Geschichten:Das Leben geht weiter - Enttäuschung

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Friedheim, 8. Praios 1044 BF, am Abend

Unswin sah Meara noch einen Moment nach, wie sie in der Abenddämmerung über den Hof ging. Dann schloss er die Tür und drehte sich mit einem leisen Seufzen zu seiner Mutter um.

„Ich bin enttäuscht von dir! Sehr enttäuscht!“

Der Ritter hatte schon die ganze Zeit darauf gewartet, wann Heiltrud explodieren würde. Zum Glück war sie eine Edeldame alter Schule und hatte mit aufgesetztem Lächeln gewartet, bis die Reichsforsterin von dem Knecht ins Gästehaus geführt worden war.

„Erst schleppst du hier vor ein paar Wochen diesen Amazonenjungen aus Perricum an und jetzt erzählst du mir, dass der nächste Bastard unterwegs ist! Ich dachte, ich hätte dir beigebracht zum Denken deinen Kopf zu benutzen! Stattdessen rennst du jedem Rock hinterher, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. So habe ich dich nicht erzogen!“

Stoisch ließ der Keilholtzer die Tirade seiner Mutter über sich ergehen. Er hätte sowieso nichts sagen können, um sie zu beruhigen. Außer der Wahrheit vielleicht. Aber die hatte er bei seiner Ehre geschworen für sich zu behalten.

„Das mit deiner Leomara war schon so eine windige Geschichte! Du hattest Glück, dass dein Vetter dir damals dieses Lehen gegeben hat, damit du sie ehrlich machen konntest bevor es zu spät war. Auch wenn ihr den Bund nicht vor Travia geschlossen habt“, rümpfte sie die Nase. „Aber das wäre wahrscheinlich auch zu heuchlerisch gewesen.“

Wehmütig dachte Unswin zurück. Er und Leomara hatten sich nie viel aus der Meinung ihrer Familien gemacht. Trotzdem hatte er aus Anstand bei ihrem Vater um ihre Hand angehalten, nur um von ihm die fast unmögliche Bedingung auferlegt zu bekommen, als einfacher Knappe im Zornesorden ein Lehen zu erringen, mit dem er für den Unterhalt einer Familie sorgen konnte. Der Orden sorgte für die Seinen, aber das war Roderick von Isenbrunn nicht genug gewesen. Wenn Unswin beim Ringen um den Sturmfels nicht durch Zufall seinem Vetter Ardo begegnet wäre, wer weiß ob Leomara und er jemals eine Zukunft gehabt hätten. Oder ob es ihre Kinder jetzt geben würde.

„Hörst du mir überhaupt zu? Ich werde es nicht akzeptieren, Hörst du? Weder dieses Reichsforster Flittchen, noch das Kind! Wenn du der Meinung bist, deine Liebschaften hier einzuquartieren, dann werde ich das Haus verlassen! Zur Not gehe ich nach Schnayttach zu Ulmia. Das ist zwar auch fast hinterm Kamm, aber alles ist besser als hier weiter jeden Tag deine Dirne und deine Bastarde sehen zu müssen.“

Heiltrud von Budenhog hatte sich in Rage geredet. Unswin wusste nicht recht, ob es ihn mehr amüsierte oder eher schockierte, wie sehr seine Mutter ihre Zurückhaltung und gute Erziehung, auf die sie sonst so große Stücke hielt, vergaß. Vielleicht war es wirklich besser, wenn sie den Hof verließ. Dieses vergiftete Verhältnis mochte er weder Rondrasil noch Meara zumuten, gerade weil sie mit seiner Mutter oft allein sein würden, während er für seinen Vetter unterwegs war. Plötzlich kam ihm eine Idee.

„Was hältst du von Perricum, Mutter?“ Die unvermittelte Frage brachte Heiltrut zum Schweigen. „Baronin Geshla hat mich gebeten eine fähige Verwalterin für Leuentor zu finden. Du weißt, das Gut, welches deine älteste Enkeltochter gerade erst zugesprochen bekommen hat. Da ich jetzt hier bei Meara und Rondred in Friedheim bleiben werde, müsste sie sonst einen ihrer Untergebenen dort einsetzen, vielleicht sogar einen Nebachoten. Wer weiß, ob das Gut dann nicht sogar verloren geht, wenn niemand von unserer Familie darauf Acht gibt, bis Shimara alt genug ist um ihre Rechte selbst zu verteidigen.“ Unswin hatte eigentlich keine Vorbehalte gegen die südperricumschen Einheimischen, aber er wusste, dass seine Mutter da eine ähnliche Auffassung vertrat wie die Gnitzenkuhlerin. „Außerdem könntest du Shimara regelmäßig auf der Friedburg besuchen, wo sie doch jetzt Pagin bei der Baronin wird. Und du könntest ein Auge auf die Ausbildung der Zwillinge haben. Es würde mir wirklich eine große Last von der Seele nehmen, wenn jemand aus der Familie bei den Kindern wäre.“

Heiltrud hob zweifelnd die Augenbraue. „Mir scheint eher, du willst mich so weit wie möglich von Friedheim weghaben, damit du hier mit deinem Liebchen Ruhe vor mir hast“, ätzte sie.

„Ich überlasse es dir Mutter. Du kannst auch zu Ulmia nach Schnayttach gehen, wenn dir dies lieber ist. Ich bin mir sicher, dass Baron Brin dich nicht abweisen wird“, erwähnte Unswin wie nebenbei seinen Schwager. Er wusste, dass Heiltrud zwar sehr zufrieden gewesen war, als seine Schwester in den Hochadel eingeheiratet hatte, doch war sie wenig begeistert von den Manieren ihres Schwiegersohns, die eher in ein Feldlager passten, denn zu einem adligen Bankett. „Wenn du das beschauliche Greifenfurt dem warmen Süden vorziehst, kann ich das verstehen. Dann werde ich Geshla schreiben, dass sie selbst nach einem geeigneten Vogt suchen muss. Außer dir, werte Mutter, kenne ich nämlich niemanden, dem ich die Verwaltung des Lehens meiner Tochter anvertrauen könnte und wollte.“

Der Ritter konnte förmlich sehen, wie es hinter der Stirn seiner Mutter arbeitete. Schließlich schürzte sie die Lippen und nickte knapp. „Also gut, dann gehe ich eben nach Leuentor. Es ist die vernünftigste Lösung für alle. Baronin Geshla kann sicherlich jede Hilfe brauchen, wo ihr Gatte doch auch an der Gaulsfurt verstorben ist. Ich werde morgen packen und übermorgen abreisen. Schreibe ihr und schicke einen Kurier, damit sie auf meinen Besuch vorbereitet ist! Es wäre unhöflich unangemeldet zu erscheinen. Hainrich kommt mit mir, damit ich da unten wenigsten eine Seele habe die versteht was ich sage.“ Streng sah sie ihren Sohn an. „Das ändert aber nichts daran, dass ich noch immer sehr enttäuscht von dir bin!“