Geschichten:Bund der vier Eichen - Tag des Windvogels

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Palas der Barone von Vierok in Hallklee, 4. Rondra 1044 BF:

"Die Aufrechten strömten in schwarz umhüllter Trauer zur Stätte der Heiligen, um den Ritterlichsten unter ihnen, den tugendhaften Debrek, Herr der Lande Zweiflingen, zu gedenken. Mit gebrochenen Augen trugen sie den in den Schlachten des Ostens gefallenen Helden zu Grabe, als ein urtümlicher Windhauch die Trauergemeinde umspielte. Ein großer, nachtschwarzer Vogel erhob sich kreischend und das Rauschen seiner Schwingen breitete absolute Stille über die Trauernden aus. Aus mehreren Mündern formte sich in das Schweigen, das auch durch das Tosen des Windes nicht mehr gebrochen wurde, das Wort ihrer Erkenntnis: "Korgond". Der Windvogel, der Verkünder des Wiedererwachen des Landes war erwacht."

Die wohlklingende Stimme Salvan von Pfiffenstock ebbte ab, als er mit der 'Offenbarung des Elements Luft zu Sankt Henrica' geendet hatte. Mit großen Augen schauten ihn die Pagen Barnemund, Alwene, Danaris und Menzel an. Einzig Sighelm wirkte gelangweilt.

„Das war eine langweilige Geschichte“, motzte Sighelm los.

„Gar nicht“, schrie Menzel und ballte seine Fäuste.

„Das ist auch keine Geschichte, das ist wirklich so passiert“, maßregelte Danaris. Das von Hesinde geküsste Mädchen konnte sogar bereits Lesen und Schreiben.

„Was ist hier los?“ Die laute Stimme von Sylara Feqzaïl ließ die Pagen aufschrecken. Die kleine, quirlige Küchenmeisterin hatte etwas matronenhaftes und war ihrer Körpermassen zum Trotz ständig in Bewegung. „Solltest ihr nicht schon längst im Hof sein und eure Windspiele aufhängen?“

„Der Herr Kastellan hat gesagt, wir sollen zu Herrn Salvan gehen“, merkte Alwene naseweis an, „es ist doch heute ein Feiertag!“

„So, kleines, neunmalkluges Fräulein, was feiern wir denn heute?“ In Gedanken verfluchte sie den Kastellan für seine Nachsichtigkeit bei den Pagen.

„Ähm … den Wind?!“, kam es mehr fragend als wissend aus Alwene heraus.

„Nein!“, verbesserte sie Danaris sogleich, „wir feiern den Tag des Windvogels … Salvan hat uns doch gerade davon erzählt. Der Windvogel ist der Verkünder des Wiedererwachens des Landes.“

„Sehr vorbildlich, Danaris und nun ab mit euch und bringt eure Windspiele nach draußen.“ Die Kleinen flitzten begeistert los, nur Sighelm trottete lustlos hinterher. Offenbar konnte er mit diesem ganzen Trubel so gar nichts anfangen. „Ich hoffe der Heiterfeld hat wenigstens dafür gesorgt, dass die Kinder auch ihre Windvögel für die Prozession gebastelt haben.“

„Das haben sie, keine Sorge.“ Amira von Palmyr-Donas war an Sylara und Salvan herangetreten. „Ich habe sie vorhin mit den Kleinen fertiggestellt.“

„Welche ein Glück.“ Mit einem Lächeln verabschiedete sich die Küchenmeisterin. „Ich muss jetzt wieder in meine Küche. Dank des Heiterfelders muss ich heute auf die Hilfe der Pagen verzichten.“

„Aber, aber, verehrte Sylara, heute ist doch ein Feiertag.“ Ein verführerisches Grinsen umspielte die vollen Lippen des Rahja-Geweihten aus Rashia'Hal.

„Jetzt fangt Ihr auch noch damit an.“ Kopfschüttelnd entfernte sich die Küchenmeisterin. Mit einem amüsierten Schmunzeln ging auch Amira ihre Wege.


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Unaufgeregt schritt Amira den langen Gang des Hallkleer Baronspalas entlang. Ihre Tante, die Baronin, hatte sie rufen lassen. Unvermittelt stürmten drei Personen auf die junge Adlige aus Perricum zu und begannen auf sie einzureden.

„Das ist doch wohl ein schlechter Witz“, polterte Ritterin Junivera von Drostenberg los und auch Ritterin Rondriga von Geronstreu stieß ins selbe Horn. „Wir haben immer treu unserem Baron gedient. Solch eine Zurücksetzung haben wir nicht verdient.“ Der Edle Rodman von Linschenaue verlangte hingegen nur lautstark Kompensation. „Also, für ein kleines Handgeld … .“

Verdutzt und ein wenig überfordert blickte Amira die drei offenkundig erzürnten Herrschaften an.

„Meine Familie war schon immer nur direkt dem Baron untertan“, begann die Drostenberg erneut loszuschnattern, „das wir nun einer Heiterfelder Junkerin dienen sollen, ist nicht hinnehmbar.“

Nun dämmerte es Amira. Ihre Tante hatte am 'Tag der heiligen Erde' eine Gebietsreform angekündigt. Nun waren Einzelheiten bekannt geworden. So sollten die beiden direkt der Baronin unterstellten Herrschaften Geronstreu und Drostenberg zu einem Junkertum zusammengefasst und um die Herrschaft Linschenaue aus Borstenfeld erweitert werden. Den betroffenen Adligen missfiel es offensichtlich nunmehr der neuen Junkerin Rimiona von Heiterfeld – einer enger Vertrauten der Baronin - unterstellt worden zu sein.

„Herrschaften“, begann Amira mit fester Stimme, „ein jeder hat seinen Platz in den Landen der vier Eichen, der Eure hat sich nun geändert, aber immerhin habt Ihr noch einen Platz! Ein Umstand, den die Baronin auch ändern kann.“

Das betretene Schweigen der drei Schreihälse wunderte Amira etwas, doch nutzte sie den sich so bietenden Moment um sich aus der verbalen Umklammerung der Unzufriedenen zu lösen. Das Arbeitszimmer ihrer Tante war schon zum greifen nah.


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Schließlich konnte sich Amira in das Arbeitszimmer ihrer Tante retten. Neben besagter Baronin Rymiona von Aimar-Gor waren hier auch ihre beiden wichtigsten Berater Borro von Agur und Hesander Munter, sowie die beiden Junkerinnen Leonore von Vairningen und Rimiona von Heiterfeld anwesend.

„Kindchen, du siehst so abgehetzt aus als seien Dämonen hinter dir her gewesen“, bemerkte die Baronin mit trockener Stimme.

„Nun, lieber Tante, in gewisser Weise war dies auch so.“

„Meine neuen Vasallen?“, fragte Rimiona von Heiterfeld fast schon rhetorisch und ein Nicken Amiras sollte ihr recht geben. „Die lassen aber auch nicht locker.“

„Die werden sich fügen, das ist nur eine Frage der Zeit. Wir haben im Moment andere Sorgen.“ Die Baronin stemmte sich auf und ließ ihren wachen Blick über die vor ihr ausgebreitete Landkarte gleiten.

„Die Prozession?“, wollte Amira wissen.

„Sehr richtig“, antwortet der der Hesinde-Geweihte Hesander. „Der Schlüssel zum Bund mit dem Land müssen die Drodontsmulden sein. Daher wird die Prozession dorthin führen.“

„Ich habe, wie gewünscht, eine Route festgelegt“, begann Amira, „sie führt zu einem Plateau mit atemberaubender Aussicht über die Vieroker Lande. Doch ob der Bund … .“

„Da sind wir also noch keinen Schritt weiter“, unterbrach die Baronin ihre Nichte, „es fehlt uns dort noch der richtige Ort, der Ursprung des Bundes mit dem Land. Leonore, was könnt Ihr uns über die Drodontsmulden berichten?“

„Sie sind schroff, zerklüftet und gelten als unbewohnt – von ein paar Baumdrachen mal abgesehen.“

„Den alten Legenden zufolge soll dort gar der Höhlendrache Ebroxpir in seinem ewigen Schlaf liegen“, bemerkte Hesander an.

„Schlafender Drache … schlafendes Land … hm“, dachte die Heiterfeld so vor sich hin.

„Was ist eigentlich mit diesem Hexenzirkel? Seit der Herrschaft der Schellenpforts gibt es Geschichten, oder vielmehr Gerüchte über die. Sollen die nicht auch hinter dem Tod der jungen Vierok stecken?“, warf der bis dato recht schweigsame Borro von Agur ein.

„Leonore, Ihr werdet alles über dieses ominösen Hexenzirkel in Erfahrung bringen, um den Tod der glücklosen Vierok werdet Ihr, Rimiona, Euch kümmern.“ Dann blickte die Baronin in die Runde. „Ich muss keinem von euch erklären wie wichtig dies ist, sonst verlieren wir alles.“ Mit Schwung erhob sich die Aimar-Gor. „Aber nun wollen wir den Kindern mit ihren Windspielen zusehen.“