Geschichten:Der Lauf der Zeit - Abschied von den Draconitern

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Abschied von den Draconitern

Ende Tsa 1034 BF, Immingen

Der langsam ergrauende Ritter war sofort vom Feld herbeigeeilt, wo man bereits mit den ersten Vorbreitungen für die kommende Aussaat begonnen hatte. Wenn die Oberste des hiesigen Draconiterhorts mit ihm reden wollte, handelte es sich zumeist um wichtige Nachrichten aus der großen Welt außerhalb seines abgelegenen Gutes. Tatsächlich wartete die gealterte Präzeptorin bereits auf der Schwelle des Herrenhauses. Ohne Umschweife bat Arnulf sie hinein und führte sie in die gute Stube, wo heute nicht einmal das wenige Gesinde, seine Frau und sein Sohn zugegen waren, da jede Hand beim Pflügen gebraucht wurde.

Ehrwürden Beychaliban, tretet ein. Ich habe mich schon gefragt wann Ihr vorbeischaut. In Eurem Hort geht es ja seit Tagen zu wie in einem Immenstock wie man so schön sagt.“

Ein Lächeln auf den Lippen neigte die Draconiterin würdevoll das Haupt und setzte sich dann dem Ritter gegenüber an den massiven Steineichentisch.

„Und das aus gutem Grund, Wohlgeboren Arnulf. Ich habe Kunde aus Gareth erhalten, dass der Hort Immingen nicht länger unterhalten werden soll. Unsere Brüder und Schwestern werden in diesen Zeiten anderswo dringender benötigt“

Womit der Ritter auch immer gerechnet hatte, diese Botschaft gehörte nicht dazu. Er brauchte einen Moment um sich zu sammeln und die Verblüffung aus seinem Blick zu verbannen.

„Ihr verlasst Immingen? Alle miteinander? Dauerhaft? Aber, aber was ist mit er namenlosen Gefahr die in meinen Wäldern schlummert und die Ihr überwachen solltet?“

Natürlich war der Tulamidin das Mienenspiel des Greifenfurters nicht entgangen und in etwa mit dieser Reaktion hatte sie auch gerechnet. Immerhin kannte sie den Ritter nunmehr seit zwölf Götterläufen und hatte in der Zeit viele Unterredungen mit ihm geführt.

„Nun, gerade das ist einer der Gründe warum wir den Hort aufgeben werden. Unsere arkanen Brüder haben in den letzten Monden keine Hinweise mehr für eine fortdauernde Schwächung der Sphärengrenzen finden können. Sicherlich hätten wir unter anderen Umständen länger gewartet um fundierte Ergebnisse und ein höheres Maß an Sicherheit zu erhalten. Aber der Feind im Osten schläft nicht und fordert alle entbehrlichen Kräfte. Deswegen ist ein Rückzug aus Immingen nur logisch.“

„Das mag sein.“ Widerwillig akzeptierte Arnulf das Gehörte. Zumindest war er froh, dass der Ort des namenlosen Frevels in Sichtweite des Dorfes wohl nicht länger eine Gefahr darstellte. „Trotzdem würde ich mich wohler fühlen wenn Ihr bliebet. Aber es sei wie es ist. Was geschieht eigentlich mit dem Hort selber, den Gemäuern und alledem?“

Diesen pragmatischen Zug hatte Beychaliban al-Siskir immer an dem einfachen Ritter zu schätzen gewusst. Mochten die Ereignisse auch noch so überraschend oder unwillkommen für ihn sein, verlor er doch nicht den Blick für das Wesentliche.

„Alle Artefakte und alles bewegliche Inventar welches dem Orden gehört werden wir natürlich, soweit praktikabel, mitführen. Was den Grund und Boden angeht auf dem der Hort errichtet wurde, so war von Beginn an klar, dass es sich nur um eine Leihgabe von Euch an den Orden handelt. Da wir keine Mittel dafür werden aufwenden können die Gemäuer weiterhin zu bewirtschaften, sei es also ganz Euch überlassen, wie Ihr mit den Gebäuden verfahren wollt. Ich bin mir sicher, Ihr werdet eine geeignete Lösung finden.“

Der kräftig gebaute Greifenfurter strich sich nachdenklich durch seinen säuberlich gestutzten Kaiser-Reto-Bart. Einen Moment sann er nach den Worten, bevor er etwas ansprach wovon er nicht sicher war wie die Ordensfrau es auffassen würde.

„Das glaube ich auch. Dennoch werde ich Euch, und den Schutz den Eure Brüder und Schwestern für uns bedeutet, haben sehr vermissen. Sagt Ehrwürden, wohin wird Euch Euer Weg von hier an führen. Reist Ihr direkt in die verderbten Lande?“

„Bedauert nicht was zu Ende geht, sondern erkennt was Gegenwart und Zukunft Euch bieten.“ Mit gütigem Lächeln hob die Frau wie segnend ihre Hände. „Für einige unserer Ordensmitglieder wird es sicherlich sogleich gen Osten gehen. Ich selbst werde einige Monde in Gareth zubringen und dafür Sorge tragen, dass unsere Forschungsergebnisse hier aus Immingen ordnungsgemäß dokumentiert werden. Womöglich können sie im Kampf wider Helme Haffax und den Schwarzen Landen noch hilfreich sein.“

Ritter Arnulf nickte bedächtig als würde er sich auf Grund des Gesagten zu einer Entscheidung durchringen. Mit einem Blick vergewisserte er sich, dass niemand vom Gesinde in der Nähe war, dann ballte er entschlossen die Hände zu Fäusten und lehnte sich weit auf den Tisch bevor er weiter sprach.

„Das wäre fürwahr eine Genugtuung nach all den Opfern die hier erbracht wurden. Doch Ihr sagtet Ihr bleibt vorerst in der Kaiserstadt. Das bringt mich zu einem Punkt den ich sowieso schon länger mit Euch besprechen wollte. Da nun wohl die letzte Möglichkeit ist das zu tun, will ich nicht lange drum herum reden. Es geht um Dracon. Wie Ihr wisst, ist er nicht mein leiblicher Sohn, obschon ich ihn dafür ausgebe.“

Nun war es an der Präzeptorin überrascht drein zu blicken. Natürlich wusste sie als Äbtissin des Hortes um den Bankert der Imminger Familie. Doch wäre ihr nicht in den Sinn gekommen, dass dieser für den sonst recht aufgeschlossen wirkenden Ritter nach all den Jahren der Akzeptanz noch ein Problem darstellte.

„Ja, der postume Spross unseres geschätzten Ordensbruders und Eurer ältesten Tochter. Was ist mit ihm?“

Seufzend ließ sich der Imminger zurücksinken. „Wie Ihr wisst habe ich den Knaben damals ohne großes Aufheben als den meinen anerkannt, auch wenn er einer unstandesgemäßen und nicht von Travia legitimierten Verbindung entstammt. Zum Gutteil deswegen um das Andenken Eures Ordensbruders zu ehren, der sein Leben für den Schutz Immingens gab. Doch inzwischen zählt Dracon zehn Götterläufe und die Ähnlichkeit mit seinem wahren Vater ist kaum mehr zu übersehen. Im Dorf pfeifen es die Spatzen von den Dächern und hinter vorgehaltener Hand munkeln die Bauern bereits, dass meine Frau mir dort ein Kuckuckskind ins Nest gelegt hätte. Ich gebe nicht viel auf solches Gerede, so lange es nur mich betrifft. Aber die Ehre meiner Tochter soll weiterhin unangetastet bleiben. Ich will vermeiden, dass der Knabe ihr als Erbin zum Nachteil gereicht. Und das würde er, sollte dieses Geheimnis jemals gelüftet werden oder er gar selbst irgendwann von seiner wahren Abstammung erfahren.“

Beychaliban ahnte etwas vom Anliegen des Ritters, doch ließ sie sich nichts anmerken und forderte ihn höflich auf weiter zusprechen. „Was also wollt Ihr tun oder wollt, dass ich tue?“

„Nehmt ihn mit Euch!“ Arnulf breitete die Arme in einer fast hilflosen Geste aus um zu verstehen zu geben, dass er keineswegs eine Forderung, sondern eine Bitte an sie richtete. „Dracon ist alt genug sich seinen Platz in der Welt selber zu suchen und er ist nicht auf den Kopf gefallen. Sein Vater starb im Dienste Eures Ordens um uns zu schützen. So soll sein Sohn nun diesen Platz einnehmen und mit Euch ziehen um an anderer Stelle die Taten zu vollbringen die seines Vaters würdig gewesen wären. Zudem bringt er damit auch unserem Namen Ehre, was bei seinem Verbleib in Immingen eher fraglich wäre.“

„Ich sehe, Ihr habt Euch darüber klare Gedanken gemacht, Ritter Arnulf. Ich gebe zu, Eure Dünkel kann ich nur zum Teil nachvollziehen, doch will ich mich nicht erdreisten Euch in diesem Fall zu belehren, liegt die Schuld doch auch bei unserem Ordensbruder. Außerdem ist der Orden nicht in der Position solch ein Angebot, aus welchen Gründen es auch immer gemacht wurde, sehenden Auges abzuweisen. Ich bin fürwahr davon überzeugt, dass Dracon uns Freude bereiten und ehrenvoll in unseren Reihen streiten wird. Ich werde ihn Erzäbtissin Canyraith in der garether Madaburg anempfehlen.“

Zufrieden und erleichtert klatschte der Imminger in die Hände. Nachdem diese Sorge von seinen Schultern genommen war, kam ihm spontan ein Gedanke den er in seiner Freude nicht lange überdachte.

„Sehr gut, dann sind wir uns also einig. Ich werde heute Abend noch mit dem Jungen sprechen. Morgen soll er dann zu Euch stoßen und kann gleich beim Packen helfen. Aber sagt Ehrwürden, wann werdet Ihr uns genau verlassen? Wenn es Euch nichts ausmacht werde ich vor Eurer Abreise noch ein kleines Fest im Dorf geben, um die Bemühungen des Ordens angemessen zu würdigen. Ich bin mir sicher alle Einwohner Immingens werden Euch bei dieser Gelegenheit ihre Segenswünsche mit auf den Weg geben wollen.“

„Das ist eine wunderbare Idee Wohlgeboren. Der Orden dient zwar einem höheren Zweck, doch wird es die Brüder und Schwestern sicherlich erfreuen zu sehen, dass ihr Werk auf Dere von denen geschätzt wird für deren Schutz sie sich einsetzen. Nach aktueller Planung sollten wir in drei Tagen aufbruchbereit sein. Wenn Ihr die Festivitäten also für übermorgen einrichten könnt, werden die Brüder und Schwestern vollzählig erscheinen um sich zu verabschieden. Immerhin lassen auch viele der Unsrigen schöne Erinnerungen und ein Jahrzwölft ihres Lebens hier zurück, in welchem wir uns hier immer der Travia gefällig aufgehoben gefühlt haben. Bis in zwei Tagen also und sagt Dracon, dass er uns auf das Herzlichste willkommen sein wird.“

Der Ritter brachte die Draconiterin noch zur Schwelle es Herrenhauses und beobachtet danach wie sie die knapp hundert Schritt den Hügel hinauf zum trutzigen Bau des Wehrklosters zurücklegte. Errichtet um Paktierern des Namenlosen Einhalt zu gebeten, wirkte es auch ohne Zinnen und Türme wie eine riesenhafte Burg neben den einfachen Hütten des angrenzenden Dorfes. Wenn die Draconiter nun fortzogen, wäre es sicherlich eine sicherere Heimstatt für seine Familie, als das inzwischen bereits etwas windschiefe Gutshaus in dem er selbst noch das Licht Deres erblickt hatte. Zog man dann noch eine feste hölzerne Palisade um den kleinen Ort, gewann man genügend Zeit, dass sich bei einem Angriff alle Bewohner in den Hort würden zurückziehen können, der mit seinen tiefen Kellern und diversen Räumlichkeiten genügend Platz für Vorräte bot um bis zu einem Entsatz aus Kressenburg oder Greifenfurt auszuharren. Arnulf pfiff sich eins und ging von diesem Gedanken erfüllt zurück aufs Feld um wieder beim Pflügen anzupacken.