Geschichten:Brandspuren - Foyerbergs Irrtum

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Traviakloster zu Hutt, 11. Boron 1043 BF

Kurzerhand hatte Praiodan die Ansprache der Äbtissin unterbrochen mit wenigen eindringlichen Worten die neue Lage geschildert. Den Umgang mit der sofort ausbrechenden Unruhe unter den ohnehin gebeutelten Leuten überließ er wiederum Firine von Luring und eilte stattdessen mit seinen wenigen Bewaffneten bis zur schmalsten Stelle auf dem Weg hinab ins Tal. Hier war der Hügel einerseits so steil, dass er mit Pferden nur sehr beschwerlich hätte erklommen werden können, und auf der anderen Seite erstreckte sich ein gebückartiges Dornengestrüpp, welches anstelle eines Zaunes die dahinter liegende, weiter abfallende Weide umschloss.

Keinen Augenblick zu früh, wie Praiodan bemerkte, denn schon kamen die ersten Rösser und Wappenröcke ihrer Gegner in Sicht: „Haltet euch bereit. Da kommen sie.“

Ettelschwert grinste in grimmiger Erwartung und zog sein riesiges Schwert, das andere wohl nur mit zwei Händen zu führen in der Lage waren: „Hier werden sie zeigen müssen, dass sie tatsächlich kämpfen können und uns nicht nur mit ihrer Überzahl erdrücken.“

Auch sie selbst waren offenbar entdeckt worden. Außerhalb der Bogenschussreichweite hielten die Schlunder Kämpfer an. Dann lösten sich vier Reiter vom Rest der Truppe und kamen unter dem Banner des Schlunder Grafen, das wie ein nasser Sack schwer an seiner Stange herab hing, langsam näher. Leicht an seinem Tappert zu erkennen war der Herold des Zwergengrafen, genannt Foyerberg. Der zweite hatte die Physiognomie eines Greises, dem nur noch ein paar spärliche silbrige Haare feucht am Schädel klebten. Doch hielt er sich erstaunlich gerade im Sattel und das Tragen der fein gearbeiteten Plattenrüstung schien ihm nichts auszumachen. Hinter den beiden erkannte Praiodan noch die Ruchiner Silberdrossel und die schwarze Sonne auf den Schilden ihrer ritterlichen Eskorte.

„Geht’s los?“, fragte Ettelschwert und ließ sein Pferd tänzeln, bereit, dem Tier beim Befehl des Hartsteener Wegevogts sofort die Sporen zu geben. Doch der schüttelte den Kopf: „Wartet! Sie haben keine Waffen gezogen. Die wollen noch nicht kämpfen. Die wollen reden.“

„Als ob es darauf noch ankäme. Das ist unsere Chance!“, der Krieger wollte losstürmen, doch das donnernde „Halt!“ Praiodans hielt ihn zurück, genauso wie die Schlunder Ritter, die vielleicht noch zwanzig Schritt entfernt waren.

„Wer wagt es, Waffen zu führen wider das Kloster unserer lieben Frau Travia zu Hutt?“, rief ihnen Praiodan entgegen.

„Die Zwölfe zum Gruß, Travia voran“ , schallte es zurück, „Ich bin Parinor von Hartweil, Herold Foyerberg, und das sind Reoderich von Hartwalden-Sturmfels, erster Ritter des Schlundes und die hohen Damen Jendora von Ruchin und Korgana von Finstersonn.“

„Wir sahen den Rauch und wollten herausfinden, was hier geschehen ist“, indem er sich auf seinem Sattelknauf stützte, beugte sich der alte Reoderich nach vorn, wie um besser hören zu können.

„Das solltet Ihr doch selbst am besten wissen. Es war schließlich Euer Werk.“

„Unser Werk? Wie meint Ihr das?“, scheinbar erstaunt richtete sich der erste Schlunder Ritter wieder im Sattel auf.

„Versucht gar nicht es zu leugnen. Trotz der Dunkelheit wurdet Ihr an Euren Farben erkannt! Wollt Ihr wirklich behaupten, dass ihr diesen heiligen Ort nicht berauben wolltet und brennen ließet, als euch ersteres nicht gelang!?“

„Ich weiß nicht, wer Euch dies eingegeben hat, aber das ist eine Lüge“, schallte die entrüstete Replik herüber, „Ich versichere Euch bei meiner Ehre – und darauf leiste Euch jeden Eid – dass weder ich noch meine Leute sich einer solchen Untat schuldig gemacht haben.“

„Als ob man darauf etwas geben könnte...“, mischte sich nun Ettel Ettelschwert höhnisch ein.

„Wollt Ihr uns etwa beleidigen?“, die Hände der sich ob der groben Worte ereifernden Schlunder Ritter fuhren zu ihren Waffen.

„Und ihr – wollt ihr uns für dumm verkaufen? Und erdreistet euch obendrein, Ihre Hochwürden Firine von Luring als Lügnerin zu bezeichnen!“, herrschte der Krieger herausfordernd zurück.

In diesem Moment, als es so aussah, als würden die Kämpfer gleich aufeinander losgehen, meldete sich wieder der Herold zu Wort: „Haltet ein, ihr hohen Herrschaften! Was, wenn es sich um einen bloßen Irrtum oder eine bedauernswerte Verwechslung handelte?“

„Wie kommt Ihr denn darauf? Ein Irrtum?“, fragte der Junker von Steinfelde überrascht, während der Gneppeldotz neben ihm knurrte: „Pah! Helme sind schon wegen weniger gespalten worden.“

„Ja, ein Irrtum“, erläuterte Parinor von Hartweil schnell, „Ihr sagtet, es wäre dunkel gewesen, Dom Praiodan. Wenn Ihr erlaubt, würde ich gerne mit Ihro Hochwürden der Äbtissin sprechen. Falls tatsächlich jemand aus unserem Lager das Kloster angegriffen hat, dann kann ich sicher dabei helfen, festzustellen, wer. Denn darin stimme ich mit Euch überein: Dergleichen Taten sind fürwahr unritterlich und zutiefst verdammenswert. Wenn Ihr in der Zwischenzeit den Waffen ihre Stimme versagen würdet, wäre ich Euch sehr dankbar.“

Der Hartsteener Wegevogt überlegte, während er die Schlunder Truppe musterte. Dann nickte er langsam: „Einverstanden. Wir lassen Euch passieren, Foyerberg.“

„So soll es sein“, gab auch Reoderich von Hartwalden-Sturmfels seine Zustimmung und nickte den Hartsteenern zu, bevor er mit einem Schnalzen der Zunge sein Pferd wendete und gefolgt von den beiden Ritterinnen zum Rest seines Gefolges zurück trabte, „Dann wird sich hoffentlich zeigen, was hier für ein Spiel gespielt wird.“