Geschichten:Bündnistreue – An den Zwiefelsen

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An den Zwiefelsen, Baronie Zweiflingen, unweit der Grenze zur Baronie Aldenried, 8. Peraine 1043 BF:

Drei Männer, die unterschiedlicher nicht sein konnten, standen vor den schroffen Zwiefelsen. Der eine trug das Wappentier seiner Familie, das rote Einhorn, auf silberner Scheibe als Herzstück in dem Korgond-Wappen, der zweite trug in voller Pracht gar nur letzteres, das auch als Erkennungszeichen der Großfürstenbewegung diente. Nur wer genau darauf achtete konnte noch eine kleine, ergänzende Fibel erkennen, ein aufrechter Gockel über zwei gekreuzten Säbeln, eher lieblos drapiert. Der dritte hatte sich in dunkles Waldgrün gekleidet mit dem aufgestickten goldenen Schallenberger-Luchs auf der Brust.

Es war ein geschichtsträchtiger Ort an dem sich die drei Herren versammelt hatten, denn hier mündete nicht nur das Flüsschen Zweifel in den Olku. Hier begingen die Herrscher Zweiflingens ihren Bund mit dem Land und hier versammelte sich der Adel der Region um Rat zu halten, Bündnisse zu schließen und Streitigkeiten zu schlichten. Ein wahrlich symbolträchtiger Ort, den Leomar nicht zufällig ausgesucht hatte. Es ging um viel bei diesem Treffen. Zwei wichtige Verbündete seiner Familie drohten damit sich im Streit über Fehdehandlungen zu entzweien. Freundschaften und Bündnisse galten viel in dieser Zeit – waren gar überlebenswichtig. Seine Familie befand sich in den Götterläufen nach dem kräftezehrenden Zweifelfelser Zwist immer noch in einer Stammfeste vor zwei Monden eindrücklich gezeigt. Ein Familienoberhaupt, das entrückt den Willen der schwarzen Kriegerin zu ergründen versuchte; ein junger Baron, der bei der Elfengräfin im verwunschenen Forst verweilte – mit denen war keine Fehde zu führen. Leomar war, aufgrund seines Amtes als Kronvogt von Königlich Neerbusch zur Neutralität verpflichtet und somit ebenfalls handlungsunfähig. Immerhin erlaubte ihm dies, in den Farben Neerbuschs, überall im Königreich unbehelligt zu reisen – und so einen guten Überblick über die Fehde-Situation im Land zu bekommen.

So standen die Männer also vor den Zwiefelsen. Ihre Gefolge hatten sie im nahegelegenen Wehrturm Zweifels zurückgelassen.

„Meine Freunde“, begann Leomar mit kraftvoller Stimme. „dieser Ort ist meiner Familie heilig, denn dieser Ort verbindet uns mit der Macht des Landes. Der hier mit unserem Blute geschlossene Bund steht über allem. Nun, da das Land in Aufruhr ist, sind die Stimmen, die nach einer gerechten Herrschaft rufen, mannigfaltig. Das Reich der Debrekskrone sucht nach einer neuen, alten Ordnung. Doch das brodelnde Blut in den Adern der Großgaretischen Ritter ist nicht aufzuhalten. Es ist ein altes Recht des Adels zur Fehde zu rufen. Altes Recht gilt es zu ehren, denn wer wären wir ohne unser Wort, zum Schwur gesprochen. Nur gemeinsam und nicht alleine kann der Weg in eine neue, alte Ordnung beschritten werden. Umso mehr erfüllte es mich mit Trauer zu erfahren, dass zwei meiner Brüder im Namen des Fuchs sich nun mit Misstrauen begegnen. Daher haben wir uns hier versammelt, um wahrhaft Wort zu sprechen, auf dass nichts, auch noch so kleine Niedertracht mehr zwischen uns stehen möge. Felan, Herr der Lande jenseits des Forstes, sprich was dich erzürnt und trage dabei den guten Kaiser Alrik im Herzen, wie auch auf der Zunge.“

Der Baron von Aldenried schien nicht viel von diesem Gerede von Macht des Landes zu halten, was sich in seinem Gesichtsausdruck niederschlug, aber dazu sagte er nichts, als er begann zu sprechen. „Es gibt Fehden, die nach Recht und Anstand gefochten werden können, auch wenn ich grundsätzlich niemals etwas Gutes in Fehden gesehen habe. Denn es sollte niemals einen Streit geben, den zwei in den Tugenden der Ritterlichkeit ausgebildete Menschen nicht auch ebenso ausfechten sollten: im ritterlichen, rondragefälligen Zweikampf.“ Felan schaute die anderen an, als er wieder einmal zu seinem Plädoyer anhob die Kräfte im Land nicht gegeneinander zu zersplittern, sondern sie im Kampf gegen die wahren Feinde Garetiens zu bündeln. „Doch geht es hier nicht einmal um eine Fehde, sondern es geht um Verrat. Und dieser ist weder in noch außerhalb einer Fehde recht! Und ich bin doppelt davon getroffen, denn ist nicht nur der Verräter einer gewesen, den wir in Freundschaft bei uns aufgenommen haben, sondern einer, der uns nach Recht und Gesetz in seinem Amt als Vogt in unserem Land zu Respekt und Gefolgschaft pflichtig war und hernach aber dafür sorgte, das Schaden an unseren Landen und seinen Bewohnern getan werden konnte!“ Felans Gesicht zeigte jetzt deutlich, die Tat jetzt wieder neu in Erinnerung gerufen, den Zorn, der in ihm aufwallte. „Und ich bin mir völlig gewiss, dass dieser Mann nicht ohne Wissen oder Zutun seiner Familie überhaupt eine solche Untat begangen hätte. Und das damit nicht nur den Bund der Familien, sondern auch meine Ehre beschmutzt, da die Tat alleine voraussetzt meine Familie wäre willens dem tatenlos zuzusehen. Ein Vertrag kann nur Bestand haben, wenn es keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit und dem Willen beider Seiten gibt diesen zu erfüllen. Verrat aber ist die böswilligste und abscheulichste Form der Unaufrichtigkeit!“, beendete Felan seine Eingangsrede. Bewusst schien er keinen Namen genannt zu haben, als wolle er an der Reaktion und des Verhaltens des Dritten ermessen, wie es weitergehen würde.

Der kleinste in der der Runde – gewandet in dunklem blau mit goldenen Stickarbeiten – streckte seine Brust mit dem Korgonder Wappen geschmückt weit nach vorn – einem Hahn gleich. Sein Gesicht sprach allerdings eine andere Sprache, denn es sprach augenscheinlich von Amüsement und schnell wechselnden Gedanken und innerlichen Kommentaren. Ein gelegentliches Zucken im linken Auge rundete das Schauspiel des Antlitzes ab, verriet aber auch dass Selo von Pfiffenstock sehr wohl anwesend war und seine eigenen Worte lächelnd abwägte. „Zu aller erst möchte ich mich in größter Überschwänglichkeit erkenntlich zeigen für den Ruf den Ihr aussandtet, Bundesvetter Leomar, brüderlicher – und dafür dass Ihr eben diesem folgtet, Alriksritter Felan, tugendhafter. Obwohl Euch Gram und Trübsal plagen, denn diese Tage wiegen schwer. Auch mein Herz dauern die üblen Geschichten und Gerüchte, aber es weiß auch gleichsam zu frohlocken ob der Taten von Heroen und Heroinnen, dem Land und den Göttern zur Ehr. Welch ein Spektakel, welches Schatten gebiert, dieser aber das Licht so strahlender und selbstloser Taten noch heller erleuchten lässt.“ Selo schien sich der Großspurigkeit seiner Worte durchaus bewusst, zügelte sich dann aber etwas. „In diesem Sinne erfreut es mich umso mehr, werter Felan, Euer Hochgeboren, dass letztlich wir beide dem Ruf unseres Bruders an diesen geschichtsträchtigen Ort folgten. Denn ich kann erahnen, welch Fanfaren und Bardeleien Euch drücken. Aber ich bin mir sicher, dass wir derlei Trüglichkeiten hinfort fegen können, ohne gleich von Fehde zu sprechen oder gar selbst die Klingen kreuzen zu müssen. Letzteres offensichtlich auch keine große Herausforderung für einen so gestandenen Rittmann wie Euch.“ Selo legte den Kopf schief und pustete eine widerspenstige Strähne aus seinem Gesicht, um dann wieder sein breites Lächeln aufzusetzen.

„Schwafelt nicht!“, fuhr Felan offensichtlich verärgert auf. „Allein der Bitte seiner Hochgeboren und eurer Geburt habt Ihr es zu verdanken, dass ich hier stehe ohne Euch mit einem Knüppel zu Schanden zu schlagen! Wir sind nicht hier, um uns speichelleckerische Reden anzuhören, also verwechselt meine Zurückhaltung nicht mit Geduld! Denn diese habe ich nicht!“ Er hätte womöglich noch mehr gesagt, aber er schaffte es tatsächlich mit geballter Faust diese Worte zurück zu halten.

Eine Augenbraue hob sich kaum merklich beim Pfiffenstocker. Man hätte meinen können sein Lächeln erstarb für einen Augenblick und zeigte kurzzeitig eine ironisch-verzehrte Schelmengrimasse, mit Gift in den Augen. Aber vielleicht war das auch nur der Schatten in Selos Zügen gewesen, der den Anwesenden einen Streich gespielt hatte, denn kaum hatte man einen zweiten Blick geworfen sah man nur wieder in das freundlich-spöttisch lächelnde Konterfei des gebürtigen Perricumers. Der abermals seinen Kopf schief legte diesmal mit einer Spur Irritation darin, eher seinen Blick abwartend gen Leomar richtete.

Leomar hatte seinen beiden Bündnispartnern ruhig zugehört. Hier prallten zwei Welten aufeinander, die einander nicht verstehen konnten – oder wollten. Innerlich bedauerte er Felans Unverständnis und Einsicht in die Macht des Landes. Aber wie konnte er diese auch verinnerlicht haben, er war der erste Herrscher seiner Familie auf dem Thron der Aldenrieder Lande. Leomars Blut hingegen herrschte schon seit vielen Jahrhunderten. Seine Familie kannte, spürte und lebte die urtümliche Macht, die vom Land seiner Ahnen ausging. Felan würde schon noch lernen, wenn er nicht vorher an seiner Sturheit und Engstirnigkeit verging. Selos Art war, das wusste Leomar zu genüge, nicht einfach. Hinter vielen, wohl platzierten Worten versuchte er dennoch eine wohlfeile Aussage zu treffen. Das dies nicht jeder Geist zu verstehen vermag, war keine Neuigkeit, so dass sich der Perricumer damit oftmals selbst im Wege stand – ob bewusst oder unbewusst, das vermochte selbst Leomar nicht zu beurteilen.

„Meine Freunde, dieser Ort ist meinem Blute heilig. Die Ehre des guten Königs Alrik gebietet Achtung vor der Heiligkeit der Stätte meiner Ahnen und vor der Heiligkeit des Bundes. Es steht jedem frei, seiner Natur folgend, das, was zu sagen ist, vorzutragen. Mögen dabei viele Worte fallen oder wenige, dies gilt es zu respektieren. Denn ganz gleich welche Anschuldigungen vorzutragen sind, gemahne ich einen unseres Standes angemessenen Umgang miteinander, auf das das, was zwischen euch steht, ausgeräumt werde, oder der Bund sich entzweie. Eine Entehrung der heiligen Stätte meiner Ahnen durch unstandesgemäßes Gebaren jedoch, ist nicht zu dulden.“ Leomar hatte diese Worte ruhig und klar gesprochen. „So tragt also vor, wie die Beweislast aussieht!“

Das war die Reaktion die Selo von Leomar erwartet hatte, doch schien sie den Hartsteener Baron nicht runterzukochen, der noch immer mit erhobener Faust in Richtung Selos stand – ganz theatralisch. Selo schmunzelte wieder, musste sich vorstellen wie der Schallenberger, seinem Namen alle Ehre machend, laut schallend und schimpfend mit einem Knüppel hinter ihm her um den hiesigen felsigen Altar lief. Fast hätte er gelacht, doch er unterdrückte es eher schlecht als recht, während sein Blick auf dem zugegebenermaßen eleganten Luchswappen Felans ruhte. Dann schniefte er kurz, zuckte mit dem leicht geneigten Kopf etwas nach links und fing sich wieder. Er hob den Kopf. „Ich bin in Trauer, denn ich sehe, dass wohlgemeinte Lobhudeleien und diplomatische Schönigkeiten – welche mein wahrhaftiges Steckenpferd sind – hier keinen Erfolg zu haben scheinen und kaum dienlich sind. Also, euer Hochgeboren von Schallenberg…“, wieder kam Selo der schallend-schimpfende Knüppelschwinger in den Kopf, der ihn versuchte in einen Sack zu stecken…was ihn zu einer kurzen Konzentrationspause zwang, „…, Baron zu Aldenried, [einfacher] Getreuer der Götter, [strahlender Lumpen]Ritter vom Handschuh, [edler Knüppelswinger mit dem Sack] dann sprecht auch ihr nicht darum herum, weshalb wir uns an so wunderbarem Herbsttag in Gram und Wut an diesem Orte der Schlichtung hier treffen müssen. Nennt die Namen und die Taten derer Ihr sie bezichtigt laut und offen, auf dass ich mir nicht vorkommen muss wie ein Dahergelaufener. Und das Land und Götter eure eigen Zunge sprechen hören, was ihr vorzuwerfen habt. Mögen wir alle Erhellung, Amüsement und am Ende versöhnliche Trunkenheit daran finden. Aber nennt bloß den Namen der Bestie, ehe ihr mit Knüppel, Sack und Schande droht, während Ihr mir Verschleierung durch das Wort vorwerft.“ Der Schalk blitze auf und saß wohl auch auf Selos Nacken, denn er wirkte zuerst wie gebeugt als er die Worte sprach, doch stand zuletzt wieder aufrecht im Schatten der Zwiefelsen, das Wappen Korgonds vorweg tragend. Der Gockel hatte getönt – im krächzigen Laut des Morgenrufes.

Felan knirschte hörbar mit den Zähnen als er antwortete. „Ihr wollt wissen, wessen ich den Mann Benwir von Pfiffenstock, Blut von eurem Blute, zeihe, und eine Kreatur die zu eigenem Denken nicht im Stande schien? Verrat. Nicht weniger als hundsgemeinen Verrat an dem, dem er Treue geschworen hatte, denn ich war sein Lehnsherr. Um die Unseren von der Verteidigung der Grenzen abzulenken wurde er zum Mordbrenner an unschuldigen Köhlern. Doch versäumte er nicht nur alle umzubringen, so dass eben Wort davon nach außen drang, sondern auch die Götter selbst hassen den Verräter und so wurde er dortselbst noch am Ort seiner Schande Opfer seiner eigenen Untat! Nicht ohne jedoch den Schaden schon angerichtet zu haben, denn die Hartsteener mussten den Flammen folgen, weil man sich schon umzingelt glauben musste und so konnte der Feind nur deswegen unbehelligt hinter unserem Rücken die Grenze queren und noch mehr Tod und Feuer über arme Bauern und Bürger bringen!“ Felan hatte so gar nichts schalkhaftes, eher etwas von einem Avatar des gerechten Zorns, dem nur noch ein Adlerkopf fehlte, um wie einem Altarbild der Heerscharen des Praios entsprungen zu sein.

Selo stand da und starrte durch Felan hindurch, mit diesem albernen aber freundlichen Grinsen. Er dachte abermals über die – teils eifrig – geschriebenen und gewechselten Worte zwischen ihm und seinem Vetter Benwir nach. Sein Gesicht zeigte kurz euphorisierte Anstrengung ob der Unmöglichkeit sich genau zu erinnern, ob es da Missverständlichkeiten hatte geben können. Der Pfiffenstocker kratzte sich zwischen Unterlippe und Kinn, das leise-schabende Geräusch amüsierte ihn dabei. Dann erhob er den Zeigefinger und das Haupt und entgegnete dem Tobenden: „Ah, da haben wir es doch, Euer Hochgeboren, luchsenhafter. Ein leichtes solch [unvollkommen Tun und] Hader zu entknoten. Offenheit ist doch eine Tugend und aus Tugenden vermeint man ja Eure Kleider gewebt gesehen zu haben. [Wer Tugend spricht, wird vertrocknen vor Durst daran.] Demnach ist euch auch sicherlich die Pflicht und Bürde solch einer Anschuldigung bewusst und Ihr könnt mir ganz sicher darlegen und unumstößlich darlegen, dass es sich so zutrug wie ihr behauptet. Ganz sicher ward Ihr vor Ort um es mit eigenen Augen bezeugen zu können. Doch was triebt Ihr dort, wo die Kaisermärker einfielen? Spielt ihr etwa das schändliche Spiel der Throne um Politik, Land und Zwist? Etwas was ich nicht mit Euch in Verbindung bringen mag, so rechtschaffen [und einfältig einfach] Ihr doch seid – tugendhafter.“, Selo säuselte die Worte mit gespitzten Lippen und ruhigen Gesten der Freundschaft und der Defensive, aber nicht ohne einen Hauch von belustigter Überlegenheit, aus der Überzeugung heraus, dass jedes Streben – auch dieses aus der Unvollkommenheit rührte. Ein Umstand, der ihn vermutlich irgendwann Verstand, Kopf oder beides kosten würde. Doch derzeit fühlte er noch den Wind des Steilflugs in seinem Gesicht, ob sich dies bald umkehren würde – er würde dem baldigen Fall mit einem Lächeln entgegen schauen. Tief in seine eigene Gedankenwelt versunken, bekam er die nächsten Worte anfänglich überhaupt nicht mit.

„Wollt ihr mich verspotten?!“ Ungläubigkeit war wohl am ehesten das Wort, das gefallen wäre um die Miene des Aldenrieder Barons in diesem Moment zu beschreiben. „Haltet ihr das hier für einen Witz? Wollt ihr auf den Leichen unschuldig getöteter Frauen und Männer an jenem Ort sowie in den folgenden Gefechten um die Verteidigung ihrer Heime und Höfe euer Schindluder treiben? Anders kann ich euer Grinsen nicht deuten. Habt ihr kein Wort der Verteidigung zu sagen für Benwir von Pfiffenstock, als dass ihr ausgerechnet mich beschuldigt an irgendeinem Spiel um Macht und Einfluss beteiligt zu sein?“ Felan war wirklich und sichtlich verletzt darüber, dass man glaubte er würde irgendwelche Intrigen spinnen. Und jeder der ihn kannte wusste auch wie lächerlich so etwas wäre, ausgerechnet ihm ins Gesicht zu sagen. „Welchen Grund sollte ich haben hier ungeheuerliches zu behaupten, wenn ich mir dessen nicht sicher wäre! Glaubt ihr mir wäre noch nicht genug Blut geflossen, meines und das meiner Liebsten, obwohl ich diese ganze Fehde für dumm und unsinnig hielt? Wart ihr in letzter Zeit in Aldenried? Es liegt in Trümmern! Erneut! Und ich bin sicher genug, dass euer Mann daran beteiligt war, dass ich bereit bin auch das Letzte zu geben für Gerechtigkeit! Reicht euch das nicht? Ich bin hier, weil ich auf Bitten des Herrn Leomar gedachte wir könnten hier unter Männern gleichen Standes eine vernünftige Lösung finden, nicht um hier eine traurige Version einer Gerichtssitzung abzuhalten, in der ein Advokat mich mit Forderungen und Beleidigungen versieht. Wenn ich solcherlei wollte hätte ich euch vor das große Reichsgericht gebracht und mich nicht hier mit euch getroffen, um uns allen sowas zu ersparen. So sagt mir einfach hier und jetzt: seid ihr bereit eine Schuld eurer Familie einzugestehen oder seid ihr es nicht?“

Des Großgockels Lächeln verstarb nicht etwa, wie man es ob solcher Worte vermeinen könnte. Stattdessen stand er da, der Blick zwischen An- und Abwesenheit, doch das Grinsen wurde härter, beinahe infam. Dann postierte sich der Hahn erneut, dass Korgonder Wappen auf der Brust hinausgestreckt, darüber die Stecknadel, die sein eigenes obskures Wappen zeigte, lieblos hing es da. „Ich? EUCH verspotten? Wie sollt mir ein solches Meisterstück gelingen? Zwar betrachte ich mich als durchaus behänden und gewitzten Redner – doch selbst mir könnte es doch nie gelingen einen so tadellosen Mann zu verhöhnen. Das schafft nur einer – [Ihr selbst]. Und ebenso spotte ich nicht über Tote, worunter auch meine Leute und Anverwandten zu finden sind, welch grausamer Mensch ich wäre. Ganz im Gegenteil, ich beneide diese Tröpfe bisweilen, sie müssen hier nicht stehen und sich solcher Klage ausgesetzt finden, sie können es nur bezeugen und sich amüsieren über unser sterblich Treiben. Und mein Grinsen, wie ihr es nennt, sollt als Lächeln allein der versöhnlichen Geste dienen. Doch Ihr mögt lieber Boshaftigkeit darin erkennen – weil der Tugendhafte nur seine eigene Tugend erkennen mag.“ Selo lächelte weiter, doch die kleinen Lachfalten um seine Augen wichen und das weiche und spöttelnde das seinen Augen von Natur aus inne wohnte erstarb für den Moment – während sich seine Gedanken weiter um die schnellelebige, unübersichtliche Zeit und seine evtl. nicht ganz eindeutige Korrespondenz mit Benwir drehten. Ruhig wie zuvor fuhr er fort. „Ja, Benwir von Pfiffenstock, mein Blut, euer Vasall in Vertretung war eine Söldnerseele und als solche mit allen Wassern gewaschen, doch keine der dummen und plumpen Sorte. Wenn er getan, was der tollwütge Luchs hier faucht und tönt, dann hat er sein Werk nicht verstanden und starb zu Recht. Doch warum nicht den Spieß herumdrehen, den ihr mir und meinem toten Vetter unter das Kinn haltet, wer spottet also hier? Nicht nur Aldenried liegt so dar, ganz Garetien brennt und Ihr denkt Ihr seid der einzige in Trauer und Sorge – [Die traurigste Gestalt in jedem Fall.] Und da kann ich euer Gram verstehen, DOCH…Gericht haltet doch ihr, der ihr meinem Vetter und mir Abscheulichkeiten vor die Füße werft. Es ist EURE Anklage die mir ins Gesicht gespuckt wurde. Gleichgesinnt bin ich hier nicht, denn auch ich folgte schlicht dem Ruf meines…unseres Freundes – um zu hören und zu sprechen, wie es wahrlich Gleichgesinnte und Edelmütige tun – [aber ich sehe maximal zwei]. Doch landeten ich und meine Sippe hier schlicht vor EUREM Gericht, oh, Luchsenhafter – als Angeklagte. Ein Gericht das sich somit dann wohl auch über die von euch so betitelten Advokaten der Edlengerichte erhebt. Nur eures Wortes wegen soll ich schändliches gestehen? Wenn dem so ist halte ich mit meinem Wort dagegen und bei meinem Glück finde ich auch noch irgendwelche Köhler, die mir mein Wort bekräftigen, so dass mein Gold ihre Schmerzen lindern kann. Und wenn ihr die Gerichtsbarkeit so verachtet, dann spielt nicht selber ebensolches. Stattdessen kann ich euch gern geben was Ihr so verabscheut, falls ihr eurer Anklage Taten folgen lassen solltet und die meinen aus unserem Vertrage drängt. Dann zerre ich euch vor die Gerichte auf das ihr dort stehen und gramen und zahlen müsst – mit Zeit und Gold. So werde ich euch nichts gestehen, außer das dies kein Witz ist und doch zu einem wurde. Dennoch will ich weiterhin versöhnlich sein und Eure Entschuldigung akzeptieren, Ihr müsst sie nicht einmal aussprechen, es genügt mir so zu tun, als hätte es dieses Trauerspiel von Schmierenkomödie nie gegeben. So dass sich auch unser Freund Leomar nicht dauern muss ob seiner verschwendeten Zeit – so verzeihe ich euch, Baron Felan von Schallenberg, Luchs vom Aldenriede, denn die Zeit ist zu kurz. Denn Fallen werden wir alle, aber ich werde dabei lachen, über jene die dachten sie wären – ob ihrer Tugendhaftigkeit - über jeden Fall erhaben.“ Gegen Ende hatten sich Worte und Gedanken leicht überschlagen, Selo war sich selber nicht sicher was er nun gedacht oder gesagt hatte, amüsant-hektisch ging es in seinem Kopf vor. Ein Umstand der zu vielerlei Dingen führen konnte, das meiste konnte er an Tatsächlichkeit, allerdings ausschließen – glaubte er. Ein Umstand der diese Situation nicht gerade einfacher machte, doch die Worte waren nun gesprochen.

Des Schallenbergers Mienenspiel war ein Spiegel seiner Seele, denn darin wechselten sich Abscheu mit Wut und Unglauben in schneller Reihenfolge ab, als er diese Rede anhören musste. Doch die rechte Faust, die sich an seiner Seite ballte sprach Bände. „Meine Entschuldigung wollt ihr akzeptieren? Ihr seid ohne Scham, oder? Xeledon selbst muss euch mit Wahnsinn geschlagen haben. Doch die Zwölfe sind mein Zeuge ihr lasst mir keine Wahl…Eure Hochgeboren Herr Leomar, Euch muss ich in der Tat für diese Zeitverschwendung um Verzeihung bitten. Ich hatte gehofft eure Anwesenheit hätte einen mäßigenden Einfluß. Auf ihn wie auf mich.“ Bei diesen Worten zog er mit nunmehr steinerner Miene seinen rechten Reithandschuh und schmiss ihn zielgerichtet in Selo von Pfiffenstocks Gesicht. „Bei Praios und Rondra, Ich erwarte, dass ihr mir innerhalb von zwei mal zwei Monden einen Zeitpunkt und Ort eurer Wahl für den Zweikampf nach rondrianischen Regeln bis auf das dritte Blut nennt. Ich nehme nicht an, dass ihr selbst in der Lage seid eure Taten und Worte zu verteidigen.“, meinte er und sah dabei verachtend auf den Haselhainer hinab. „Also nennt einen eurer Familie, der eure Ehre, so wenig davon auch vorhanden ist, verteidigen und sein Blut für eures geben mag, damit die Götter selbst entscheiden, ob meine Sicht und meine Anschuldigung recht oder unrecht seien. Mein Cousin, Herr Leuward, wird als mein Sekundant fungieren.“, beendete Felan seine Forderung und es war ihm deutlich anzusehen, dass es ihm schwerfiel nicht auf der Stelle diesen heiligen Ort mit dem schmutzigen Blut Selos und einem gebrochenen Wort für sein freies Geleit zu entweihen.

In Selos Kopf rotierten die Gedanken – ob es alle nur die seinen waren wusste er selbst nicht – doch lächelte wieder nur und brachte als einziges hervor: „Ihr habt da etwas verloren [- Eure Würde].“ Dabei sah er spöttisch auf den Handschuh herab. Der ungläubige Zorn in des Aldenrieders Blick und auch die Verwunderung in Leomars Augen ließ ihn aber schnell weiter sprechen – oder dachte er es nur? „Nur der wahrlich törichte erkennt in Xeledons Gaben den Wahn und nicht etwa das Wissen um den Gang allen sterblichen Strebens. Aber gut, sei es drum, Baron vom Pinselohre.“ Weiterhin dachtsprach bzw. sprachdachte der gockelhafte Pfiffenstocker, während er sich verbeugte und in seinen Ohren kleine Schellen in der Ferne läuteten: „Wissen hätt‘ ich’s müssen, Ritterlein will er spielen, der Großnarr will nicht für dumm verkauft werden vor den seinen im Rudel, ich könnt hier kein Witz draus machen, so muss es wohl das Schwert sein, keine gute Pointe.“ Immer noch verbeugt wie ein Schauspieler, der den Applaus seines Publikums genoss – so fuhr er fort wie zuvor: „Meine Familie, die er ehrenlos titelt, fordert der Rieder vom Igel und Ritter vom Alrik – doch fordert ihr damit eine ehrlose Familie die – außer mir – keine Ritter in den Reihen weiß, ich bin mir sicher, das ist unter euer „Würde“. So würd ich euch gern meinen ersten Reiter gegenüber stellen, im Felde euch sicher überlegen, doch im garetschen Stockkampf nicht geschult und ebenso kein Rittmann raulscher Gnade…“ Er sah aus den Augenwinkeln wie Baron Felan schäumte, ob nun weil er nichts oder alles hörte. „Und so wähl ich wohl mich selbst, doch oh nein, gegen ein‘ nahzu wehrlos Gockel er auch seine Satisfaktion, seine rondiranisch‘ Ehr und sein Recht nicht finden wird. – So wähl ich wohl einen aus den Reihen meines Rudels der Korgonder – euer Pech, wenn es gar wär Leomar von Zweifelfels, doch in jedem Fall jemand der euch im Kampfe mit dem Schwert aussehen lässt wie im ersten Knappenjahr. Pah, da habt ihr eure alten Sitten, gesprochen(?) an einem Ort, der alte Sitten wahrlich kennt, dem Land und den Göttern zum Gehör. Einen Sekundanten brauch ich dann nicht mehr.“ Zumindest die letzten Worte musste er tatsächlich gesprochen haben, denn Felan von Schallenberg brach nicht mal mehr in Geschimpfe aus, sondern stampfte in Zorn davon, wohl auch weil sonst schon Blut geflossen wär‘. Auch Freund Leomar blickte irritiert auf Selo und den Scherbenhaufen den seine beiden „Bundespartner" hinterlassen hatten. Doch der Gockel konnt nicht enden – ob nun noch gehört oder nicht: „In vier Monden also dann, aber ich nehme an, ihr seid und bleibt der Ehrenmann und verjagt die meinen aus Landehr erst wenn „Recht gesprochen“? Andernfalls lasst euch gesagt sein, weil ich bin von ehr‘lcher Haut, erwartet keine Hilfsgüter aus dem Süden oder verbringt eure ärmlich Waren nicht nach dort. Denn dort zahlt ihren einen hohen Preis, da meine Vetterin trägt dort – die blutge Fehde wart schuld – seid Kurzem den Titel einer Junkerin von Feldwacht und eine gute Vetterin ist sie obendrein – gehört sie doch meiner ehrlosen Sippe an.“

Während die letzten Worte in seinen Ohren nachhalten erhob sich Selo von Pfiffenstock aus seiner Verbeugung und sah zu Leomar von Zweifelfels, der sich dem Altar seiner Ahnen zugewandt hatte, wohl überlegend, was hier schief gelaufen war. Ihm klopfte Selo auf die Schulter und sprach im Vorbeigehen: „Leomar, mein alter Freund, in der Fehde passieren Dinge, aber es könnte wahrlich drastischer sein. Wir haben uns schon aus ganz anderen Situationen gespielt – wir sind unteilbar.“ Breit lächelnd ging der Baron von Haselhain einige Schritte voraus und wartete etwas ferner am Rande dieses traditionshaften Ortes, der viele aufsteigen und fallen gesehen hatte.

Leomar stand noch kurz dar, das Haupt gemach schüttelnd und blickte zu den Zwiefelsen. Er hätte das Wort erheben können, womöglich hätte er so das Schlimmste verhindern können, doch irgend etwas in ihm ließ ihn verstummen. Es sollte so sein. Das Land wollte Blut, es sollte Blut bekommen.