Geschichten:Brautgeld - Brautgeld bleibt Brautgeld

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Gareth, Alte Residenz, im Zedernkabinett. 6. Peraine 1036 BF

»Gefällt es Euch?«

Als die Frage erklang, zuckte Melcher Raultreu von Stolzenfurt-Quandt zusammen. Er hatte gerade den Stuhl des garetischen Cantzlers befühlt, nachdem er das ganze Zedernkabinett in akribischen Augenschein genommen hatte. Am besten gefiel ihm der Geruch aus altem Zedernholz, frischer Politur und Macht.

»Euer Exzellenz«, machte Stolzenfurt-Quandt seinen ordentlichen Diener vor Horulf von Luring, dem garetischen Cantzler. Äußerlich waren sich die beiden Männer sehr ähnlich: eher dratig, schmal, energisch.

»Nehmt Platz, Stolzenfurt. Wo Ihr wollt. Na, na. Da nicht.« Luring setzte sich auf den Stuhl des Cantzlers, auf dem der garetische Oberzollmeister beinahe Platz hatte nehmen wollen. Ihm blieb der Stuhl des Raulsmärker Burggrafen - immerhin!

»Ihr habt mich rufen lassen?«

»Ei, gewiss, Stolzenfurt. Ihr seid der Krone oberster Zollmeister. Eine wichtige Person. Da erscheint es mir wichtig, dass wir einander von Angesicht zu Angesicht sprechen.«

»Habt Dank«, gab Stolzenfurt nach kurzem Zögern zurück. Noch wusste er nicht, worauf das alles hinaus sollte. Zwar war er sich sicher, dass niemand seine ausgefeilten Sonderbuchungen durchschauen konnte, aber: Kopf an ist besser als Kopf ab!

»Es geht um die bevorstehende Hochzeit Ihrer Majestät.«

»Oh! Oh ja!« Stolzenfurt konnte den Mühlstein förmlich hören, derbei diesem Thema von seinem sorgengeplagten Herzen fiel.

»Wir Garetier wollen Königin Rohaja und ihrem Gemahl ein stolzes Schloss schenken. Ein Jagdschloss – ach was: die Mutter aller Jagdschlösser. Hohenwaldstein.« Luring fing an, in den mitgebrachten Papieren zu blättern.

»Ich habe davon gehört. Die Adligen Waldfangs werden sich am Geschenk Ihrer Hochgeboren beteiligen: einem Kinderzimmer für …«

»Kinderzimmer? Daraus spricht mehr Hoffnung als Kenntnis der Sachlage. Sei’s drum: Um Hohenwaldstein und die Säuberung der Lande ringsum kümmert sich der Kronvogt der Mardershöh. Der muss auch den Wiederaufbau des Schlosses beaufsichtigen und die Geschenke des Königsreichs koordinieren. Keine leichte Aufgabe - hoffentlich findet er bald einen geeignete Kastellan. Mir geht es hier und heute aber um das Brautgeld.« Horulf blickt den Oberzollmeister prüfend an.

»Brautgeld? Das fällt doch nur an, wenn ein Kind des Kaisers heiratet. Nicht, wenn die Kaiserin selbst heiratet. Oder?« Stolzenfurt hatte diese Information aus einer Diskussion mit einigen Darpatiern gezogen.

»Und wer ist die Kaiserin?«, fragte Luring scharf nach.

»Was meint Ihr?«

»Die Kaiserin ist die Tochter eines Reichsbehüters und die Enkelin eines Kaisers. Natürlich fällt das Brautgeld an. In Höhe des jährlichen Kaisertalers.«

»Normalen Jahrgangs oder gemäß des Brauchs der vergangenen Jahre des Krieges?«, fragte Stolzenfurt nach, der genau wusste, dass die normale Kopfsteuer 10 Silbertaler betrug, in den Jahren der Bedrohung durch den Dämonenmeister aber um drei Silberlinge angehoben worden war, die aber Garetien nicht hatte zahlen wollen. Statt unheilige 13 hatte man 14 Silberlinge bezahlt.

»Normalen Jahrgangs. Wir schenken das Schloss. Und wir schenken die Zuneigung des Adels zu seiner Königin. Wir schenken nicht auch noch vier Münzen extra pro Kopf«, befand Luring.

»Gut. Was habe ich damit zu tun?«, fragte Stolzenfurt nach.

»Ihr kennt Euch mit Gold aus. Mit der Buchhaltung. Ihr kennt die ganzen Probleme - auch aus Hartsteen, wo ebenfalls man Eure Kenntnisse schätzt. Ihr werdet hiermit beauftragt, das Brautgeld einzusammeln.« Luring schob dem Oberzollmeister die Urkunde herüber. »Und zählt die Häupter Eurer lieben Adligen, Stolzenfurt. Die alten Zahlen stimmen alle nicht mehr. Natterndorner Fehde, Mühlingens Massaker, Brennende Himmel, Fliegende Festungen et cetera et cetera perge perge. Alles durcheinander. Ihr erhebt einen neuen Zensus für Garetien. Und Ihr habt bis Efferd 1037 BF Zeit dafür. Im Travia heiratet Ihre Majestät - dann wollen wir das Brautgeld zahlen, aber keinen Silberling zu wenig. Und keinen zu viel.«

Mit diesem Auftrag verließ Stolzenfurt-Quandt das Zedernkabinett, in dem er gern länger geblieben wäre oder irgendwann zurückkehren wollte.