Geschichten:Das Schweigen im Walde I: Feuersbrunst - Prolog

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Feuersbrunst

Aus dem Finstern sich erhebt,
Was nach Macht schon lang gestrebt,
Ergreifet schnell mit kühlem Kopfe,
Was schon lang gehegt im Schopfe.


Feuersbrunst fährt über’s Land,
Wie man es noch nicht gekannt,
Zerstöret alles ringsumher,
Dass niemand kennt es nimmermehr.


Gar schrecklich widerfährt das Grauen,
Welches all wir müssen schauen,
Dem einstmals strahlend Kaiserreich,
Das hiernach lieget totenbleich.


Prolog – Melancholie

Uslenried, Ende Travia 1029 BF

Der Wind wehte kräftig um die Zinnen des Bergfrieds von Burg Greifenklaue. Trutzig erhob sich die Feste über der Stadt Uslenried, und auch die Wirren der vergangenen Jahre hatten daran nichts ändern können. Answinkrise, Orkensturm, die Invasion der Schwarzen Horden des Dämonenmeisters und das Jahr des Feuers, wie die Zeit von der Schlacht in den Wolken bis zur Kaiserkrönung Rohajas von Vielen inzwischen genannt wurde, hatten Burg und Stadt letztlich nichts anhaben können, wohl aber ihren Bewohnern. Manchmal schien es Wulf, als sei es erst gestern gewesen, daß er mit dem Ritterschlag aus der Knappschaft entlassen worden und nach Hause zurückgekehrt war, und damit fingen die Ereignisse schon an, sich zu überschlagen. Mit einigen Getreuen hatte er die Burg aus Answinistenhand befreit und den Tod seiner Mutter gerächt. Wo war nur die schöne Zeit geblieben, die so manch andere Ritter in früheren Jahren gepriesen hatten, die geprägt gewesen waren von der Minne und großen Turnieren und die er selbst nie erlebt hatte? Viel zu schnell war die Zeit vergangenen und hatte jugendliche Leidenschaft gegen harte Wirklichkeit getauscht, als sein Vater durch die Hand der Schwarzpelze auf den Silkwiesen vor Gareth fiel und ihn mit der Bürde zurückließ, fortan Land und Familie zusammenzuhalten.

Seufzend ließ Wulf seinen Blick über Felder und Wiesen, über Hügel und Wälder streifen, zwischen denen er die einzelnen Dörfer wußte, die er vom Turm aus jedoch kaum erahnen konnte. Die goldenen Strahlen der Praiosscheibe am rötlichen Abendhimmel erinnerten ihn an die Farben des Königreiches, von dessen Glanz jedoch kaum mehr etwas zu spüren war. Zu tief waren die Narben, die der Krieg geschlagen hatte, zu finster die Lücken in seinem Geist, in welchem die Erinnerung an die vergangenen zwei Jahre kaum mehr als ein Schatten hinter dunklen Vorhängen war. Zu hoch war der Blutzoll, den die Baronie und das jüngere Haus Streitzig hatten entrichten müssen.

Gedankenverloren zupfte Wulf sich am Bart, der in allzu kurzer Zeit etliche graue Strähnen bekommen hatte, wie er immer wieder missmutig feststellte. In den vergangenen Monaten hatte er die Baronie kaum verlassen, von der Kaiserkrönung einmal abgesehen, und es schien ihm, als hätte er in dieser Zeit kaum mitbekommen, was um ihn herum passierte. Es wurde Zeit, den Dingen wieder ins Auge zu sehen und die Schritte Richtung Zukunft zu lenken. Er straffte sich, sog noch einmal die frische Abendluft ein und machte sich an den Abstieg vom Bergfried hinunter.

Später am Abend zog er sich wie so oft in den vergangenen Wochen ins Kaminzimmer zurück. Schon das Abendessen hatte ihm nicht recht schmecken wollen, wie es oftmals der Fall war, wenn ihn die Erinnerung übermannte und sein Denken bestimmte. Obwohl er ausreichend schlief, fühlte er sich ausgelaugt und müde, den die Alpträume, die ihn zuweilen heimsuchten, verhinderten den erholsamen Schlaf. Etliche Male schon war es ihm nur nach einigen Bechern Wein gelungen, überhaupt Schlaf zu finden, dennoch konnte er seine Alpträume damit nicht immer aussperren. Und wenn er zuviel trank, hatte er am nächsten Tag nur einen Kater, der auch keine bessere Laune verhieß.

Gedankenverloren blickte Wulf ins Feuer, daß im Kamin munter vor sich hin prasselte. So verging einige Zeit, und er bemerkte nicht einmal, daß seine Gemahlin eintrat. Sinya machte sich Sorgen um ihren Gatten, schon seit Wochen, wenn nicht gar Monden. Sie spürte, daß die Ereignisse des letzten Jahres Wulf sehr mitgenommen hatten. Dennoch behielt er seine Gedanken für sich, und das machte es zuweilen schwer, ihn zu verstehen. So rückte sie einen Sessel nahe an seinen heran, ließ sich darin nieder und legte ihre Hand in die seine. „Was ist los mit Dir, mein Geliebter?“ fragte sie leise.

„Nichts“, entgegnete er, doch seine Worte klangen müde und hohl.

„Mach mir nicht länger etwas vor. Schon seit Wochen treibt Dich die Melancholie, Du redest kaum und ergehst Dich Tag für Tag erneut in Grübeleien und Selbstzweifeln. Was immer Dich bewegt, Du solltest darüber. Wenn nicht mit mir, mit wem sonst?“ Sie beugte sich vor und küßte ihn auf die Stirn.

Unbeweglich und mit starrem Blick saß Wulf in seinem Sessel, lediglich ein paar Tränen rannen über seine Wangen. So saßen sie da, schweigend. Nach unendlich langer Zeit schließlich erwachte Wulf aus seiner Verzweifelung. „Vielleicht hast Du recht“, flüsterte er.

Und er begann, seine Erinnerungen mit ihr zu teilen. Bald redete er in einem fort, mal leise, mal aufgebracht, und es schien gerade so, als sei in seinem Inneren ein Damm gebrochen. Sinya hingegen hörte ihm, ohne ihn zu unterbrechen, und sie begann zu verstehen.