwehren.“

Bewundernd musterte Rondrigo den stolzen Ausdruck in ihren lebhaften Augen.

„Ihr habt Mut, Linea.“

Geschmeichelt sah sie kurz zu Boden und nahm einen Schluck herben Weißweins aus dem dargebotenen Pokal.

„Der Edle vom Greifener Land und seine Frau sagten, dass Ihr von dem Orkenzug in den Finsterkamm schwer verwundet zum Reichskongress geritten seid. Und da ich gerade in der Gegend war, ist es doch das Mindeste, dass ich mal nachsehe.“

Von der Fürsorge Lineas deutlich überrumpelt wusste der Junker zunächst nicht, was er sagen sollte. Schließlich rang er sich zu einem: „Das ist sehr aufmerksam von Euch. Ich danke Euch von ganzem Herzen.“ durch.

Nach einiger Zeit und einigen weiteren Pokalen Wein packte Linea ihre lederne Tasche aus und begleitete den Junker auf sein Gemach, um dort nach seinen Verletzungen zu sehen. Ein Großteil der Wunden war bereits verheilt, oder auf dem besten Wege dahin.

Etliche teils große Narben zierten Arme und Oberkörper des kräftigen Ritters. Ein fachkundiger Blick bestätigte Linea, dass dort wohl ein Feldscher am Werk gewesen war, der um die Blutungen zu stillen die Wunden mit Mehl oder gelöschtem Kalk verklebt hatte. Lediglich ein tiefer Schnitt an der linken Torsoseite sah entzündet aus.

„Mit was hat man diese Wunde behandelt?“

Rondrigo überlegte kurz: „Ich glaube es war eine Paste aus zerstoßenem Wirselkraut und Tarnelenblüten.“

„Das ist gut, es hätte die Entzündung eigentlich verhindern müssen.“ In diesem Moment sprach sie lediglich als Kräuterkundige und alles Mitgefühl war für einen Augenblick aus ihrer lieblichen Stimme gewichen. „Hattet ihr an dieser Stelle in letzter Zeit mehrere Wunden?“

„Nun, vor einigen Monden waren meine Rippen auf dieser Seite gebrochen. Ein Lanzenstoß des Herrn von Gallstein auf dem Turnier von Greifenfurt vollbrachte dies. Und kurz darauf waren die Knochen ein zweites Mal gebrochen, als der Säbel eines feigen Attentäters mich dort erwischte. Aber diese Wunde stammt von einer verfluchten Orkklinge.“

Zuversichtlich schnitt Linea einige Streifen weißen Tuches zurecht. „Ich werde die Wunde jetzt erst einmal säubern und wenn ich zwei oder drei kleine Schalen bekommen könnte, werde ich eine Salbe anrühren, die die Beschwerden bestimmt lindern und die Wunde endgültig heilen wird.“

Gerne ließ Rondrigo sich behandeln, denn seit langer Zeit hatte er zum ersten Mal wieder das Gefühl, dass sich jemand um ihn sorgte. Ein Gefühl, das er lange hatte vermissen müssen.