Geschichten:Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Bewährung

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Gareth, Stadtteil Eschenrod, Tempel des schwarzen Lichts, Peraine 1042

Irgendwann trat Líadáin an Yolande heran und hieß ihr zu folgen. Wie lange die Raukenfelserin da schon gewartet hatte, vermochte sie nicht zu sagen. Die Geweihte führte sie nicht etwa hinab, sondern in angrenzende Räume und dort führte sie sie immer weiter, bis Yolande nicht mehr wusste, wo sie nun eigentlich waren, was vermutlich auch der Düsternis um sie herum geschuldet sein mochte. Nach einiger Zeit führte die Geweihte sie in einen kleinen Raum.

Eine einzelne Kerze spendete einen zaghaften Funken Licht und auch etwas Hoffnung in der Trostlosigkeit der Dunkelheit. Dann sah Yolande Nurinai auf der Bettstatt liegen. Regungslos.

Narzisschen“, entfuhr es ihr panisch, während sie an die Seite ihrer Liebsten eilte und erleichtert feststellte: „Du lebst! Du lebst. Den Göttern sei Dank!“ Die Geweihte schmunzelte.

Yolande herzte und küsste ihre Liebste innig, strich ihr das Haar aus dem Gesicht, fuhr mit ihren Fingern über ihre weiche Nasenlinie und betrachtete die Schlafende. Wieder einmal fiel Yolande auf, wie bezaubernd Nurinai aussah, wenn sie schlief. Nicht, dass sie sonst nicht auch bezaubernd aussah, aber wenn sie schlief, dann wirkte sie irgendwie selig.

„Sie ist noch sehr erschöpft“, erklärte die Geweihte, „Sie wird gewiss bald aufwachen...“

Yolande strich ihrer Liebsten durchs Haar. „Dann... dann... dann hat sie... geträumt?“

„Frau von Raukenfels“, seufzte Líadáin schwer ohne dabei auf die ihr gestellte Frage einzugehen, „Kennt Ihr das besagte Mädchen?“

„Ja“, sie nickte, „Nella, so heißt sie. Hat einen außerordentlich wachen Verstand. Nurinai schätzt das an ihr sehr. Sie hat einen Narren an ihr gefressen und das Mädchen an ihr auch.“

Die Geweihte schwieg einen Moment und blickte nachdenklich auf die beiden Frauen, ehe sie mitteilte: „Wir haben beschlossen, dem Mädchen zwölf Monde Zeit zu geben. Danach werden wir entscheiden.“

Nun blickte Yolande zu ihr auf: „Sie... sie... soll sich also... bewähren?“

„Wir hoffen.“

„Ihr hofft?“, echote Yolande kehlig, „Das heißt... sie kann auch scheitern?“

Líadáin nickte.

„Und... und...“, in Yolandes Kopf überschlugen sich die Wort, „... wenn sie es nicht schafft? Wenn... wenn sie scheitert? Wenn sie sich nicht bewähren kann?“

„Dann wird sie nie die Weihe erhalten können. Sie kann bei der blühende Narzisse ins Noviziat eintreten, doch vor dem Raben wird sie nie bestehen können. Ihre Seele...“ Sie seufzte. „Sie hat dunkle Flecken. Zu viele dunkle Flecken. Noch ist nichts verloren, Frau von Raukenfels, schließlich ist sie noch ein Kind, doch... doch... für den Fall des Falles solltet Ihr dafür sorgen, dass das Mädchen trotzdem bei ihr bleiben kann.“

Yolande blickte wieder auf ihre Liebste: „Und... wie... wie stellt Ihr Euch das genau vor, Euer Hochwürden?“

Mit einem vielsagenden Lächeln schaute die Prätorin sie an: „Schätzt Euch die blühende Narzisse nicht auch wegen Eures wachen Verstandes?“