Geschichten:Das dritte Kind – Versagt

Aus GaretienWiki
Version vom 11. Januar 2023, 10:01 Uhr von Orknase (D | B)
(U) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (U) | Nächstjüngere Version → (U)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Burg Scharfenstein, Firun 1045 BF

Als Drego von Altjachtern das nächste Mal jenen Traum träumte, da entschied er, dass er etwas unternehmen musste. So oft hatte er seine tote Frau gesehen, so oft hatte er die Worte Lindegard gehört. Vielleicht, ja vielleicht, vielleicht war es nun an der Zeit etwas zu unternehmen. Was hatte die Geweihte noch einmal gesagt? Er solle zurück gehen zu jenem Punkt an dem alles noch umkehrbar war. Nur wie sollte das gehen? Und mit diesen Gedanken glitt er in Borons Arme.

Trenner Garetien.svg

Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. Ailsa lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.

Baron Drego blickte zu seiner Hofkaplanin hinüber. Betrübt schaute sie drein und schien sich auf das vorzubereiten, was sie ihm gleich zu sagen hatte. Sie räusperte sich verlegen. Mit einer Geste brachte er sie jedoch augenblicklich zum Schweigen: „Spart Euch Eure Worte. Ich weiß... weiß sehr gut, was Ihr sagen wollt. Ich weiß, dass es zu spät ist.“ Er hielt einen Moment inne. Sie nickte stumm. „Was... was habe ich falsch gemacht, Schwester Lindegard?“

Die Geweihte verharrte erschrecken lange nahezu bewegungslos. Irgendwann hob sie mit monotoner Stimme schlussendlich an: „Ihr hättet sie nicht wegschicken dürfen. Ja, sie hat Euch getäuscht, Euer Vertrauen missbraucht und Ihr habt jedes Recht wütend auf sie und ihr Verhalten zu sein, aber... aber Ihr habt ihr Treue und Liebe vor der Herrin Travia geschworen ein Leben lang und... und sie hätte Euch dringend an ihrer Seite gebraucht!“ Sie schluckte schwer und blickte zur Toten hinüber. „Das Kind lag nicht richtig. Ich habe mehrfach versuch es zu drehen, aber vergeblich. Selbst meine Lehrmeisterin hat es nicht geschafft.“ Nun zuckte sie mit den Schultern. „Vielleicht hätte sie es dennoch geschafft, doch ihr hat die Kraft gefehlt und auch der Wille. Seit ihrer Haft auf Rallingstein konnte sie nur noch schwer Schlaf finden und wenn, dann nur wenn es nicht stockfinster war. Es musste immer eine Kerze brennen. Und ja, sie hat sehr darunter gelitten, dass ihr sie fortgeschickt habt, obgleich sie sehr wohl verstanden hat, warum ihr es getan habt oder viel besser tun musstet. Die Situation war für Euch genauso schwer zu ertragen wie für sie. Jeden Tag hat sie nach Euch gefragt, wollte immerzu wissen, wie es Euch geht. Ich glaube, sie hätte sich sehr gewünscht Euch noch einmal zu sehen, aber sie hat nicht gewagt Euch um einen Besuch zu bitten. Als ich merkte, dass es schlecht steht, habe ich auch Hochwürden holen lassen, aber auch er konnte nichts tun. Ich hätte auch nach Euch schicken lassen, aber... aber Ihr hattet mir unmissverständlich erklärt, dass Ihr erst kommen werdet, wenn es vorbei ist. Nun ist es vorbei.“ Tränen stiegen in ihre Augen. „Es tut mir so leid, Hochgeboren. Ich habe wirklich alles getan, was in meiner Macht stand, aber... aber ich... ich habe... habe...“ Sie begann stumme Tränen zu weinen. „... versagt.“ Sie wischt sich mit ihrem Ärmel über ihr Gesicht. „Ihre letzten Worte galten Euch. Nur Euch allein. Sie sagte: `Drego, ich liebe dich.`“ Sie begann heftig zu schluchzen und wandte sich ab.

Trenner Garetien.svg

Und Baron Drego erwachte weinend. Er hatte versagt.