Geschichten:Der Lauf der Zeit - Über die Sorgen eines Barons und den Nutzen eines Magiers

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Über die Sorgen eines Barons und den Nutzen eines Magiers

Es war bereits tief in der Nacht, als Ardo in dem kleinen Arbeitszimmer hoch oben im südwestlichstem Turm saß und bei Kerzenschein die letzten Seiten des Abrechnungsbuches studierte. Das war beileibe nicht seine Lieblingsbeschäftigung, aber er wollte mit eigenen Augen sehen, warum sein Vogt dieser Tage immer wieder mürrisch erwähnte, dass man bald zum Svellter gehen müsse, wenn der junge Baron seine Verschwendungssucht nicht demnächst zu zügeln verstünde. Tatsächlich musste Ardo erkennen, dass er in den Götterläufen seit seinem Amtsantritt über seine Verhältnisse gelebt hatte, obschon das beileibe nicht an seinem Lebensstil lag. Aber fast alles was er in dieser Zeit angefangen hatte kostete die Baronie Taler und Dukaten, die nun in seiner Tasche fehlten. Der Ausbau der Wege gen Eslamsroden, das Anlegen der neuen Wehrhecke sowie der Bau des neuen Zollturms an der Grenze zu Waldstein und die Umsiedlung der dafür benötigten Fronbauern. All das sollte sich bald für die Baronie und natürlich auch für sein Säckel auszahlen, aber im Moment kostete es erst einmal jeden Mond Geld das er eigentlich nicht übrig hatte.

In den letzten beiden Monden schlugen zudem die Kosten für die Hochzeitsfeierlichkeiten arg zu Buche, obgleich sein Vetter Greifwin die Hälfte davon übernahm. Ardo würde nach dem Fest gezwungen sein sich mindestens bis zur Ernte erheblich einzuschränken und auch danach wartete ein entbehrungsreicher Götterlauf auf ihn. Dazu kam, dass seine Ehrwürden Badilak nach wie vor auf den Neubau eines Praios-Tempels bestand, als Zeichen des neuen Barons um sich des Segens des Götterfürsten zu vergewissern wie er es formulierte. Auch hier würde sich Ardo nicht ewig herausreden können, wollte er es sich mit der Kirche nicht verderben. Allein sein guter Wille genügte dem Prätor nicht. Er musste sich bald noch einmal ernsthaft mit Phexian und am besten auch mit Durac unterhalten. Vielleicht gab es ja einen Weg mehr Erz aus der Zinnmine herauszuholen oder es irgendwo teurer zu verkaufen. Ardo war gezwungen irgendwo Geld auftreiben bis seine jüngsten Investitionen etwas abwarfen.

Der Baron schreckte zusammen, als es unvermittelt an der schweren Eichentür klopfte. Beinahe hätte er die Kerze umgeworfen und ihr Wachs auf die säuberlich beschriebenen Seiten des Folianten gekleckert. Sorgsam schloss er das Buch, schob den Kerzenhalter in eine sichere Position und wandte sich dann zur Tür.

„Tretet ein!“

Sogleich wurde seiner Aufforderung Folge geleistet und die Scharniere schwangen mit einem leisen Quietschen auf. Herein trat der bornländische Magier den Balrik von seiner Reise mitgebracht hatte. Dieser verbeugte sich und schloss sogleich die Tür hinter sich um den Luftzug zu unterbrechen.

Meister Wasjeff. Was führt Euch zu dieser späten Stunde hier herauf? Ich hoffe Eure Bettstatt ist Euch nicht zu unbequem?“

„Mitnichten Eier Hochjeboren. Ich habe mir erlaubet in Eirem Schlossgarten zu lustwandelen und sah darob noch Licht brennen. Ejne Magd sagte mir, dass ich Eich hier treffen wierde.“

„Nun, da Ihr mich so dringlich gesucht habt, wollt Ihr sicherlich auch etwas Wichtiges mit mir besprechen. Setzt Euch doch.“ Ardo deutet auf den hölzernen Schemel im gegenüber, was der Bornländer mit einem götterergebenen Seufzen quittierte und sich aber widerspruchslos setzte.

„Eier Hochjeboren, ich möchte necht lange um den heißen Brej herumreden. Ich habe in Kuslik mitanjesehen wie Ihr von dem satinavschen Zauber mejnes Kollega getroffen wurdet. Eich hier munter und bej bester Jesundhejt sitzen zu sejen erlejchtert mich unjemein, hätte es doch ejn sehr schlachtes Bild auf unsere Zunft jeworfen, wäre dem necht so jewesen.“

„Ihr werdet verzeihen Meister Wasjeff, dass ich trotz des glimpflichen Ausgangs dieses Angriffs Eures Kollega, wie Ihr ihn nanntet, nicht sonderlich erfreut darüber bin, mit einem Zauber belegt worden zu sein. Ich schätze es nicht übermäßig, wenn man in Form meiner Person derart an den Grundfesten Alverans manipuliert.“

Ardo strenger Ton ließ Igor aufschrecken und beschwichtigend die Hände heben. „Natierlich, natierlich, nechts ist so schlimm wie jemanden gejen seinen Willen zu bezaubern. Das ist durch nechts entschuldbar. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass mich ejn Jefühl der Verantwortlichkejt hierher jeführet hat, damit ich mit ejenen Aujen sejen kann, dass Eich nechts Schlimmeres wiederjefahren ist. Die Wirkung dieses mächtijen Zaubers auf Eiren derischen Körper muss enorm jewesen sejn.“

„Ich fühlte danach mich überaus unwohl wenn es das ist was Ihr zu sagen versucht.“ Der junge Baron sah seinen Gegenüber misstrauisch an, bekam er doch langsam den Verdacht, dass Igor in ihm eine Art Studienobjekt sah.

Igor indes mustere Ardo ohne Scheu von oben bis unten, so als wollte er mit bloßem Auge ergründen ob der Zauber irgendetwas an dem Greifenfurter nachhaltig verändert hätte. „Ohne Fraje war het wohl sehr jut ausjefiehret, da ihr noch lebet. Bej derlej kann allerhand schief jehen habe ich jehöret, deswejen man het necht so unbedacht ejnsetzen sollte wie der Kollega het jetan hat...“

„Meister Wasjeff. Sagtet Ihr nicht, dass Ihr nicht lange herumreden wolltet?“ Ardo begann seinem Gast gegenüber ernsthaft ungehalten zu werden. „Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr mit Eurer Analyse meines Zustandes zu einem Ende kommen könntet und mir sagt, ob ich sonst noch etwas für Euch tun kann.“

„Ich bitte um Entschuldijung Eier Hochjeboren für mejne Unhöflichkejt, aber die wissenschaftliche Nejgier ist ieber mich jekommen.“ Der Magier neigte leicht seinen Kopf und schwieg dann einen Moment um sich zu sammeln. „Het jibt da tatsächlich etwas, das Ihr für mich tun könntet. Ich bin, wie Ihr viellejcht jesehen habet necht mehr der Allerjiengste und seit ejnijer Zeit merke ich, dass mich das stete Wandern ermiedet. Darum suche ich nach ejner Blejbe wo ich mich dauerhaft niederlassen kann. Ejne Anstellung als Hofmajus wenn man so möchte.“

„Und diese Suche führt Euch ausgerechnet zu mir?“ Forschend und ein wenig ungläubig sah Ardo dem Magier ins Gesicht. „Was lässt Euch glauben, dass ich nach dem was ich erlebt habe einen Zauberkünstler länger als es Travias Gastrecht von mir verlangt unter meinem Dach beherberge?“

„Natierlich habet Ihr nun ejn schlechtes Bild von unserer Zunft jewonnen, aber ich werde mich bemiehen das zu ändern. Het jibt eben in jeder Herde ejn schwarzes Schaf, wie der Tobrier sajen wierde. Fanjen wir damit an, dass het mir möglich wäre, Eich in Zukunft vor solche unjewollte Zauberej zu beschietzen. Ejnes meiner Fachjebiete ist die Abwehr schädlicher majischer Einfliesse auf den menschlichen Körper.“

„Die Contraria wie ihr Magier sie zu nennen pflegt??“

„So ist het. Ihr ieberraschet mich mit Eirem Wissen Eier Hochjeboren. Ich hatte in Grejfenfurt salch profunde Kanntnisse über die Majica necht erwartet.“

„Sagen wir einfach Ihr wärt nicht der erste Gildenmagier in meinen Landen, wenn auch zur Zeit der einzigste. Aber Ihr sagtet die Antimagie sei nur eine Eurer Stärken. Mich interessiert was ihr sonst noch könnt. Nur bitte kommt dabei ohne eine Vorführung magischer Kräfte aus.“

„Wie Ihr ja wisset Eier Hochjeboren stamme ich aus Norburg, dem Zentrum der Hejlkunst im hohen Firun. So bin ich in der Laje mittels mejner majischen Kräfte klejne und große Verlatzungen zu hejlen. Auch Krankhejten und Jifte kann ich in der Regel unschädlich machen wenn sie den Körper befallen haben. Allerdings bevorzuje ich hierbej die konventionelle Hejlkraft der Natur, wenn der Tod des Patienten auch dadurch abzuwenden ist. Nicht majiebejabte Personen neijen lejder heifig zu irrationalen Errejungen wenn sie mit der Majica in Beriehrung kommen sollen, selbst wenn het sich um die Curativa handelt. Die Hejlkraft der Pflanzen ist denn also ejn großes Forschungsjebiet dem ich mich verschrieben habe. Deswejen war ich auch in Eirem Schlossjarten jewesen, der von beeindruckender Größe ist, wenn ich het so sajen darf, wenn man sejne Lage hier oben auf dem Berg bedenket. Jemand muss den Jarten eijnmal mit großer Sorgfalt und Miehe anjelegt haben. Het sieht dorten zwar aus als habet Ihr sejt Jahren necht jejätet, allerdings habe ich in der kurzen Zejt schon einije ieberaus interessante Pflanzen jefunden.“

„Das war meine Vorgängerin, Baronin Faralda. Sie hatte einen Sinn für das Künstlerische und hat nicht nur das Buschwerk im Garten planzen lassen, sondern auch die diversen Zierstatuen und den überaus rahjagefällig gestalteten Brunnen im Burghof aufgestellt." Ardo machte aus seiner Missbilligung keinen Hehl. "Und Ihr sagt, ihr könntet mit dem Gestrüpp im Garten etwas anfangen?“

Igor verzog kurz wie vor Schmerz das Gesicht wegen der offensichtlichen Ignoranz des Barons den Pflanzen gegenüber. „Natierlich Eier Hochjeboren! Ejnijes davon mag der Zier des Aujes jedient haben, aber viele Pflanzen dorten sind auch von hejlkräftijer und jesunder Natur, manche Kreiter sind gar recht schmackhaft. Einijes könnte man noch erjänzen, wenn man erst ejnmal das janze Unnietze entfernet hat. Het ist nämlich so, dass necht nur die Majie het vermag ejnem Menschen ejn langes Leben zu jeben. Die natierliche Kraft der Pflanzen ist dafier zumeist jenauso jut und unjefährlicher ejnzusetzen, wenn man denn weiß die nietzlichen von den schlechten Sämerejen zu unterschejden. Da hat uns die jute Frau Peraine viel jejeben was wir nur erkannen und nutzen miessen. Zudem“, fügte Igor hinzu, "lassen sich viele Kräuter vortrefflich dafier nutzen Eire Spejsen schmackhafter zu machen."

Ardo ließ sich nachdenklich in seinen Lehnsstuhl zurücksinken und rieb sich das Kinn. Was der Magier da sagte klang sehr nach dem was sein Onkel Roderich immer zu sagen pflegte. Im Grunde mochte er den Mann. Er schien bescheiden und zeigte nichts von der Arroganz die der Großteil seiner Standeskollegen auf dem Konvent in Kuslik zur Schau gestellt hatten und eine perainegefällige Gesinnung mochte es dem Bornländer einfacher machen die Seelenprüfung durch Lichthüter Badilak zu bestehen, die mit Sicherheit auf ihn warten würde.

„Wohlan, ich bin gewillt Euch eine Anstellung in Aussicht zu stellen. Zuvor jedoch werdet Ihr in den nächsten Tagen bei Seiner Ehrwürden Badilak im Kloster des Herrn Praios vorstellig werden. Er wird die Lauterkeit Eurer Absichten überprüfen wie es mir nicht möglich ist. Erst wenn er Euch für glaubwürdig befunden hat kommen wir ins Geschäft.“

„Natierlich Eier Hochjeboren, das ist nur recht und billig und nechts anderes habe ich erwartet. Wenn Eich dies beruhigt und Eier Vertrauen in meine Künste davon abhängt, so werde ich Eirem Prätor mit Frejden Rede und Antwort stejen, denn ich habe mir nechts Unrechtes vorzuwerfen.“ Igor wirkte seiner Sache sicher und sehr zufrieden mit dem Ausgang des Gesprächs.

„Doch seid Euch aber auch gewahr“, warnte ihn Ardo, „dass ich Euch derzeit nicht viel mehr bieten kann als Kost und Unterkunft, denn so prächtig sich die Hochzeitsvorbereitungen dort draußen auch ausnehmen mögen, so klamm machen sie doch meine Kassen. Jedoch will ich Euch den Garten zur freien Verfügung überlassen, solange Ihr dort nichts Widernatürliches oder durch die gültigen Gesetze Verbotenes anbaut. Ich werde versuchen Euch in einem angemessenen Rahmen zu unterstützen, damit Euer Vorhaben dort nützliche Kräuter zu kultivieren von Erfolg gekrönt ist. Zudem werde ich Euch den Priestern in Sankt Therbûn anempfehlen, welche Euren Forscherdrang im Namen Peraines sicherlich zu würdigen und zu unterstützen wissen.“

„Wenn dem so ist, so freje ich mich darauf in Eirem Garten zu Hesindes und Peraines Wohljefallen zu wirken.“

Mit einem Nicken erhob sich Ardo und reichte dem Norburger die Hand, die dieser freudig ergriff um das Besprochene zu besiegeln.

„Ihr seid wie bereits gesagt bis nach den Feierlichkeiten mein Gast. Euch bleibt also eine gute Woche das Gespräch mit dem Lichthüter zu suchen. Wenn alles zu meiner und seiner Zufriedenheit verlaufen ist, werde ich Euch nach der Abreise der anderen Gäste eine angemessene Kammer zuweisen lassen. Wenn Ihr mich jetzt jedoch entschuldigen wollt, ich habe noch ein paar Rechnungen zu prüfen um die Euch versprochene Verköstigung im kommenden Götterlauf auch bezahlen zu können.“

Mit einem strahlenden Lächeln verabschiedete sich der Bornländer und machte sich auf den Weg zurück in seine Kammer. Dabei pfiff er leise vor sich hin und war in Gedanken bereits dabei den verwilderten Garten der Kressenburg in einen geordneten Kräutergarten zu verwandeln der sich vor dem in Norburg nicht zu verstecken bräuchte.


 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Greifenfurt.svg   Wappen Baronie Kressenburg.svg   Wappen Baronie Kressenburg.svg   Stadt.svg  
 Burg.svg
 
10. Pra 1035 BF
Über die Sorgen eines Barons und den Nutzen eines Magiers
Rückkehr aus der Fremde


Kapitel 5

Autor: Keilholtz