Geschichten:Das Land am Arvepass - Trollpfade

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Gut Bergesruh, Markgräflich Arvepass, 10. Hesinde 1045 BF

Es hatte die letzten Tage glücklicherweise nicht geschneit, weshalb man den schmalen Karrenpfad von Hagenshain zum Gut begehen konnte. Eine Fügung des Schicksals, hatte Bärfried von Hardenstatt doch seit Tagen das unbestimmte Gefühl tiefer in die Zacken zu müssen. Er spürte, dass er hier sein sollte und nicht in Angareth. Aus diesem Grund war er vor drei Tagen mit zwei Bewaffneten zu seinem Junkergut aufgebrochen. Anfangs hatte er sich bei Grimbold Hasler über den Fortschritt der Arbeiten am Anwesen erkundigt, hatte sich Neuigkeiten aus seinem Lehn angehört (oder es zumindest vorgehabt, denn es gab nichts zu berichten) und ansonsten Gedanken gemacht, welches seiner Vorhaben er am ehesten umsetzen wollte oder konnte.

Doch in der vergangen Nacht hatte er einen seltsamen Traum gehabt. Er war über den Pass gewandert und einem Fluss in den dunklen Wald gefolgt. Er lief immer schneller dem Fluss hinterher, der sich plötzlich schwarz gefärbt hatte. Zu seiner Überraschung verwandelte sich Bärfried schließlich in einen Adler, der immer höher stieg und bald schon auf dem höchsten Gipfel saß. Für einen kurzen Moment hatte er die Aussicht genießen können. Doch die Wolken färbten sich grau, dann schwarz und ein Sturm zog auf. Als Adler flog Bärfried hinab ins Tal, konnte schon das Junkergut ausmachen doch erfasste ihn eine Böe, die ihn gegen eine Felswand schlug. Benommen stürzte er zu Boden und nur ein Gewächs aus Moosen, Ästen und Flechten bremste seinen Aufprall, konnte jedoch den offenen Bruch seines Flügels nicht verhindern. Erst als Blut aus der Wunde auf den Boden tropfte beruhigte sich das Wetter und klärte auf.

Der Einäugige verstand nicht viel von Traumdeutung, doch selbst er erkannte, dass dieser Traum irgendeine tiefere Bedeutung hatte. Immerhin fühlte er sich nicht wie seine sonstigen Träume an, die flüchtig, fast schon Gespinste waren, welche nach dem Aufstehen schnell verblassten. Dieser Traum verfolgte ihn den ganzen Tag über und mehr aus einem Gefühl heraus, begab sich Bärfried zu den Trollbirnbäume, welche unweit seines Guts wuchsen.

Die großen Bäume, mit ihren hochgewachsenen Kronen wirkten ohne ihre Blätter wie knochige Hände, die aus dem felsigen Boden wuchsen und gen Himmel strebten. Der Einäugige rümpfte mit der Nase, als er an das letzte Frühjahr denken musste, wo diese Bäume Blüten getragen hatten. Vom Anblick schön, doch übelriechend wie wenig, das er kannte. Wären die Früchte nicht so hervorragend, er hätte nicht garantieren können, dass diese Bäume nicht doch die Bekanntschaft mit der Holzfälleraxt gemacht hätten.

Langsam umrundete er die Bäume und versank in Gedanken. Was genau machte er hier? Nur wegen einem unbestimmten Gefühl und einem seltsamen Traum war er hierhergekommen. Hatte er in Angareth nicht genug Arbeit zu erledigen? Sollte er sich nicht erst Mal darum kümmern, statt sich Hirngespinsten hinzugeben? Andererseits hatte er in Garetien auch auf seinen Bauch gehört und war damit sichtlich gut gefahren. Warum also an ihm zweifeln?

Eine Bewegung am Rande seines Sichtbereichs holte ihn in das hier und jetzt zurück. Irgendwas Großes hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Überrascht drehte er sich um und sah in einigen Schritt Entfernung ein hochgewachsenes pelziges Etwas. Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, bis sein Verstand erkannte, dass da ein Troll vor ihm stand und ihn ununterbrochen anstarrte. Bärfrieds Herz rutschte ihm in die Hose. Er kannte diese Wesen aus Erzählungen und Geschichten, doch einem leibhaftigen Troll gegenüberzustehen war dann doch etwas anderes. Noch dazu hatte er lediglich ein Kurzschwert bei sich.

Der Troll schien ihn zu mustern und blickte dann abwechseln zwischen Bärfried und den Bäumen hin und her. Erst jetzt erkannte der Einäugige, dass der Troll eine Keule, so groß wie der Mann selbst, in der Hand hielt. Seine Gedanken begannen zu raßen, sollte er die Flucht ergreifen oder doch unvermittelt auf das Ungetüm stürmen?

„Wimmelkrieger nix nehmt Frucht! Sonst Trosch erschlagen Wimmelkrieger!“, polterte der gut drei Schritt hohe Troll, welcher gar nicht so pelzig war, wie Bärfried anfangs dachte, sondern sich in pelzige Fetzen gehüllt hatte. Seine dunkle Stimme klang wie das Donnergrollen, welches durch die Gebirgsschluchten der Zacken fegte und ließ Bärfried erstarren, weder an Flucht noch an Angriff war nun zu denken.

„Wimmelkrieger nix gut mit Land! Er nix verstehen Land und müssen lernen Verbindung. Erst dann Land und Trosch mit ihm teilen werden!“, rief der Troll ihm zu und schlug mit seiner wuchtigen Keule auf den Boden. Der Aufprall war so stark, dass die nahen Bäume erzitterten und der Schnee auf ihren Ästchen zu Boden rieselte. Ungläubig blickte der Einäugige zu den Bäumen hinüber und als er zum Troll zurückblickte, war dieser gerade hinter einem nahen Felsvorsprung verschwunden. Nur langsam konnte sich Bärfried aus seiner Starre lösen und dem Wesen hinterherstolpern.

Doch als er schließlich an der Ecke stand war der Troll verschwunden, seine Fußspuren hörten einfach vor der Felswand auf, ganz so als sei das Wesen durch diese hindurchgelaufen. Der blonde Mann tastete die Wand nach versteckten Eingängen oder dergleichen ab, doch fand er nichts Verräterisches. Verwirrt und auch eingeschüchtert stand er noch einige Zeit vor dem Fels, bis er sich durchgefroren zum Gut zurück machte.