Geschichten:Bruder des Blutes 8

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
The printable version is no longer supported and may have rendering errors. Please update your browser bookmarks and please use the default browser print function instead.

Praios' Himmelsscheibe stand bereits weit im Efferd. Die langen Schatten der Bäume des Galgenweges wiesen wie anklagende Finger in Richtung des gewaltigen Raschtulswalles. Irean ibn Yantur ritt gemächlich auf den Galgenhof zu, Amarello schritt neben ihm her. Das Tor öffnete sich vor ihm, so dass er in den Hof reiten konnte, ohne anhalten zu müssen. Zu seinem Erstaunen lungerten die Söldner nicht im Innenhof herum, wie er es gestern noch gesehen hatte. Sie standen halbwegs geordnet in Reihen und bildeten mit ihren Reihen ein Viereck, dessen letzte offene Seite sich mit dem Tor hinter ihm schloss. In der Mitte stand neben Mortas von Helburg, dem Anführer der Söldner, eine Frau die er nicht kannte, die aber eine gewisse Ähnlichkeit zu Mortas aufwies. Als Amarello die Frau sah, verdrückte er sich schnell und schlich sich in die Reihen der Söldner. Irean zügelte sein Pferd vor Mortas, musterte die Frau kurz und stieg dann ab.

"Kor zum Gruße, Euer Gnaden", begrüßte ihn Mortas. Irean nickte kurz, ohne die Frau dabei aus den Augen zu lassen. Stille folgte.

Mortas schaute nervös zwischen den Beiden hin und her. Endlich hielt er das Schweigen nicht mehr aus.

"Euer Gnaden, darf ich euch meine Kusine Morgana von Helburg, Rittfrau zu Zollsteyn vorstellen."

"Rittfrau", Irean neigte kurz den Kopf. Gerade genug, um nicht als unhöflich zu gelten. Er sah das Blitzen in den graublauen Augen der Helburgerin. Die Frau hatte sicher nicht das kühle Blut Kors in ihren Adern.

"Wie hat Euch der Schrein gefallen", fragte Morgana ohne weitere Floskeln.

"Er ist ganz ansehnlich“, antwortete Irean knapp, "Es ist nur seltsam, dass eure Leute so wenig von Kor wissen…“

Morgana lächelte kühl, "Was sollen sie da gross wissen? Ist es nicht wichtiger, dass sie kämpfen können?"

Irean verzog das Gesicht zu einem vagen Lächeln, "Wenn sie dies könnten, hättet ihr vielleicht recht…"

Mortas holte Luft, um zu einer empörten Erwiderung anzusetzen, doch Morgana unterbrach ihn mit einer kurzen Geste.

"Ihr denkt, wir könnten nicht kämpfen?", fragte sie.

"Überzeugt mich vom Gegenteil", antwortete Irean und drückte Mortas die Zügel seine Pferdes in die Hand.

"Nun, Euer Gnaden. Dann fordere ich euch aufs Erste Blut", Morgana zog ihr Schwert. Ein Raunen ging durch die Reihen der Söldner.

Irean lächelte, zog eines seiner zwei Schwerter vom Rücken und wartete mit gesenktem Schwert. Aus dem Raunen wurde das Geklapper von Schwertern auf Schilden, vereinzelte Anfeuerungsrufe wurden laut.

Morgana griff übergangslos an. Mit wuchtigen Schlägen trieb sie den Geweihten vor sich her, der ihre Schläge nur halbherzig parierte. Als sie endlich eine Lücke in seiner Verteidigung bemerkte, schlug sie zu. Zu spät bemerkte sie, dass der Geweihte ihr eine Falle gestellt hatte. Während er ihrem Schlag auswich, verpasste er ihr einen tritt in die Seite und schickte sie in den Staub des Hofes. Das Gegröle der Söldner verstummte.

"Der heilige Ghorio sprach: Wenn Du eine Lücke in der Deckung deines Gegners bemerkst, dann nutze sie. Aber sei dir bewusst, dass es auch eine Falle seien könnte", rief Irean mit tragender Stimme über den Galgenhof.

Inzwischen hatte sich Morgana aufgerappelt und sprang wütend auf Irean zu. Dieser wich aus und schlug ihr mit der flachen Seite seines Schwertes auf den Rücken.

"Im Heiligen Kodex zu Khunchom steht geschrieben: Kämpfe mit dem heissen Blut Rondras, aber mit dem Kalten Herz Famerlors. Wut ist ein schlechter Begleiter im Kampf"

Morgana, die gerade mit wutverzerrtem Gesicht erneut auf Irean losstürmen wollte, hielt inne. Sie umkreiste den Geweihten langsam.

Irean hingegen begann Worte zu sprechen, die keiner der Umstehenden zu verstehen schien. Immer lauter werdend, rief er Worte gen Himmel, reckte die Faust nach oben. Morgana blieb stehen und schaute dem Treiben des Geweihten misstrauisch zu. Endlich beendete dieser sein Ritual, schaute Morgana mit verzerrtem Gesicht an und lief laut schreiend und mit wirbelndem Schwert auf sie zu.

Morgana, von der Aktion überrascht, versuchte dem Angriff auszuweichen. Nur knapp entkam sie dem wirbelnden Schwert, rollte sich ab und kam wieder auf die Füße.

"Wer sich fürchtet, siegt nicht!", schrie Irean. Lachend drehte er sich zu seiner Gegnerin um.

Er konnte in ihrem Gesicht erkennen, dass sie begriff, was er hier mit ihr veranstaltete. Wenn er sie richtig einschätzte, dann würde sie sein Spiel mitspielen. Ein leichtes Grinsen auf ihrem Gesicht, schien ihm das Zeichen dafür zu sein.

Diesmal griff Irean an. Er deckte Morgana mit Angriffen ein und trieb sie vor sich her. Doch mit einem plötzlichen Schlag hieb sie ihm das Schwert aus der Hand.

Wehrlos stand der Geweihte vor der Helburger Ritterin. Ihr Schwert zeigte auf seine Kehle. Ihre Augen trafen sich. Für einige Momente blieben beide regungslos. Dann senkte Morgana ihr Schwert und ging zwei Schritte zurück, "Hebt euer Schwert auf!"

Irean lächelte leicht und rief, "Der Kodex sagt: Einen unbewaffneten Gegner zu töten, bringt keine Ehre." Dann zog er sein zweites Schwert vom Rücken und griff erneut an.

Morgana verteidigte sich konzentriert. Diesmal versuchte sie, dem Geweihten eine Lücke in ihrer Deckung aufzuzeigen und daraus einen Vorteil für sich zu gewinnen. Wie sie es erhofft hatte, ging der Geweihte darauf ein und griff die vermeintlich schwache Deckung an. Morgana drehte sich unter dem Angriff weg, und schlug nach dem Schwertarm des Geweihten. Obgleich sie nicht erwartet hatte, ihn zu treffen, hinterließ ihr Schwert doch einen blutigen Striemen auf dem Arm Ireans. Gerade wollte sie jubelnd aufspringen, als sie ein Schmerz durchzuckte. Die Unachtsamkeit über ihren vermeintlichen Sieg hatte der Geweihte ausgenutzt, sein Schwert über ihrem Arm gezogen und dabei eine lange aber nicht tiefe Wunde hinterlassen.

Irean hob seine Waffe, neigte leicht den Kopf vor Morgana und steckte sein Schwert weg. Morgana brauchte einen Moment, doch dann tat sie es dem Geweihten gleich.

"Ihr hattet recht, Rittfrau. Die Höllenwaller Söldner verstehen doch etwas vom Kampf…"

Der Rest seiner Worte ging unter im Jubel der Söldner des Galgenhofes….