Geschichten:Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Lehrstunden (Zweiter Teil)

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Schloss Dryadenstein, 10. Ingerimm 1042, am Mittag

„Nun...“, setzte Helidora von Pranteln die Lehrstunde fort, „... wollen wir noch ein bisschen Titulaturen üben.“

„Titu...?“, versuchte Nella zu wiederholen, „Titu...?“

„Ti-tu-la-tu-ren“, half die Edle da großmütig aus, „Das heißt, meine liebe Nella, wir beschäftigen uns jetzt mit Anreden und damit, wem welche Anrede gebührt.“ Sie hielt einen Moment inne. „Wie lautet die korrekte Anrede für einen Ritter?“

Das wusste Nella natürlich: „Hoher Herr oder Hohe Dame.“

„Gut“, zufrieden nickte die Edle: „Und für einen Junker?“

„Euer Wohlgeboren“, auch das wusste das Mädchen.

„Für einen Edlen?“

„Auch Euer Wohlgeboren, Euer Wohlgeboren“, antwortete das Kind mit einem kecken Lächeln auf den Lippen.

Helidora schenkte dem Mädchen ein anerkennendes Lächeln: „Ein Baron?“

„Ähm... Euer...“, Nella kratzte sich verlegen am Kopf, „... Hoch... wohl... geboren?“

Da seufzte die Prantelnerin schwer: „Nella, meine liebe Nella. Das ist vollkommen falsch. Absolut falsch. Das Hochwohlgeboren steht nur Grafen zu. Einem Baron steht allerdings nur ein schlichtes Hochgeboren zu.“

„Hm“, machte das Mädchen nur.

„Machen wir weiter. Die Anrede eines Markgrafen ist?“

Nella zuckte mit den Schultern: „Was ist denn ein Markgraf?“

„Das weißt Du nicht?“, Helidora nippte an ihrem Wein, „Der Markgraf ist Herr über eine Markgrafschaft. Markgrafschaften sind Randprovinzen. Zum Beispiel ist Rondrigan Paligan von Gareth Markgraf zu Perricum. Als Markgraf gebührt ihm die Anrede Euer Erlaucht.“

„Hm“, machte das Kind da.

„Einem Fürsten steht die Anrede Euer Durchlaucht zu. Er steht einem Fürstentum vor. Zum Beispiel ist Anshold vom Eberstamm Fürst über den Kosch. Ein Fürst verwaltet sein Fürstentum gewissermaßen aber nur für einen über ihm stehenden. Im Falle des Kosch für die Königin des Kosch, erst dann folgt die Kaiserin. In diesem Falle spielt das jedoch keine Rolle, da die Kaiserin gleichzeitig auch Königin ist.“

Nella legte ihre Stirn in Falten.

„Dagegen steht einem Herzog die Anrede Euer Hoheit zu. Er steht einem Herzogtum vor. Im Vergleich zum Fürsten jedoch untersteht ein Herzog direkt der Kaiserin, so ist Bernfried von Ehrenstein Herzog von Tobrien.“ Helidora hielt einen Moment inne. „Einem König...“

„Das ist ja ganz schön kompliziert“, merkte das Mädchen da an.

Die Edle lachte: „Meine liebe Nella, glaube mir, dass ist noch nicht kompliziert. Der komplizierte Teil folgt erst noch.“

„Wie soll ich mir denn das alles merken können?“, seufzte Nella da verunsichert.

„Ich denke, es wird ohnehin am Besten sein, wenn Du Dir das alles aufschreibst, damit Du zuhause üben kannst“, mit einer eleganten Handbewegung winkte sie einen Diener herbei, während sie einen Schluck Wein zu sich nahm, „Bring Schreibzeug.“ Der Diener verbeugte sich und ging.

„Ähm“, machte nun das Mädchen da äußerst verlegen, „Euer Wohlgeboren?“

„Meine liebe Nella, was kann ich für Dich tun?“

„Ich...“, stammelte das Kind da, „Ich fürchte... ich... also... ich kann nicht schreiben.“

Da lachte die Edle amüsiert: „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich das Schreiben für Dich übernehme?“

„Nun, das wäre auch ziemlich sinnlos, Euer Wohlgeboren“, erwiderte das Mädchen recht frei heraus, „Lesen kann ich nämlich auch nicht.“

Helidora von Pranteln musste sich erst einmal setzten: „Liebes! Meine liebe Nella, ist das Dein Ernst? Du kannst wirklich nicht lesen und schreiben?“

„Aber ich lerne es gerade...“, versuchte das Mädchen da eifrig nickend zu beschwichtigen, „Ihro Gnaden bringt es mir bei.“

Da leerte die Edle ihr Glas in einem Zug.